Franz Hörl scherzt beim Interviewtermin und bei der Suche nach einem Fotomotiv. Er soll sich hinter einem Ficus benjamina im Zimmer der ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf positionieren. Das passe gut zu ihm, sagt er, als "politischer Heckenschütze". Die ÖVP lässt er sich trotz aller Turbulenzen nicht madigmachen. "So sind wir nicht", sagt er.

Franz Hörl hinter einem Ficus benjamina. 
Franz Hörl hat nur ein kleines Zimmer im Gebäude gegenüber dem Parlament, dort wo die ÖVP-Parlamentsabgeordneten ihre Büros haben. Deswegen leiht man sich das Zimmer der ÖVP-Energiesprecherin aus.Es geht die Mär, dass es eh wurscht ist, wer in Tirol Landeshauptmann ist, weil der Kaiser Franz sagt, wo es langgehen soll. Die Deutschen hätten das aufgebracht, sagt Hörl: "Ist natürlich ein Blödsinn."
Credit: Heribert Corn

STANDARD: Was macht der Unternehmer Hörl nach dem Aufstehen?

Hörl: Frühstücken, Zeitung lesen, Fernsehnachrichten konsumieren.

STANDARD: Andere schnappen sich ihr Handy und schauen, was die Aktienkurse machen.

Hörl: Ich mache nur Sachen, von denen ich etwas verstehe. Aktien, Hedgefonds und die ganzen Finanzierungen waren mir immer suspekt. Das hat mich in meiner Laufbahn zumindest einmal gerettet.

STANDARD: Wie das?

Hörl: Ich war Obmann einer Brandschadenversicherung im Zillertal. Mitte der 1990er-Jahre haben wir wenig verdient damit. Meine Kollegen im Aufsichtsrat meinten, man müsse Geld anlegen, auf gut Deutsch spekulieren. Wir hatten 65 Millionen Schilling auf dem Konto, und der Geschäftsführer und ich haben uns dagegen verwehrt. Das war ein Glück, denn als ich die Obmannschaft abgegeben habe, sind die ersten Sachen bis hin zu Finanzskandalen aufgeflogen. Wir hätten zuerst relativ viel Geld verdient, dann aber sicher ein paar Millionen Schilling in den Sand gesetzt. Das hätte mich wahrscheinlich meine politische Karriere gekostet.

STANDARD: Stichwort Karriere. Sie haben die Obmannschaft des Seilbahnverbandes Tirol zurückgelegt ...

Hörl: Die Fachgruppe in Tirol habe ich zurückgelegt, weil der Reinhard Klier sich bereiterklärt hat, das zu machen. Der Klier ist ein ganz anderer Typ als ich. Mir hat einer gesagt, wenn der Reinhard in einen Raum kommt, dann hört man ihn nicht schon im Vorraum. Er ist Akademiker, studierter Geologe, ich hoffe, dass die Lautstärke auch noch dazukommt, weil ich glaube, ohne Lautstärke hört man einen nicht.

STANDARD: Sie gelten als laute Stimme Tirols in Wien. Und zu Hause?

Hörl: Zu Hause nicht. Da führt die Frau das Kommando. (schmunzelt)

STANDARD: Sie sind neben all den anderen Funktionen Seilbahnunternehmer, Hotelier und Landwirt. Inwieweit hat da das Wetter das Kommando?

Hörl: Im Tourismus ist das Wetter immer ein Thema, im Sommer genauso wie im Winter.

STANDARD: Ist es mehr Fluch oder Segen, dass es dank ihres Landsmanns Peter Schröcksnadel Wetterkameras in so gut wie allen Skigebieten gibt?

Hörl: Eindeutig ein Segen. Die mediale Berichterstattung erweckt mitunter den Eindruck, man könne wegen fehlenden Schnees nicht Ski fahren. Ich hatte ein Schlüsselerlebnis, als mich holländische Stammgäste im vorigen Winter angesprochen haben: "Herr Hörl, was ist bei ihnen in Österreich los. Wir hatten immer schönes Wetter und konnten Ski fahren. Wir bekommen aber Anrufe von Freunden, die fragen, was wir in Gerlos machen, wo man doch nicht Ski fahren könne."

Franz Hörl auf der Couch.
"Es gibt viele Dinge in der 'Piefke-Saga', die ich als ziemliche Beleidigung der ganzen Branche gesehen habe", sagt Hörl. So sei es nicht gewesen.
Credit: Heribert Corn

STANDARD: Nervt es Sie, immer sagen zu müssen, dass am Skifahren nichts Schlechtes sei, dass man Ski fahren könne trotz der Bilder von den Schneebändern in den Medien?

Hörl: Wenn Kinder auf dem Schnee sind und man die strahlenden Augen sieht oder wenn in Sölden 15.000 Leute beim Weltcup-Auftakt ein großes Fest machen und eine Riesenfreude haben, frage ich mich: Was hat man gegen so etwas? Wenn der Formel-1-Zirkus mit dem ganzen Tross in Las Vegas herumfährt, regt sich kein Mensch auf, und wegen eines Skirennens in Österreich ist so ein Theater. Das ist schon sehr österreichisch.

STANDARD: Sie klingen trotzig, wenn Sie sagen, Klimawandel gut und schön, aber bei uns in Tirol wird sich nichts ändern können, wir leben vom Tourismus, brauchen die Gäste.

Hörl: So ist es ja nicht. Ich bin 18 Jahre lang Bürgermeister in Gerlos gewesen, sechs Jahre Vizebürgermeister. Damals hat es schon Diskussionen gegeben, dass wir irgendwann so gut ausgebildete, tolle Leute haben werden, die in Gerlos sitzen, sich von hier aus in die Computersysteme der Welt einloggen und ihre Geschäfte machen. Ich weiß nicht, ob das jemals so funktionieren wird. Bis es so weit ist, sollten wir auf Bewährtes setzen. Das schafft Wohlstand und hält die Jugend im Tal.

STANDARD: Immer öfter heißt es an Touristenhotspots aber, dass nur wenige profitieren, Einheimische können sich das Leben kaum mehr leisten. Gleichzeitig wird die Natur zerstört.

Hörl: Mir soll jemand einmal anhand von Gerlos zeigen, wo die Natur zerstört worden ist. Die Pisten sind im Sommer entweder Felder, die auch landwirtschaftlich genutzt werden, oder es sind Almen. Solange die Seilbahnbetreiber im Dorf leben, sind sie Teil der Dorfgemeinschaft, und sie sind dieser auch verpflichtet, dass alles ordentlich funktioniert.

STANDARD: Von außen kommen wenig schmeichelhafte Einschätzungen, etwa "Die Seilbahnbarone machen sich alles aus". Ist Tirol eine regionale Oligarchie von Touristikern, wie eine deutsche Zeitung meint?

Hörl: Das ist absolut falsch. Einer unserer großen Pioniere wie der Buggls Hans hat immer erzählt, wie er die Gletscherstraße gebaut hat. Er ist anscheinend zum damaligen Landeshauptmann Wallnöfer gegangen und hat gesagt, wir brauchen da eine Straße hinauf. Hat der auf seiner Pfeife herumgezogen – "Na, wie die Straße ausschaut". Und am Schluss sagt der Buggls: "Ich zahl das selbst, und du fängst zu bauen an." Das sind ja Märchen aus der Vergangenheit.

Franz Hörl auf dem Balkon. Nebenan das Parlamentsgebäude in Wien.
Mit seinem Vater hat er in jungen Jahren so manchen Strauß ausgefochten. Heute liefert er sich oft mit den Grünen Gefechte.
Heribert Corn

STANDARD: Felix Mitterer, auch ein Tiroler, hat in der "Piefke-Saga" sinngemäß sagen lassen, am besten wäre es, wenn die deutschen Gäste das Geld den Hoteliers überwiesen und selbst gar nicht kämen.

Hörl: Ich sehe das als humorvollen Beitrag. Auch ich höre das manchmal in Lokalen zu später Stunde, das hat Mitterer nur nachempfunden. Ich habe nichts gegen ihn. Das ist ein Künstler – einer, der die Sachen sehr zum Gaudium vieler überspitzt dargestellt hat. Es gibt viele Dinge in der Piefke-Saga, die ich damals als ziemliche Beleidigung der ganzen Branche gesehen habe, weil es solche Verhältnisse in keiner Weise gab.

STANDARD: Sie mussten nach dem plötzlichen Tod Ihres Vaters schon mit 21 Jahren den elterlichen Betrieb in Gerlos samt Landwirtschaft übernehmen. Wie stark hat Sie das geprägt?

Hörl: Ich glaube, dass ich das nur geschafft habe, weil mich mein Vater, und das war nicht so lustig, mit 9,5 Jahren ins Internat nach Fiecht im Bezirk Schwaz geschickt hat. Vier Jahre war ich in der Klosterschule, dann drei Jahre Hotelfachschule, wieder im Internat, in Innsbruck. Da lernt man, sich durchzusetzen.

STANDARD: Wenn Ihr Vater nicht vorzeitig gestorben wäre, was hätten Sie vorgehabt?

Hörl: Mit 17 hatte ich ziemliche Konflikte mit meinem Vater. Ich wollte raus, war in Liechtenstein, dann auf Wintersaison am Arlberg, war beim Bundesheer in St. Johann, bin dann abgehauen nach Großbritannien und von dort weiter nach Amerika.

STANDARD: Um was zu machen?

Hörl: Ich bin zwei Monate mit Greyhound und Tramprucksack durch das Land und habe dann als Koch in einem Lokal in New York gearbeitet. Dort habe ich Zürcher Gschnetzeltes und Rösti gemacht und dann Applepie, also gezogenen Apfelstrudel mit einer Kugel Vanilleeis. Das habe ich später aber sehr bereut: Die Nachfrage war so groß, dass ich irgendwann die Äpfel gar nicht mehr geschält habe. Ich habe damals, natürlich alles schwarz, 17.000 Schilling verdient, für mich ein irres Geld. Die Arbeitszeit war kein Problem, weil ich es gewohnt war, von neun Uhr in der Früh bis Mitternacht zu arbeiten. Alle haben dann von einem Workaholic aus Austria gesprochen.

STANDARD: Wollten Sie bleiben?

Hörl: Meine Idee war, im Ausland zu bleiben, Sprachen zu lernen. Das vermisse ich ein bisschen. Wir haben zwar sehr gute Hotelfachschulen, aber bei den jungen Betriebsübernehmern geht mir ein wenig ab, dass sie über Auslandserfahrung verfügen. Im Winter wollte ich zurück und zu Hause helfen.

STANDARD: Das ist vielleicht so, wie es VP-Klubobmann August Wöginger einmal ausgedrückt hat: Die jungen Leute gehen weg, werden Grüne – und dann vielleicht sogar Klimakleber?

Hörl: Ich glaube, ein Klimakleber in Gerlos täte sich ziemlich schwer. Wenn das ein Einheimischer wäre, würde der abends im Lokal nichts mehr zum Trinken bekommen.

STANDARD: Seilbahnbaron, Kaiser Franz, Wadelbeißer, Polterer – all das sind Sie genannt worden. Was soll einmal auf Ihrem Grabstein stehen?

Hörl: Ich habe den Kommerzialrat 16- oder 17-mal abgelehnt. Ich brauche das nicht. Mich freut es, wenn mir etwas gelingt, das ist mir Anerkennung genug. Und was auf meinem Grabstein obensteht, ist mir eigentlich wurscht. (Regina Bruckner, Günther Strobl, 3.12.2023)