Charly und Irene Schillinger haben einige Jahre an ihrem veganen Fastfoodkonzept getüftelt. Da waren sie noch in Großmugl bei Stockerau mit dem elterlichen Wirtshaus von Charly Schillinger befasst. Mittlerweile konzentrieren sich die beiden ganz auf die Fastfoodkette. Fotografiert wird in einer der nostalgisch eingerichteten Filialen in Wien. Das Gespräch findet im Büro statt.

Das Ehepaar Charly und Irene Schillinger in einem ihrer nostalgisch eingerichteten Fastfoodrestaurant in Wien Vor ihnen steht ein veganer Burger auf einem Tablett.
Charly und Irene Schillinger schlafen wenig und arbeiten viel. Das Gasthaus in Großmugl hat das Paar, das zwei Kinder hat, mittlerweile aufgegeben. Großmugl sei ein bisschen Hobbit-Land, aber bei Sternschnuppenbeobachtern sehr bekannt.
Regine Hendrich

STANDARD: Fastfood hat keinen guten Ruf. Macht Ihre Küche dick?

Charly: Verglichen mit anderem Fastfood sind wir ein bisserl gesünder. Aber wir verkaufen auch Pommes und würden nicht sagen, dass das eine Gesundheitsküche ist.

Irene: Man kann ja nicht etwas für gesund halten, was unsere Lebensgrundlage zerstört. Es geht auch darum, dass wir uns unseren Ast, auf dem wir sitzen, nicht absägen. Insofern: Ja, natürlich ist das gesund.

STANDARD: Fastfood heißt, es soll alles flott gehen. Wie lange brauchen Sie, um einen Burger zu servieren?

Charly: Im Schnitt 3:20 Minuten. Wir suchen uns Standorte aus, wo wir einen gewissen Umsatz haben, sodass wir nicht die komplette Maschinerie anreißen müssen, wenn ein Gast reinschaut. Wir haben immer schon Pommes parat.

Irene: Wir haben mehr als drei Jahre jeden einzelnen Minischritt hundertmal beleuchtet, neu erdacht, wieder verworfen und wieder neu entworfen, bis wir uns sicher waren.

STANDARD: Können Sie etwas besser als die Konkurrenz?

Charly: Bei uns kann der Mitarbeiter maximal wenig Fehler machen. Bei den Amerikanern läutet ein Glockerl, dann musst du die Pommes rausnehmen. Bei uns fährt der Frittierkorb selbst hoch. Wir haben die allerkürzesten Einschulungsphasen von allen Fastfoodkonzepten. Drei Lehrtage. Weil wir auf maximale Effizienz getrimmt sind. Wir stellen keine Köche an, die mitreden wollen, sondern in der Regel Studierende – halbtags. Denen taugt es, dass sie so gute Vorlagen haben.

Eine Filiale der Fastfoodkette Swing Kitchen. Über Kopf die Speisekarten und in der Mitte gläserne Schränke mit den Speisen zur Selbstbedienung.
Das Interieur eines Swing-Kitchen-Lokas unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von herkömmlichen Imbissrestaurants.
Regine Hendrich

STANDARD: Studierende zählen auch zur Zielgruppe. Kann es sein, dass die sich sagen, zehn Euro für ein Essen sind okay, 13 gehen sich nicht aus?

Charly: Diese Erfahrung machen wir nicht. Unsere Gäste sind nicht preissensibel. Man ist auch lange satt, und du ersparst dir die Jause. Und die wenigen Österreicher, die keine Zahlenschwäche haben, die nachrechnen können, die finden uns sogar extrem fair. Bei uns ist mehr als die doppelte Menge an Dips in einem Schälchen, und es kostet genau das Doppelte. Das ist nicht ein hochgezogenes Industrieprodukt, sondern wirklich ein handgemachtes Basilikum-Lemon-Sößchen.

STANDARD: Apropos handgemacht. Gehen wir zurück zu Adam und Eva und damit zum jungen Charly, der mit 19 Jahren kein Schwein schlachten konnte, obwohl die Gäste im Wirtshaus Nachschub verlangten. Ist das ein Gschichterl?

Charly: Das ist so gewesen. Ich war immer schon sehr tierlieb und hab daheim protestiert, wenn der Vater eine Sau gestochen hat. Wir waren das Gasthaus, wo die Hochzeiten, die Sparvereinsauszahlungen, die Bälle, die Kirtage waren. Und immer wenn so etwas war, hat eine Sau dran glauben müssen. Als dann der Vater ganz plötzlich gestorben ist, haben die Mama und ich die drei Schweine geerbt. Neben einem Gasthaus und ein paar kleinen Feldern. Wir haben dann festgestellt, dass die eine eigentlich schon fällig ist. Dann hab ich zur Mama gesagt: Mama ich kann der nix tun. Hat die Mama gesagt: Ich auch nicht.

Irene: Gini, Chasey und Brigitte haben sie geheißen.

Charly: Brigitte hat wirklich ausgeschaut wie die Bardot und ist auch so keck gegangen wie die Bardot.

VIDEO: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD

STANDARD: Ein Landgasthaus und kein Schnitzel – und das 1987. Was ist mit dem Wirtshaus passiert?

Charly: Die Mama hat gesagt: Bub, jetzt hören wir auf mit Festln und mit Speisekarte, weil in Großmugl vegetarisch wird nie gehen. Jetzt kannst du Mathematik studieren. Ich wollte ja mit 15 Mathematik studieren, und der Vater hat gesagt: Du bist der erstgeborene Bub, du kommst in die Berufsschule für Kellner und Köche. Das ist gar nicht lange gutgegangen. Ich hab ein paar Tiere befreit, die geschlachtet werden sollten, und bin in hohem Bogen hinausgeflogen. Durch die Intervention meines Vaters bin ich noch einmal in die Schule gekommen und hab Kellner und Barkeeper gelernt. Ich hatte damals einen Vorvertrag für die Bahamas. Ich wollte aus Großmugl raus, bin aber bei der Mama geblieben, weil sie verzweifelt war. Die Mama hat das Lokal dann als Ein-Woman-Show weitergeführt. Ein Wirtshaus im Dorf, wo die Bauern kommen, die Hackler Karten spielen, saufen, raufen. Und wenn sie Hunger haben: Käsetoast, Eierspeise, Manner-Schnitten.

Irene: Die Familie Schillinger ist damals von einer hochangesehenen Familie zu einer absoluten Lachnummer geworden.

STANDARD: Wie ist Ihre Tierwohlkarriere verlaufen?

Irene: Ich war im Alter von zwölf Jahren ein pferdebegeistertes Mädchen. Ich war an einem Reitstall, wo mein Lieblingspferd sich verletzt hat. Es stand in Diskussion, dass es geschlachtet werden müsse. Dieses Pferd Katja war nicht ein beliebig austauschbares Individuum der Gattung Pferd, sondern das war die Katja. Ich bin völlig entsetzt mit der sehr ernsten Frage, warum manche Tiere gegessen werden und andere nicht, zu meinen sehr gebildeten Eltern gegangen, die immer auf alles eine Antwort hatten. Sie haben damals ehrlicherweise geantwortet: Da gibt es keine logische Begründung dafür, das ist einfach so, weil es sich so tradiert hat. Das war der letzte Tag, an dem ich Fleisch gegessen habe. Vor 40 Jahren. Es ist mir unlogisch erschienen.

STANDARD: Wo haben sich Ihre Wege gekreuzt?

Irene: Ich wollte immer Köchin werden. Meinem seit Generationen akademischen Elternhaus hat das nicht gefallen. Sie haben mich innigst ersucht, doch bitte zu studieren, was ich ihnen zuliebe auch gemacht hab. Ich hab aber im ersten Semester gleich begonnen, nebenbei in einer Bar zu arbeiten und mich bei Tier- und Umweltschutzorganisationen zu engagieren. Charly zeitgleich auch. Wir kannten einander nicht. Wir haben an einer Veranstaltung teilgenommen, wo auf einem Laufsteg Pelz präsentiert wurde, und ich bin auf die Bühne gegangen mit einem Transparent "Pelz ist Mord".

Irene und Charly Schillinger in einem ihrer Fastfoodlokale.
Irene Schillinger wollte immer Köchin werden, ihr Ehemann Charly wollte nicht, dass Tiere geschlachtet werden. Gekocht wird fleischlos.

Charly: Ich war zuständig dafür, dass die Polizei nicht auf die Bühne kommt. Die Veranstaltung war sehr erfolgreich. Die Medien haben sich überschlagen. Dann sind wir gemeinsam ins Café Museum gegangen und sind uns nähergekommen. Seither haben wir fast jeden Tag miteinander verbracht.

STANDARD: Und haben dann doch irgendwann ein vegetarisches Gasthaus in Großmugl betrieben. Sehr erfolgreich sogar.

Charly: Ja, wir waren früher die Spinner im Dorf. Der Pfarrer ist gekommen und hat gesagt, du darfst die Schweine nicht leben lassen, das ist Blasphemie. Als wir zwanzig Jahre später die ganz großen Erfolge gehabt haben mit unserem Gasthaus, dann waren wir wieder wer.

STANDARD: Sie sind aufgewachsen mit Schnitzel und Schweinsbraten. Haben Sie das nie vermisst?

Charly: Ich esse jeden Tag Schnitzel und Schweinsbraten, aber vegan. Für mich ist es völlig wurscht, ob das ein Bioschwein ist und ob die jetzt die 100 Tage schön gelebt haben. Die Sau will zwölf Jahre alt werden. Wir essen nur Kleinkinder, und wenn man das nur ein bisserl auf den Menschen umlegt, ist es ganz grausam. 2001 hat meine Frau gesagt, Blümchenlaibchen, Bulgurauflauf, Gemüsestrudel sind schön: Aber worauf hast du am meisten Lust? Sag ich: Wenn ich jetzt ein veganes Cordon bleu haben könnte.

STANDARD: Das war lange, bevor es Fleischersatz gab.

Irene: Ich habe gehört, man kann mit Gluten, mit Weizeneiweiß fleischähnliche Konsistenzen erreichen, und hab dann mit viel Versuch und Irrtum ausprobiert. Warum ist bei einem Kuchen ein Ei drin, was hat das für eine Funktion? Und je nachdem suche ich mir ein pflanzliches Produkt, das die gleichen Eigenschaften hat. Das Ziel war, möglichst dem Originalprodukt nahezukommen. Ich hab an meinem Mann gesehen, dass der Umstieg dann sehr viel einfacher geht.

STANDARD: Sie haben aus ethischen Gründen begonnen. Aber wie ökologisch ist vegan?

Irene: Mit dem Burgerpatty haben wir elf Badewannen Wasserersparnis pro einzelnen Burgerpatty gegenüber dem bösen Gegenstück, in diesem Fall Rindfleisch. Der Hebel, den man hier hat, ist gewaltig. Da ist nichts grüngewaschen, das ist der tatsächliche Ressourcenunterschied. Wir haben extra ein TÜV-Siegel drauf, um jeden Greenwashing-Verdacht auszuräumen.

STANDARD: Die Wirtschaftskammer ist auf Verdacht dagegen, eine vegane Kochlehre einzuführen. Einverstanden damit?

Charly: Das darfst du nicht verschlafen. Als ich Ende der 1970er-Jahre in der Berufsschule war, war der Lehrplan aus den 1950er-Jahren. Wir haben Forelle blau am Tisch gemacht. Hab ich nie wieder gesehen. Auch unsere Köche oder unser Kellner, die damals ausgebildet worden sind – das kannst du dir einmargerieren. Ich bin ganz stark davon überzeugt: In 20 Jahren wird Fleisch aus dem Speiseplan verschwunden sein.

STANDARD: Da haben wir dann Laborfleisch und Insektenburger. Davor werden Sie nicht haltmachen, oder?

Charly: Vor Insekten schon, das würde ich nicht tun. Die tun mir leid. Ich trage die Gelse hinaus, wenn sie mich sticht.

STANDARD: Vom Tier zum Menschen: Was haben Sie in all Ihren Berufsjahren über die Menschen gelernt?

Charly: Ich habe mein Menschenbild komplett anpassen müssen. Mich hat letztens ein Polizist aufgehalten. Ich fahre zwar nie schnell, aber gerne über rote Ampeln, weil ich nicht gerne warte. Ich hab schon wieder meinen Spruch parat gehabt – ich bin ja nicht sehr gut zu sprechen auf die Kieberer. Dann hat er gesagt: Ah, der Herr Schillinger, ich bin ein Riesenfan von Ihnen. 60 Euro bitte. Da kannst du natürlich gar nicht mehr frech sein.