Laura Wiesners Gedanken sind beim Familienunternehmen, in dessen Geschäftsführung sie im April 2021 aufgestiegen ist, aber auch bei ihrem ersten Kind, das sie demnächst erwartet. Zeit für ein Gespräch nimmt sie sich dennoch.

STANDARD: Sie bauen Möbel im Innviertel, dicht an der Grenze zu Bayern. Wenn Sie frei disponieren könnten, würden Sie die Produktion dann wieder dort ansiedeln?

Wiesner: Logistisch sind wir in Altheim (Bezirk Braunau, Anm.) nicht am Nabel der Welt. Das ist nun einmal so bei historisch gewachsenen Unternehmen. Nun kommt aber hinzu, dass Österreich als Wirtschaftsstandort nicht mehr die Attraktivität hat, die es einmal hatte.

Laura Wiesner blickt auf einen blauen Sessel gelehnt in die Kamera.
Für sie sei während des Studiums festgestanden, dass sie in das Familienunternehmen einsteigen würde, sagt Laura Wiesner. Nicht sofort, denn vorher wollte sie noch Erfahrung sammeln, auch im Ausland.
Heribert Corn

STANDARD: Was ist passiert?

Wiesner: Man muss differenzieren. Oberösterreich ist noch immer ein starkes Industrieland, wo auch Wert darauf gelegt wird, Kontakt zu den Unternehmen zu halten und zu schauen, was verbessert werden kann.

STANDARD: Nur schöne Worte?

Wiesner: Nein, man hat schon das Gefühl, dass man sich in Oberösterreich von politischer Seite um die Unternehmen kümmert. Was aber die Lohnnebenkosten betrifft und die Art und Weise, wie die Gewerkschaft bei den Lohnverhandlungen agiert, ist das nicht einmal bei unseren deutschen Nachbarn so ausgeprägt.

STANDARD: Also nicht unbedingt ein Anreiz, noch einmal hier zu starten?

Wiesner: Wahrscheinlich würde man es sich dreimal überlegen. Wenn ich mir die Europakarte anschaue, gäbe es wahrscheinlich attraktivere Standorte für den Start einer Produktion.

STANDARD: Bläst der Industrie generell ein kälterer Wind entgegen?

Wiesner: Nicht unbedingt. Dass Österreich auch Industrieland ist und nicht nur Tourismusland, ist im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Ich selbst wohne am Attersee, also in einer klassischen Tourismusregion. Dort kann man drei Monate gut Geld verdienen, das ist es dann aber auch schon.

STANDARD: Österreich habe zwar hohe Lohnnebenkosten, im Vergleich zu anderen Ländern aber sehr gut ausgebildete Leute, heißt es. Stimmt das, oder ist das nur ein Klischee?

Wiesner: Das mit der Ausbildung stimmt. Ob der Zugang aber für alle sozialen Schichten offen ist, wage ich zu bezweifeln. Da gibt es definitiv Stellschrauben, an denen man arbeiten könnte.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Wiesner: Dass beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund sämtliche Bildungswege und -möglichkeiten offenstehen, ist, glaube ich, nicht der Fall. Da würde ich Verbesserungspotenzial sehen.

STANDARD: Wiesner-Hager war als Sesselhersteller Generalist. Man hat Wirtshäuser ausgestattet, für Kinos und Theater produziert, Schulen beliefert, auch Polstermöbel wurden hergestellt. Dann gab es eine Zäsur?

Wiesner: Durch die Öffnung der Märkte nach der Osterweiterung hat der Preisdruck in unserer Branche stark zugenommen. Wir haben uns dann auf unsere Stärken konzentriert und eine Nische besetzt. Diese Nische war der Bereich Büromöbel und Kommunikation.

STANDARD: Und, trägt das noch eine Weile?

Wiesner: Das Einzelprodukt ist wichtig, Qualität auch. Wiesner-Hager hat sich darüber hinaus aber zu einem Experten für Arbeitsräume weiterentwickelt. Das ist eine Stärke, aus der sich viel herausholen lässt. Daran halten wir jedenfalls fest.

Laura Wiesner blickt gestikulierend in die Kamera.
Sie selbst habe ein kleines Büro, sei aber selten am Schreibtisch, sondern mehr im Betrieb unterwegs, sagt Laura Wiesner.
Heribert Corn

STANDARD: Gerade was die Atmosphäre in Büros betrifft, Büroeinrichtungen generell, da ist einiges im Fluss. Wie gehen Sie damit um?

Wiesner: Gott sei Dank entwickelt sich das immer weiter und bleibt nicht stehen.

STANDARD: Sie sagen "Gott sei Dank", weil sich neue Chancen ergeben?

Wiesner: So ist es. Früher stand der Arbeitsplatz im Mittelpunkt. Die räumliche Gestaltung und Möbelanordnung, damit gut und effizient kommuniziert werden kann, war nebensächlich. Jetzt ist es umgekehrt. Der Fokus ist darauf gerichtet, dass die Kommunikation in den Unternehmen trotz viel Homeoffice und Remote-Arbeit gut funktioniert. Die Kommunikation ist ins Zentrum gerückt. Wir haben beispielsweise viele Rahmenverträge mit großen Hotelketten, wo wir uns ausschließlich auf den Meeting- und Eventbereich konzentrieren.

STANDARD: Sagen Sie den Kunden, was sie haben sollten, oder kommt von den Kunden der Wunsch?

Wiesner: Sowohl als auch. Es gibt nicht die eine Lösung, die man über alles drüberstülpen kann. Man muss die Kunden dort abholen, wo sie stehen. Speziell junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehen ihren Arbeitsplatz im Büro zunehmend als ihr Paralleluniversum zum Homeoffice, sie erwarten Veränderung.

STANDARD: Also kommt von der Belegschaft verstärkter Druck auf Arbeitgeber, sich um einen ordentlichen, atmosphärisch guten Arbeitsplatz zu kümmern?

Wiesner: Definitiv. Und viele Unternehmen haben zum Glück erkannt, was für Potenzial darin steckt. Der Fachkräftemangel zieht sich durch alle Branchen. Durch eine attraktive Arbeitsplatzgestaltung können sie sich von anderen abheben.

STANDARD: In welche Richtung entwickelt sich die Arbeitswelt?

Wiesner: Es kommt darauf an, wo man den Status quo sieht. Selbst in Europa gibt es große Unterschiede zwischen den Anteilen, die remote gearbeitet werden, beziehungsweise der Zeit, die im Homeoffice verbracht wird, und der Arbeit im Büro. In den USA ist das noch viel ausgeprägter.

STANDARD: Viele Trends gehen von dort aus, nicht nur in der Technologie.

Wiesner: In den USA gab es zum Teil 25 Prozent Leerstand bei Büroflächen, weil viele während der Pandemie von der Stadt auf das Land gezogen sind. Jetzt versucht man das wieder rückgängig zu machen und die Leute ins Büro zu holen.

STANDARD: Welche Branchen sind aufgeschlossener gegenüber neuen Arbeitsweisen?

Wiesner: Ich würde das nicht an Branchen festmachen. Je jünger ein Unternehmen ist, desto offener ist es in der Regel.

STANDARD: Ist es die Start-up-Szene?

Wiesner: Nicht alles, was jung ist, ist zwangsläufig ein Start-up. Was ich meine, ist eine junge, dynamische Einstellung und Arbeitsweise.

STANDARD: Früher hatte der Chef, die Chefin das größte Büro, den größten Schreibtisch, Bilder an der Wand. Ändert sich das auch?

Wiesner: Klar. Ich selbst habe ein kleines Büro und bin auch an meinen Präsenztagen selten am Schreibtisch, sondern mehr im Betrieb unterwegs, in Meetings oder Einzelgesprächen.

STANDARD: War es für Sie immer klar, dass Sie in das Familienunternehmen einsteigen?

Wiesner: Für mich stand das während des Studiums fest. Aber nicht sofort. Ich wollte Zeit haben, persönlich zu reifen und Erfahrungen zu sammeln.

STANDARD: Wie wichtig sind Auslandseinsätze?

Wiesner: Für mich war das keine Frage, dass ich das machen möchte. Man lernt viel dabei, auch Barrieren jeder Art zu überwinden. Das hilft einem fürs Leben.

Laura Wiesner am Schreibtisch mit verschränkten Händen. Vor ihr stehen Wassergläser. 
Es sei nicht nur der Preis der zählt, sagt Wiesner.
Heribert Corn

STANDARD: Der Möbelmarkt in Österreich ist stark konzentriert, die größten drei Mitbewerber haben zusammen an die 50 Prozent Marktanteil. Wie kann man sich da behaupten?

Wiesner: Durch besonderes Verständnis für die Anliegen der Kunden und Expertise über das reine Produkt hinaus. Wir können aber auch damit punkten, dass wir ein Familienunternehmen sind, das nicht nach Konzerninteressen agiert, sondern Loyalität gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen praktiziert. Das wird geschätzt.

STANDARD: Zählt letztlich aber nicht doch nur der Preis?

Wiesner: Es ist sehr oft der Preis, der zählt, aber nicht nur. Wir setzen verstärkt auf Qualität, Konzeption und Design. Damit stechen wir in der Wahrnehmung der Kunden heraus.

STANDARD: Werden in Zukunft weniger Büromöbel nachgefragt, weil die Büroflächen insgesamt schrumpfen?

Wiesner: Es zeichnet sich eine Verschiebung ab, die aktuell unsere Marktposition sogar stärkt.

STANDARD: Nämlich?

Wiesner: Das Interieur bekommt einen neuen Stellenwert. Früher ging es vor allem um das Gebäude. Man hat sich um namhafte Architekten bemüht, irgendwann war das Budget ausgereizt, für Raumbestückung war kaum Geld da. Das ist nun anders, weil man verstanden hat, wie wichtig das Schaffen und Gestalten von Arbeitsatmosphären ist. Das kommt uns zugute. (Günther Strobl, 17.9.2023)