Es ist eine noble Adresse in der Kärntner Straße im ersten Bezirk, an der Philipp Grünbacher logiert. Gleich gegenüber der Staatsoper, in der die 33 Musikerinnen und Musiker des Wiener Mozart Orchesters als Mozarts verkleidet dessen Werke aufführen. Auch die Tickets werden im Mozart-Kostüm verkauft. Das Geschäft floriert.

STANDARD: Sie sind 30 Jahre jung und Chef und Inhaber einiger Unternehmen, beschäftigen sich mit Immobilien, Vermietung, sind Konzertveranstalter. Wie schaffen Sie das?

Grünbacher: Die meiste Zeit fließt in mein größtes Unternehmen, die Wiener Mozart Konzerte. Aber ich habe ein eingespieltes Team und den Geschäftsführer, der mir wirklich sehr viel Arbeit abnimmt und dem ich blind vertraue. Zu mir kommen nur die wichtigsten Themen.

STANDARD: Sie sind künstlerischer Leiter des Orchesters. Es spielt im Großen und Ganzen Ausschnitte von Werken aus Mozarts Feder. Was ist das Schlimmste, das passieren kann?

Grünbacher: Wenn ich um 16 Uhr vom eingeteilten Sänger die Mitteilung bekomme: Ich habe Halsweh, ich kann nicht singen. Das war zum Glück noch nie der Fall. Ich will mir das auch gar nicht vorstellen.

Philipp Grünbacher, Chef und Miteigentümer des Wiener Mozartorchesters stützt sich am Geländer ab.
Philipp Grünbacher (30) ist nicht nur Chef des Mozart Orchesters, sondern auch Start-up-Unternehmer. Und er sei ein begnadeter Fußballspieler und Fan. Mit 18 hat er mit einem Freund den Verein Magic Junicorns gegründet, in dem er Innenverteidiger ist.
Heribert Corn

STANDARD: Ihr Vater war Klarinettist bei den Wiener Philharmonikern und hat das Unternehmen gegründet. Wie musikalisch sind Sie?

Grünbacher: Mein Vater hat vieles versucht, um mich zur Musik zu bringen. Es ist vielleicht das Einzige, woran er gescheitert ist. Meine Schwester ist dafür eine begnadete Pianistin.

STANDARD: Sie haben nicht einmal Blockflöte gespielt?

Grünbacher: Doch. Gespielt habe ich viel, Blockflöte, Klavier, Gitarre, Schlagzeug, ich habe jedes Jahr eine neue Idee gehabt. Dranbleiben war eher das Problem.

STANDARD: Ihre Eltern haben den Betrieb in Ihre Hände gelegt. Da bleiben Sie jetzt dran?

Grünbacher: Ich habe schon in den Schulferien mit meinem besten Freund bei den Konzerten Programme verkauft. Mit 16 war ich Platzeinweiser, später als Student einen Sommer lang Straßenverkäufer. Mein Weg war früh vorgezeichnet.

STANDARD: Nie andere Pläne gehabt?

Grünbacher: Durch meine Kindheit nicht. Meine Eltern haben immer sehr viel gearbeitet. Unglaublicherweise haben sie auch den Spagat geschafft, mich und meine Schwester nie zu vernachlässigen. Mein Vater hat mich schon als kleines Kind zu den Konzerten mitgenommen, und ich war hinter der Bühne bei den Künstlern. Ich war noch ganz klein, als die Musiker noch bar bezahlt wurden. Da ist jeder zu meinem Vater gekommen, und er hat ihm das Geld gegeben. Das war schon sehr faszinierend. Ich habe gleich nach der Matura Unternehmensführung studiert – auch mit dem Gedanken, dass es die Chance gibt, dass ich das einmal übernehmen darf.

STANDARD: Es ist eine spezielle Inszenierung. Die Musiker treten ebenso im Kostüm auf wie die Verkäufer. Ein schweißtreibender Job, oder?

Grünbacher: Ja. Das Mozart-Kostüm hatte ich sehr oft an. Ich war für das steinalte Programm mit fünf Jahren Model als kleiner Mozart, war jahrelang im Kostüm unterwegs. Auch als Platzzuweiser. Sehr früh, mit 19, wurde ich Billeteurchef, war bei Konzerten für 30 Platzzuweiser und für das Abreißen der Tickets zuständig. Ich habe sehr früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen, habe wirklich jeden Job, den es gibt, außer Musiker, gemacht. Mir hat es von Mal zu Mal besser gefallen, und je wichtiger die Rolle und je größer die Verantwortung, umso besser.

Philipp Grünbacher sitzt im Büro an einem Tisch.
Grünbacher hat das Ruder während der Corona-Pandemie übernommen. Krisen auf oder ab - heute läuft das Geschäft wieder wie am Schnürchen, sagt er. Seine Schwester ist Mitinhaberin des Unternehmens, sie sei eine begnadete Pianistin. Er selbst hat viele Instrumente ausprobiert und sie dann wieder an den Nagel gehängt.
Heribert Corn

STANDARD: Sie sind offenbar der geborene Boss. War für Sie als Kind Geld ein Antrieb?

Grünbacher: Meine Eltern haben das sensationell hinbekommen. Mir war extrem lang gar nicht bewusst, dass sie wirtschaftlich erfolgreich sind. Ich habe genauso viel Taschengeld bekommen wie meine Mitschüler, aber immer sehr viel dazuverdient, wenn ich verkauft habe und mir die Provision behalten konnte. Das war für damalige Verhältnisse wahnsinnig viel. Es wäre gelogen, würde ich sagen, dass das Geld kein Antrieb war. Natürlich ist Geld auch eine Motivation zu arbeiten und für Ideen, klar.

STANDARD: Ihr Vater hatte mit dem Mozart Orchester eine neue Geschäftsidee. Man serviert in der Musikstadt Wien im Goldenen Saal oder in der Staatsoper leichte Kost, bekannte Gassenhauer, die jedenfalls Touristen ansprechen. Das ist ja ein Selbstläufer.

Grünbacher: Aber man muss es einmal zum Selbstlaufen bringen. 1986 wurde das Mozart Orchester gegründet. Wenige Monate später haben sich meine Eltern kennengelernt. In der Anfangsphase ist das Geschäft noch nicht so angelaufen. Meine Eltern haben überlegt, wie man den Kartenverkauf vorantreiben könnte. Meine Mutter war dann tatsächlich die erste Mozart-Verkäuferin Wiens. Sie war die Erste auf der Straße, die Karten verkauft hat.

STANDARD: Die Geschäftstüchtigkeit liegt in der Familie?

Grünbacher: Das ist meine Mutter. Sie ist Brasilianerin und hat ihrem Vater, der ein Schuhgeschäft hatte, immer im Verkauf geholfen. Das Verkaufen ist ihr im Blut gelegen. Sie hat sich auf die Straße gestellt mit kaum Deutschkenntnissen, nur mit auswendig gelernten Sätzen, und hat gleich sehr viele Karten verkauft. Sie hat dann Programmieren studiert und für uns das Buchungssystem programmiert.

STANDARD: Die Zeiten haben sich geändert. Viele leiden derzeit unter der hohen Inflation. Sparen die Menschen und geben weniger Geld bei Ihnen aus?

Grünbacher: Nein. Wir sind heuer exzellent verkauft. Wir merken es bei den eigenen Kosten, bei Miete, Betriebskosten, Papier für Tickets. Wir haben lange überlegt, inwieweit wir die Kartenpreise erhöhen, haben aber entschieden, es wie immer zu machen: alle drei Jahre um fünf bis zehn Prozent. Die günstigste Karte haben wir gar nicht erhöht.

STANDARD: Sie wollen Touristen, die das erste Mal im Klassikkonzert sind, ebenso wie Klassikliebhaber und -kenner unterhalten. Wie gehen Sie das an?

Grünbacher: Wir haben bei jedem Konzert ein Solo. Das ist einmal ein Klarinettensolo, einmal ein Klaviersolo, ein Violinensolo. Da habe ich die Erfahrung gemacht, dass drei Sätze für viele zu lang sind. Beim dritten Satz begannen manche die Decke zu beobachten und im schlimmsten Fall ein bisschen mit dem Handy zu spielen. Wir spielen jetzt ausnahmslos nur noch zwei Sätze beim Solokonzert.

STANDARD: Damit der Abend nicht zu anstrengend wird?

Grünbacher: Genau. Wir wissen zugleich, dass wir genau mit diesem Solokonzert die Musikkenner abfangen. Darum nehmen wir in Kauf, dass sich womöglich genau bei diesem Solo der Nichtkenner im schlimmsten Fall leicht fadisiert. Aber der bekommt danach so viel Abwechslung, dass er das am Schluss schon wieder vergessen hat.

STANDARD: Wie viel Facelifting braucht so ein Produkt?

Grünbacher: Wir haben zum Beispiel seit letztem Jahr einen Stand in der Ankunftshalle beim Flughafen. Ich habe mich auch sehr stark eingebracht bei Social-Media-Werbung. Wir verkaufen direkt über diese Plattformen Tickets. Wir wollen so Touristen erreichen und Personen, die sich für klassische Musik interessieren. Das bekommt unser Algorithmus mit. Wir wollen auf keinen Fall nur als Konzertanbieter für Touristen abgestempelt werden.

Philipp Grünbacher sitzt im Büro auf einem Tisch, die Hände verschränkt.
Es sei schwer derzeit motiviertes Personal zu bekommen, er selbst habe aber ein Super-Team, sagt Grünbacher.
Heribert Corn

STANDARD: Stichwort abgestempelt. Sie sind Millionär, wie halten Sie es mit Steuern?

Grünbacher: Natürlich sind Steuern, wenn man sie zahlt, kein gutes Gefühl. Ich bin oft in Brasilien, und ich habe auch dort mitbekommen, wie das Gesundheitssystem oder die Sicherheitslage ist. Da weiß man schon als Unternehmer, wofür man in Österreich die Steuern zahlt.

STANDARD: Gar keine Klagen?

Grünbacher: Ich sehe das so: Ich zahle Steuern, dafür kann ich in Wien zu jeder Uhrzeit alleine zu Fuß gehen, und dafür kann meine Frau ohne Angst in der Nacht heimgehen. In Brasilien kann man nachts nicht 500 Meter zu Fuß gehen. Und jeder, der bei uns krank ist, braucht keine Sorge zu haben, eine Behandlung zu bekommen. Das ist es im Großen und Ganzen schon wert. In Brasilien oder in den USA sparen sich die Leute vielleicht Steuern, dafür leben sie nicht in einer so super funktionierenden Welt wie hier.

STANDARD: Viele vor allem junge Menschen sehen das offenbar nicht so. Gar nicht so wenige Vertreter Ihrer Generation wollen weniger arbeiten.

Grünbacher: Diese Entwicklung ist auch durch Corona gekommen. Ich sehe das offen gesagt schon kritisch. Wir haben ein super Team, aber es ist wirklich schwer zurzeit, gutes, motiviertes Personal zu finden. Ich höre von anderen Unternehmen, sie finden kein Personal, ihr Personal sei so faul, es sei eine Katastrophe. Das ist dann auch immer der Moment, in dem ich mich erinnere, dass ich meine Mitarbeiter vielleicht auch öfter loben sollte. (Regina Bruckner, 2.9.2023)