Die Sonne zeigt sich an diesem Vormittag noch einmal von ihrer starken Seite. Doch Martin Würflingsdobler hofft auf Schlechtwetter. Mit Schirm, Charme, aber ohne Melone hat der 38-Jährige am Besprechungstisch Platz genommen. Bereit, um einmal mehr zu erklären, dass ein Schirm weit mehr als ein Regenschutz ist.

STANDARD: Darf ich Ihnen meinen Schirm zeigen. Zehn Euro im Diskonter – erfüllt aber seinen Zweck. Würden Sie sich mit so einem Schirm in den Regen wagen?

Würflingsdobler: Den dürfen wir zuerst einmal reparieren, weil der Griff schon fast herunterfällt. So ein Modell kann man durchaus als Notschirm verwenden – aber mehr ist es sicher nicht.

STANDARD: Was macht einen guten Schirm eigentlich aus?

Martin Würflingsdobler spannt einen Schirm mit Pflanzendekor auf. 
Der Herr der Schirme entfaltet den "Nature Mini".
Werner Dedl

Würflingsdobler: Das sind viele Details, die in Summe einen optisch schönen, langlebigen Schirm ergeben. Nehmen Sie das Modell aus unserer Nature-Linie: Wir haben einen recycelten Polyesterbezug mit einer PFC-freien, wasserabweisenden Beschichtung, einen Holzgriff und ein Gestell aus einer Fiberglas-Stahl-Aluminium-Kombination. Tut mir leid, aber da kann Ihr Schirm leider nicht mithalten.

STANDARD: Aber was ist Ihnen persönlich wichtig bei einem Schirm?

Würflingsdobler: Es ist die Mischung aus Qualität und Eleganz. Dieses Verhältnis muss immer stimmen. Der Schirm ist ein treuer Begleiter. Oft ein Leben lang.

STANDARD: Was gut für den Träger, aber schlecht fürs Geschäft ist, oder?

Würflingsdobler: Wir übernehmen ja auch etwaige Reparaturen. Ein Manufakturschirm ist meist ein Liebhaberstück.

STANDARD: Mit welchen Wünschen kommen die Kunden zu Ihnen?

Würflingsdobler: Möglich ist fast alles. Für viele Damen etwa muss der Schirm zum Outfit passen – zum Beispiel in Kombination mit einer Tracht. Und die Kunden können auch online einen eigenen Schirm konfigurieren.

STANDARD: Als Europas größter Schirmhersteller brauchen Sie entweder Sonne, oder es sollte schütten. Wie oft schauen Sie eigentlich auf die Wettervorhersage?

Würflingsdobler: Wir haben Sonnen- und Regenschirme sowie Gartenmöbel und Sitzauflagen. Wir sind daher relativ wetterunabhängig. Wobei die Gartenmöbel, Sonnenschirme und Sitzauflagen mittlerweile gut zwei Drittel vom Umsatz ausmachen. Aber natürlich muss zur richtigen Zeit die Sonne scheinen, und es muss zum passenden Zeitpunkt regnen. Es nutzt nichts, wenn es im Frühling und Sommer viel regnet. Da sollen die Leute Sonnenschirme kaufen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Ich beschäftige mich intensiv mit der Großwetterlage. Nach dem heißen Sommer hoffen wir jetzt auf einen regenreichen Herbst.

Verschiedene Schirme mit geschwungenen Griffen ragen aus einem hölzernem Regal.
Martin Würflingsdobler setzt auf Funktionalität wie Nachhaltigkeit. Verwendet werden nachwachsende Rohstoffe und recycelte Materialien.
Werner Dedl

STANDARD: Mit diesem Wunsch stehen Sie ziemlich allein da ...

Würflingsdobler: Ja, ziemlich sicher.

STANDARD: Haben Sie eigentlich für jede Situation den passenden Schirm?

Würflingsdobler: Ja, da bin ich perfekt ausgerüstet. Ich habe einen traditionellen Manufakturschirm für besondere Anlässe, einen Autoschirm im Kofferraum, einen leichten und kompakten Reiseschirm.

STANDARD: Gibt es gar einen Lieblingsschirm?

Würflingsdobler: Der im Auto. Es ist ein großer, leichter Familienschirm.

STANDARD: Wie viel ist bei der Schirmherstellung eigentlich noch Handarbeit?

Würflingsdobler: Ein sehr großer Teil ist noch Handarbeit. Ein Manufakturschirm besteht aus 70 Arbeitsschritten und 30 Teilen. Mit 2.000 Nadelstichen wird alles zusammengefügt.

STANDARD: Aber für viele ist ein Schirm ein billiges Wegwerfprodukt. Andere europäische Schirmhersteller haben längst geschlossen oder sind nach Asien abgewandert. Doppler besteht in vierter Generation seit 1946 – wie wappnen Sie sich gegen wirtschaftliche Schlechtwetterzonen?

Martin Würflingsdobler mit einem Schirmstock in der Hand.
Liebe zum Detail nennt Würflingsdobler als eine Zutat fürs Überleben.
Werner Dedl

Würflingsdobler: Wir haben die Liebe zum Detail nie verloren. Und stecken einfach unglaublich viel Herzblut in Qualität und Design.

STANDARD: Es gibt aber kaum mehr Schirmfachgeschäfte. Wer sind neben den exklusiven Privatkunden eigentlich letztlich die Hauptabnehmer Ihrer Produkte?

Würflingsdobler: Was uns in den letzten Jahrzehnten stark gemacht hat, ist, dass wir so vielfältig unterwegs sind. Einerseits in den Produktgruppen, aber auch bei unseren Vertriebskanälen. Etwa im Regenschirmbereich über Lederwarenhändler, Kaufhäuser. Im Gartenbereich über Bau- und Möbelhäuser. Und dann gibt es noch den Bereich, der weniger sichtbar ist. Für Škoda, BMW produzieren wir Schirme. Auch in den beheizten Köchern in jedem Rolls-Royce steckt ein Doppler-Schirm. Und in der Werbemittelbranche sind wir stark vertreten.

STANDARD: Was ist der teuerste Schirm, der bei Ihnen gefertigt wird?

Würflingsdobler: Aktuell ist das ein Modell mit Silbergriff, der Diplomat-Orion-Löwenkopf aus echtem Silber als Griff. Der liegt so bei 3.400 Euro.

STANDARD: Das wäre eine Katastrophe für mich. Ich komme an einem Regentag fast immer ohne Schirm heim, weil ich das gute Stück irgendwo stehen gelassen habe.

Würflingsdobler: Da gibt es Möglichkeiten. Es bietet sich der Taschenschirm im wasseraufsaugenden Etui an. Wir haben spezielle Hüllen entworfen, in die man auch den nassen Schirm stecken kann. Und eben nicht zum Trocknen irgendwo hinstellt. Oder Sie kaufen sich gleich einen teuren Schirm, an den sie eben auch vermehrt denken.

STANDARD: Sie sind 2022 in die Geschäftsführung neben Ihrem Vater eingestiegen. War in Ihrem Leben immer klar, dass Sie einmal beruflich den Schirm aufspannen werden?

Würflingsdobler: Für mich und meine Schwester war die Firma natürlich immer präsent. Daheim am Mittagstisch – mit dem Opa, den Eltern. Nach der Matura war es aber nicht klar, dass ich in die Firma einsteige. Meine Eltern haben da auch keinen Druck gemacht. Ich habe an FH Steyr Wirtschaft mit Schwerpunkt Logistik studiert und habe dann in der Automobilindustrie gearbeitet. Ich bin dann erst mit meinem 30. Geburtstag ins Unternehmen eingestiegen. Es hat seine Zeit gebraucht, dass dieser Schritt in mir gereift ist. Heute sind wir vier Gesellschafter – meine Eltern, meine Schwester und ich.

STANDARD: Last oder Lust – was überwiegt in der engen Zusammenarbeit mit der eigenen Familie?

Martin Würflingsdobler mit einer Rolle Stoff in der Hand.
Würflingsdobler beschäftigt sich "intensiv mit der Großwetterlage. Nach dem heißen Sommer hoffen wir jetzt auf einen regenreichen Herbst."
Werner Dedl

Würflingsdobler: Bei uns funktioniert das wunderbar. Wir haben ein Format gefunden: unser Freitagstreffen. Da setzen wir uns zu viert zwei Stunden zusammen und reden über aktuelle Themen.

STANDARD: Auf politischer Ebene wird aktuell wieder einmal heftig über Vermögens- und Erbschaftssteuern diskutiert. Unternehmer drohen diesbezüglich mit Abwanderung. Können Sie das nachvollziehen?

Würflingsdobler: Die Diskussion ist zum jetzigen Zeitpunkt extrem schwierig. Wir erleben wirtschaftlich herausfordernde Zeiten mit einer starken Kaufzurückhaltung. Da ist für Unternehmen nur schwer zu verkraften, über neue Steuern zu reden. Dazu kommt ja, dass die Inflation im internationalen Wettbewerb in Österreich überdurchschnittlich hoch ist. Da haben wir ja ohnehin schon einen gravierenden Nachteil gegenüber Konkurrenten aus dem Ausland. Und wir haben eine Exportquote von 80 Prozent – wir müssen uns da messen etwa mit der Schweiz, die zwischen ein und zwei Prozent Inflation hat. Was ist die Millionärssteuer überhaupt? Wer soll die bitte letztlich zahlen?

STANDARD: Sie, als Schirmmillionär.

Würflingsdobler: Gemäß ersten Entwürfen soll der gesamte Firmenwert bei der Berechnung einer sogenannten Millionärssteuer herangezogen werden. Dieses Vermögen ist aber nicht für mich persönlich verfügbar, mit dem Geld arbeitet das Unternehmen und sichert somit Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich. Wir sind sparsame Gesellschafter. Meine nächsten großen Investitionen sind die Zahnspangen für die Kinder und der Sommerurlaub. Ich müsste es aus der Firma herausnehmen. Da zahle ich aber schon Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer. Und dann noch eine Millionärssteuer? Verstehe ich nicht. (Markus Rohrhofer, 24.9.2023)