Das Bild zeigt die Nutzerbewertungen eines Produkts auf Amazon
KI-generierte Zusammenfassungen waren bei Amazon einige Monate lang in der Testphase und sind seit letztem Sommer für begrenzte Nutzergruppen in den USA verfügbar. Mit gemischtem Erfolg.
AP/Jenny Kane

Onlineshopping ist aus dem Alltag vieler Leute nicht mehr wegzudenken. Ob man dabei an Amazon Gefallen findet oder nicht: Der Versandriese hat einen großen Beitrag dazu geleistet – und tut es noch. Doch trotz ihrer Beliebtheit und angeblichen Benutzerfreundlichkeit stößt die Plattform auf ein zunehmend häufiges Problem: Kunden fühlen sich von der überwältigenden Auswahl in Kombination mit willkürlichen Suchergebnissen genervt. Verschärft wird dieser Umstand noch durch eine Flut an Produktbewertungen. Käufer, die sich schon einmal in den unendlichen Weiten von Produktlisten chinesischer Schrottartikel und deren "Rezensionen" verlieren können, vermissen Orientierung und Vertrauenswürdigkeit.

Tausende Rezensionen, ein Fazit

Aus diesem Grund hat Amazon eine neue Funktion eingeführt, die generative künstliche Intelligenz (KI) nutzt, um wenigstens die Kundenrezensionen der Produkte auf seiner Plattform zu vereinfachen. Diese KI-generierten Zusammenfassungen sollen hunderte oder tausende Bewertungen zu einem kurzen Absatz komprimieren. Sie sind also als eine Art TLDR (Abkürzung für das englische "Too long didn't read") zu verstehen, die die allgemeine Meinung der Kunden zu den Vor- und Nachteilen eines Produkts wiedergeben.

Diese Funktion befand sich einige Monate lang in der Testphase und ist seit letztem Sommer für begrenzte Nutzergruppen in den USA auf der mobilen App von Amazon verfügbar. Amazon betont, dass die Zusammenfassungen nur aus verifizierten Käufen generiert werden, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen und das Manipulationspotenzial möglichst gering zu halten. Sie befinden sich am Anfang des Rezensionsbereichs in der mobilen App unter der Überschrift "Customers say" und enden mit einem Hinweis auf ihren KI-Ursprung.

Holpriger Start

Nun mag die Funktion theoretisch nützlich sein – insbesondere bei Produkten, die man vielleicht braucht, mit denen man sich vor dem Kauf aber nicht allzu lange auseinandersetzen mag. Dennoch besteht die Herausforderung darin, erst einmal das Vertrauen der Kundinnen und Kunden in diese Zusammenfassungen zu stärken. Es ist ja offensichtlich, dass eine verkaufsfördernde Maßnahme dahintersteckt, und die langjährige Erfahrung lehrt, dass Amazon tendenziell eher am Verkauf seiner Produkte interessiert ist als an der fundierten Beratung seiner Kunden.

Die Zusammenfassungen, die für eine breite Auswahl an Produkten wie Fernseher, Kopfhörer, Tablets und Fitnesstracker verfügbar sind, zeigen in der Praxis aber immer noch klare Defizite. Wie Mashable berichtet, verdeutlichen die falsche Identifizierung eines Produkts oder die Verwechslung von Produktbezeichnungen, dass KI-Tools wie dieses Schwierigkeiten haben, den Kontext korrekt zu erfassen und relevante Informationen präzise wiederzugeben.

Auch Bloomberg zeigt eindeutige Probleme bei den Resultaten der KI auf. Demnach würden die Zusammenfassungen in einigen Fällen eine willkürliche Beschreibung des Produkts liefern, in anderen würden sie sogar negatives Feedback übertreiben, das in dieser Form gar nicht wiederzufinden sei.

Stichprobenartige Tests zeigten etwa, dass die Benutzerfreundlichkeit eines Brettspiels kritisiert wurde, obwohl nur vier von 500 Rezensionen überhaupt darauf eingingen. In einem anderen Fall wurde der Geruch von Tennisbällen negativ hervorgehoben, obwohl diese Meinung gerade einmal in sieben von mehr als 4.300 Rezensionen vorgekommen sei. Das KI-Tool zeigte bei der Analyse von Kundenkommentaren zu anderen Produkten ähnliche Ungereimtheiten. Wenig hilfreich jedenfalls, würde man sich darauf verlassen wollen.

Grundsätzliche Zweifel

Diese Entwicklung ist Teil eines größeren Trends für den Onlinehandel, in dem generative KI-Technologien zunehmend für die Zusammenfassung von Kundenbewertungen eingesetzt werden. Ähnliche Funktionen wurden bereits von Microsoft in seinem Store integriert oder vom US-amerikanischen Hardwarehändler Newegg für seine Verkaufsplattform eingeführt. Dieses Feature stellt einen offensichtlichen und vermeintlich leicht umsetzbaren Anwendungsbereich für generative KI dar – wirft gleichzeitig aber die Frage auf, ob Nutzer diesen automatisierten Zusammenfassungen, die von verkaufsorientierten Plattformen bereitgestellt werden, überhaupt Glauben schenken sollen.

In Österreich stehen Kundinnen und Kunden noch nicht vor der Entscheidung, ob sie solchen Zusammenfassungen trauen sollen oder nicht. Die Verfügbarkeit ist vorerst auf den US-Markt beschränkt, Pläne für ein Rollout auf dem deutschen Markt wurden noch keine bekanntgegeben. Unabhängig davon, wie gut die dahinterstehende Technologie funktionieren mag oder nicht: Sollte es sich um eine wichtigere Kaufentscheidung handeln, ist immer noch die Option zu bevorzugen, ein bisschen Zeit zu investieren und sich selbst schlau zu machen. Für einen fundierten Überblick natürlich auch und insbesondere fernab von Amazon. (bbr, 29.1.2024)