Paketsendungen im Paketshop Sub Rosa in Wien
Dominik und Thomas sind "die netten Nachbarn von nebenan", die beim Pakete-Übergeben nicht nach dem Ausweis fragen.
Regine Hendrich

Dominik und Thomas wissen über ihre Kundinnen und Kunden gar nichts. Nicht einmal, wie viele sie genau verzeichnen können. Sie holen bei ihnen ihre Pakete ab, wie in jedem anderem Paketshop. Es geht aber vergleichsweise schneller, denn die Empfänger müssen keinen Ausweis vorzeigen und auch keine Abholbescheinigung mitbringen. Lediglich ihr Pseudonym müssen sie nennen, dann bekommen sie ihre Bestellung in die Hände. Und dann sind Frau oder Herr Unbekannt wieder fort.

In der Blumauergasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk ragt ein großes schwarzes Schild über einem ehemaligen Klaviergeschäft: "Sub Rosa – Pakete anonym empfangen". An einem Freitagvormittag begrüßen zwei von drei Gründern, Dominik und Thomas, den STANDARD in ihrem minimalistischen Laden. Wie ihre Kundinnen und Kunden wollen auch sie unerkannt bleiben und ihre Nachnamen nicht in der Zeitung lesen. Entspannt sitzen sie bei Kaffee und Kipferl in ihrem Backoffice auf einem abgenutzten, grauen Sofa, daneben eine Kaffeemaschine und ein Servierwagen. Von der Decke ragt ein dezenter, aber edler Luster, die Tapete ist im Vintage-Blumenstil gehalten. Der Raum wirkt wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, als noch keine Datenkraken im Internet wüteten.

Hier warten sie, bis Menschen ihre Bestellungen abholen oder die Zustellerinnen und Zusteller die Pakete bringen. Der Eingangsbereich ist lässig und jugendlich gehalten, aber nicht zu auffällig: eine kleine Theke voller Sticker, im Hintergrund lehnt ein Rennrad, ein Skateboard und eine große Topfpflanze runden die Deko ab. Trotz des unscheinbaren Auftretens haben die Betreiber damit eine Marktlücke für sich entdeckt, österreichweit sind sie der einzige Shop dieser Art. Hier kann jeder Sendungen völlig anonym empfangen.

Bezahlen mit Bitcoin

Auf der Internetseite der Firma – ohne Cookies, wohlgemerkt – können sich Kundinnen um 14,99 Euro einen falschen Namen kaufen, der vom Zufallsgenerator erstellt wird. Auf diesen und an die Adresse von Sub Rosa bestellen sie dann ihr Paket. Bezahlt werden kann mit dem Onlinebezahldienst Paypal, in bar vor Ort oder mit den Kryptowährungen Bitcoin oder Monero. Ein Pseudonym gilt nur für eine Sendung. Wer den Dienst öfter nutzen will, kann auch 99 Euro für zehn Pseudonyme bezahlen.

Die Käuferinnen und Käufer erhalten mit dem Kauf einen QR-Code, mit dem sie zusammen mit dem Pseudonym ihre Sendung abholen können, sobald diese eintrifft. Wer mit den Betreiberinnen und Betreibern kommunizieren will, kann dies über E-Mail oder die verschlüsselten Messenger-Dienste Signal, Telegram, Session und Threema tun.

Aber warum braucht es so einen Shop überhaupt? "Die Idee ist aus einer Diskussion entstanden, ob es überhaupt legal ist, Pakete anonym zu empfangen", sagt Dominik. "Wir dachten, wenn ja, dann hätte die Idee schon längst jemand gehabt." Finden konnten die drei Freunde ein solches Konzept aber nirgends. "Heute geht fast alles anonym: Bezahlen, Kommunizieren, Surfen. Pakete empfangen und dabei unerkannt zu bleiben ging noch nicht", sagt der Shopbetreiber.

Datenschutz im Vordergrund

Nur Co-Gründerin und Juristin Tina Urschinger tritt mit Klarnamen auf. Sie prüfte die Idee und fand heraus: Ihre Pläne sind rundum rechtskonform. Privatsphäre beim Annehmen von Sendungen sei nicht illegal, nur den falschen Absender anzugeben sei nicht erlaubt. Von der Haftung würden sie sich jedenfalls rausnehmen – der Zustand, in dem das Paket ankommt, ist der, in dem sie es annehmen.

Sub-Rosa-Gründer vor ihrem Shop in Wien
Die beiden Betreiber wollen wie ihre Kundinnen und Kunden lieber unerkannt bleiben.
Regine Hendrich

"Wir sind quasi der nette Nachbar, der das Paket für einen annimmt", fügt Dominik noch hinzu. Ihr Shop hat 35 Stunden die Woche offen, die drei Freunde wechseln sich mit ihren Arbeitszeiten ab. Thomas ist schon lange als Kellner in der Gastronomie tätig. Auch Dominik hat zuvor im Gastgewerbe gearbeitet, war als Gesundheitswissenschafter im Ausland und konzentriert sich nun gänzlich auf den Laden. Tina Urschinger arbeitet zusätzlich zum Paketgeschäft weiterhin als Juristin.

"Wir gehören definitiv zu den Leuten, denen Datenschutz überdurchschnittlich wichtig ist", erklärt Co-Gründer Thomas. Sie würden alle darauf achten, im Alltag so wenige persönliche Daten verwenden zu müssen wie möglich. Dazu gehöre, im Internet ein virtuelles Netzwerk einzuschalten, das die Rückverfolgbarkeit verhindert, auf Social-Media-Plattformen wie Facebook und Messenger-Dienste wie Whatsapp zu verzichten und statt der Suchmaschine Google Alternativen wie Duck Duck Go zu verwenden.

Auch Verbotenes dabei

Aber nun zur Frage, die wohl allen unter den Nägeln brennt: Ist hier nicht der Weg frei für illegale Fracht? Nein, beteuern die Betreiber, sie würden sich an alle gesetzlichen Bestimmungen halten. Wird ein Paket vom Zoll beanstandet und werden zum Beispiel illegale Substanzen gefunden, bittet die Polizei um Herausgabe der Daten. Dabei würden sie selbstverständlich kooperieren, sagt Dominik. Aber es gibt einen Clou: In ihren Systemen verzeichnen sie lediglich eine Rechnungsnummer, E-Mail-Adressen und Bezahlmethoden, und auch diese werden regelmäßig wieder gelöscht.

Dass illegale Waren an ihren Shop gesendet werden, sei selten, sagen die Betreiber. Vielleicht einmal im Monat gebe es solche Vorfälle. Da waren einmal die knapp 20 Gramm Cannabis, aber auch mal die vier Gramm Kokain, wegen denen die Polizei Nachfragen stellte. Auf dem Kieker haben die Behörden den Shop deshalb nicht, sagt Dominik. "Gerade erst zu Weihnachten kam eine E-Mail von einer Polizeibehörde mit 'Frohe Weihnachten' an Tina Urschinger."

Ein Fall schaffte es 2022 aber sogar in die Medien. Ein Spürhund des Zolls erschnüffelte in einem Wiener Postverteilerzentrum Kokain. Versteckt war es in einem Kinderspielfahrzeug in Form einer Biene. Die Adresse auf dem Paket: Sub Rosa in der Blumauergasse. Empfänger: nur ein Pseudonym.

Von Geld bis Vaterschaftstest

Die meisten Pakete kämen jedenfalls von den üblichen Handelskonzernen wie Amazon, Zalando, aber auch von Motorradshops oder dem Versandhaus Weltbild. Viele würden einfach ihre Daten nicht gerne bei diesen Firmen im Profil angeben wollen. Wenn die Sendung nach 30 Tagen nicht abgeholt wird, werde sie aber entsorgt, erklärt Dominik. Dabei ist den Betreibern schon einiges Kurioses untergekommen.

Kleidung, Elektronik, aber auch sehr Intimes wie Sexspielzeug. Außerdem SIM-Karten, Datenträger, Reizwäsche, Trainingsjacken aus Spanien, Briefmarken, aber auch Geld aus Indien, Vietnam und Geldscheine aus dem Iran und sogar Nordkorea. Einmal blieb auch ein Ergebnis eines Vaterschaftstests liegen.

Iranischer und nordkoreanischer Geldschein
Unter den übergebliebenen Sendungen befanden sich Geldscheine aus dem Iran und aus Nordkorea.
Sub Rosa, zVg

Für manche sei ihre Firma auch einfach praktisch, sagt Dominik: Ein deutscher Expat ließ sich zwei riesige Kartons liefern, die all seine Kleidung beinhalteten. Er hatte noch keine Wohnung und somit keine Möglichkeit, sich etwas liefern zu lassen. Die anfänglichen Zweifel, ob ihr Angebot überhaupt angenommen werde, sind jedenfalls verflogen. Heute kommen durchschnittlich 350 Pakete im Monat an, also etwa 30 pro Tag. Die Kundinnen und Kunden seien in jedem Alter, meist zwischen 25 und 40 Jahren. Aber auch ein alter Herr mit weißen Haaren und Stock habe schon ein Pseudonym gekauft, erzählt Dominik.

Der Plan ist, sagt Thomas, zu expandieren und mehr Filialen zu eröffnen. In Judenburg in der Steiermark steht schon die zweite. Derzeit reinvestieren die Gründer die Einnahmen in die Zukunftspläne, aber auch in Werbemittel, gerade läuft beispielsweise eine Youtube-Kampagne. Während des Besuchs kommt an diesem Vormittag nur ein junges Pärchen vorbei. Die beiden holen einen kleinen weißen Luftpolsterumschlag ab. Innerhalb einer Minute sind sie auch schon wieder weg – ohne Datenspur, dafür mit geheimer Sendung. (Melanie Raidl, 12.2.2024)