Update versäumt: Windows für Workgroups 3.11 kam 1993 auf den Markt
Screenshot Internet Archive

Sich über die Deutsche Bahn lustig zu machen ist in Österreich dank des aktuellen Zustands der ÖBB ein wenig aus der Mode gekommen. Die DB hat es aber nun einmal mehr in die internationalen Schlagzeilen geschafft. In einer Stellenausschreibung wurde ein Administrator für Windows 3.11 für Workgroups gesucht – ein Betriebssystem, das vor ziemlich genau 30 Jahren veröffentlicht wurde.

"Pflege des Altsystems"

Nicht nur deshalb wirkte die Stellenausschreibung ein wenig aus der Zeit gefallen. Auch Kenntnisse im Umgang mit MS-DOS möge die geneigte IT-Fachkraft bitte mitbringen, ein Umstand, der mit "Kenntnissen zu Legacy-Betriebssystemen" umschrieben wird. Und nein, die Anzeige erschien nicht als Retro-Scherz, sondern landete auf mehreren seriösen Jobportalen und war völlig ernst gemeint. Hauptaufgaben des Admins: Treiber aktualisieren und "Pflege des Altsystems", wobei Letzteres tatsächlich wörtlich zu verstehen sein dürfte. Immerhin: Die Stelle ist remote ausgeschrieben. Auch das ist kein Wunder, ist schließlich explizit von Windows 3.11 for Workspaces die Rede, dem ersten Betriebssystem von Microsoft mit TCP-IP-Unterstützung. Microsoft brachte dieses netzwerkfreundliche Betriebssystem 1993 auf den Mark, der Support wurde im Jahr 2001, also vor 23 Jahren, eingestellt.

Der Hintergrund wird schnell klar, wenn man weiterliest. "Sibas-Grundkenntnisse" seien nämlich von Vorteil, hieß es da. Dabei handelt es sich um "Siemens Bahn Automatisierungs System“, ein "Automatisierungssystem für praktisch alle Steuerungsaufgaben im Bahnumfeld", das Siemens Mitte der 1980er-Jahre entwickelte, wie die "Frankfurter Rundschau" berichtet. Die aktuelle Variante von Sibas 32 kommt demnach in den ICES der Deutschen Bahn, der Münchner U-Bahn und dem japanischen Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen zum Einsatz. Sibas dürfte, geht man nach den Bildern im Handbuch, tatsächlich noch unter Windows 3.11 laufen.

Anzeige war "unglücklich formuliert"

Mittlerweile wurde die Anzeige wieder entfernt. Sie sei "etwas unglücklich formuliert" gewesen, teilte die Deutsche Bahn gegenüber Heise mit. Zudem dürfte beim Ausformulieren eine KI zum Einsatz gekommen sein. "Das Ergebnis Ihrer Arbeit ist eine hochwertige Display-Software, deren Schnittstellen zur Fahrzeugsteuerung bzw. Fahrzeugleittechnik reibungslos funktionieren", heißt es da. Das Anzeigesystem in den Führerständen von Hochgeschwindigkeits- und Regionalzügen zeige dem Fahrer die wichtigsten technischen Daten in Echtzeit an, erklärte das Unternehmen weiter.

Züge und Flugzeuge funktionieren dank alter Technik

Einem Gespräch im Hacker-News-Forum zufolge wird das oben erwähnte Altsystem derzeit in den deutschen Zügen ICE 1 und ICE 2 eingesetzt. Derartige Systeme sind darauf ausgelegt, dass sie jahrzehntelang laufen, so könnte Windows 3.11 noch bis weit nach 2030 eingesetzt werden. Ein weiteres Schmankerl tauchte in dem Forum auf: Natürlich ist es gar nicht so einfach, ein derart altes Betriebssystem auf einem neuen Rechner zu installieren. Deshalb läuft das Bahnsystem angeblich auf einem Rechner aus dem Jahr 1996 mit einem 166-MHz-Prozessor und 8 MB RAM.

Die Deutsche Bahn ist freilich nicht das einzige Unternehmen, das noch Uralt-Hard- und Software einsetzt. So sind Airlines bis heute die größten Abnehmer von Floppy-Disketten. Japans Regierung hat in der Verwaltung erst vor kurzem auf Diskettenentzug gesetzt. Wer jetzt selbst Lust auf einen Retro-Flashback bekommen hat, kann Windows 3.11 auch im Browser ausprobieren. (pez, 30.1.2024)