KI am Arbeitsplatz
Künstliche Intelligenz wird künftig alle Arbeitsbereiche durchdringen.
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Mit künstlicher Intelligenz (KI) zieht eine Technologie in die Arbeitswelt ein, die sämtliche Arbeitsbereiche verändern kann – von der Produktion bis zur Forstwirtschaft, vom Callcenter bis zur Anwaltskanzlei. Vergleichbar ist ihr disruptiver Charakter wohl nur mit der Digitalisierung selbst. Wie immer verändert sich mit der technischen Transformation auch die Arbeitsweise der Menschen. Das reicht von der nützlichen App, die einen Arbeitsschritt erleichtert, bis zu automatisierten Entscheidungen, die bestehende Arbeitsplätze obsolet machen.

Was auf Österreichs Beschäftigte durch den breiten Einsatz von KI-Technologien zukommt, haben sich Forschende des Interdisziplinären Forschungszentrums für Technik, Arbeit und Kultur (IFZ) und das FFG-geförderte Comet-Zentrum Pro2Future angesehen. Das resultierende Handbuch "Verantwortungsvolle Einbindung von KI-Assistenzsystemen am Arbeitsplatz" hat eine besondere Zielgruppe: Es ist nicht, wie viele andere Untersuchungen, für die Managementebene geschrieben, sondern für die Arbeitnehmenden sowie ihre betriebsrätlichen Vertretungen. Gefördert wurde die Untersuchung von der Arbeiterkammer Wien.

Bessere Luft am Arbeitsplatz

Beim Einsatz von KI-Tools denkt man vielleicht an neue Software am Computer. Doch das würde viel zu kurz greifen, sagt Anita Thaler von IFZ, eine Autorin des Handbuchs. "Der Fokus auf computerbasierte Arbeit schließt viele weitere Anwendungen aus. Jobs in der Produktion, im Dienstleistungssektor, in der Pflege sind genauso betroffen. Bedenken, wie die KI diese Arbeitsplätze verändern wird, wurden bisher allerdings nicht ausreichend berücksichtigt." Mit an Bord bei der Erstellung des Leitfadens war deshalb auch die Produktionsgewerkschaft, die Arbeitnehmende in Industriebetrieben vertritt.

Auf der einen Seite birgt künstliche Intelligenz enormes Potenzial für eine effizientere, ökologischere und auch sicherere Herstellung. "Wir arbeiten an einem Projekt, in dem die Luftqualität an Arbeitsplätzen in der Verarbeitung von Kunststoffpolymeren verbessert werden soll", gibt Michael Haslgrübler von Pro2Future ein Beispiel für den Einsatz in der Arbeitssicherheit. "Die KI durchforstet dabei Sensordaten auf Muster, die Rückschlüsse auf die Ursachen der Verschmutzung geben."

KI am Arbeitsplatz
Das Potenzial von KI ist enorm, die Angst vor Missbrauch ebenfalls.
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Dass allerdings nicht alle Ideen rund um KI am Arbeitsplatz sinnvoll sind, veranschaulicht Thaler anhand eines "Datenpflasters" zur Messung von Herzströmen. Überlegt wurde, ob sich die Entwicklung zum Stressmonitoring bei Mitarbeitenden eigne. "Die Intention war gut", sagt die Technikfolgenforscherin. "Doch die Erhebung derart sensibler Daten hat enorme Konsequenzen. Wie verwaltet man die Daten? Wer hat Einblick?" Wenig überraschend scheiterte der Einsatz an Datenschutzbedenken.

Angst vor Überwachung

Hört man sich bei Beschäftigten in der Produktion bezüglich der Verwendung von künstlicher Intelligenz um, herrscht tatsächlich große Skepsis. Man hat vor allem Angst vor Überwachung. "Nachdem viele Menschen so viele ihrer Daten freiwillig auf Social Media preisgeben, klingt diese Angst widersprüchlich", sagt Thaler. "Die Gewerkschaft verweist aber auf einen wichtigen Punkt: Die Datenweitergabe auf Social Media ist freiwillig, in der Arbeit ist man dagegen einem Machtverhältnis unterworfen." Die neu gewonnenen Daten können auch für einen Machtzugewinn der Arbeitgeber verwendet werden. Für die Arbeitnehmervertreter geht es darum, in diesem Sinne berechtigte Bedenken von überzogenen Ängsten zu unterscheiden und sicherzustellen, dass ihre Stimmen gehört werden.

Mittlerweile gibt es zumindest diverse Initiativen im Bereich verantwortungsvoller KI, die Diskriminierungen, Manipulationen oder andere negative Auswirkungen verhindern sollen. Nicht zuletzt trägt in Europa der sogenannte AI Act – im EU-Parlament hat man sich auf das weltweit erste Gesetz in diesem Bereich verständigt – zur Wahrung von Mindeststandards bei. "Auch wenn das Gesetz kein Allheilmittel ist, verbietet es doch eine Reihe von schädlichen Anwendungsfällen", sagt Haslgrübler.

Beschäftigte ins Boot nehmen

Thaler sieht durchaus jetzt schon Regulierungen im Arbeitsrecht, die Unternehmen animieren, die Belegschaft bei der Einführung von KI-Tools einzubeziehen. "Das ist allerdings längst noch nicht gängige Praxis. Da gibt es noch viel Spielraum", sagt die Forscherin. Dabei würden auch aus wirtschaftlicher Sicht große Vorteile entstehen, weil auf diese Art Praxiserfahrung einfließt und eine tatsächliche Nutzung der Anwendung wahrscheinlicher wird. Denn an den Mitarbeitenden "vorbeientwickelte" Systeme können gravierende Folgen haben. "Es gibt Fälle, wo die Mitarbeitende Daten gefälscht haben, um Widerstand gegen eine Überwachung zu leisten", veranschaulicht Thaler.

Doch auch das Wie der Einbindung ist relevant. Im besten Fall ist aus jeder Nutzergruppe ein Anwender oder eine Anwenderin dabei. "Der größte Fehler ist, dass man nur mit den Chefs redet, die zwar abstraktes Wissen haben, die echten Arbeitsabläufe aber nicht genau kennen", sagt Thaler. "Man sollte gerade jene befragen, die nicht so leicht einzubinden sind – etwa Mitarbeitende, die nicht gut Deutsch können oder die nicht technologieaffin sind."

Die Handbuch-Verantwortlichen haben ebenfalls darauf Wert gelegt, niemanden auszuschließen. "Es ging in unserem Handbuch darum, die Komplexität der Technologie auf die Lebensrealität der Arbeitnehmer herunterzureichen", resümiert Haslgrübler von Pro2Future. "Das Buch ist auf einem Level, bei dem jeder in das Thema einsteigen kann." (Alois Pumhösel, 2.2.2024)