Wie viel menschliches Handwerk vom Lektorat bis zur Übersetzung wird künftig noch in Büchern stecken? Diese Frage beschäftigt auch deutschsprachige Verlage.
Wie viel menschliches Handwerk vom Lektorat bis zur Übersetzung wird künftig noch in Büchern stecken? Diese Frage beschäftigt auch deutschsprachige Verlage.
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"Mir ist gerade ein Deal geplatzt, weil der Verlag nicht bereit war, eine Regelung bezüglich KI in den Vertrag aufzunehmen.“ Oder: "Ich kenne Agenten, die bestimmten Verlagen keine Manuskripte mehr anbieten, bis sie zustimmen, dass sie das Manuskript nicht in eine KI einspielen." Waren es vorigen Sommer die Klagen von Autoren gegen Konzerne, die ihre künstlichen Intelligenzen wie ChatGPT illegal mit urheberrechtlich geschütztem Material trainieren, häufen sich seit Jahresende solche Postings von Verlagsangestellten und Insidern der US-Buchbranche in einschlägigen Foren wie dem In­stagram-Kanal xoxopublishinggg. Denn seit damals halten zunehmend Vereinbarungen Einzug in Verträge zwischen Verlagen und Autoren, die klären sollen, wer KI im Entstehungsprozess eines Buches zu welchem Zweck nutzen darf.

Das Thema ist heikel für beide Seiten: Für Autoren geht es darum, ob in Verlagen künftig KI das Lektorat oder die Übersetzung übernehmen und ein Cover entwerfen darf. Für Verlage geht es indes ums Urheberrecht, das Autoren ihnen vertraglich übergeben – ein vom Autor ganz mit KI generierter Text wäre aktuell aber urheberrechtlich nicht schützbar.

Internationaler Anstoß

In Europa hat man zu dem Thema bisher trotzdem wenig vernommen. Wie fit sind deutschsprachige Verlage in puncto KI?

Ein Rundruf bei drei wichtigen Playern der Branche vermittelt den Eindruck skeptischer Annäherung: Selbst schreibe man keine solchen Regelungen in Autorenverträge, erklärt man beim Verlag S. Fischer. KI-Klauseln stünden aber in internationalen Verträgen, die man unterzeichne, wenn sie vom Vertragspartner hineingeschrieben würden. Da wirke der US-Markt auf den deutschsprachigen ein.

Das bemerkt auch der Piper-Verlag, wo man sich sogar mit den hiesigen Autorinnen und Autoren schon um KI-Regeln bemüht. Aus Urheberrechtsgründen dürften sie KI im Schreibprozess demnach nur "unterstützend" – also zu Recherchezwecken oder für einzelne Formulierungen – nutzen. Nur wenige Autoren gäben aber an, das zu tun, sagt Christian Schniedermann, kaufmännischer Geschäftsführer bei Piper. Nachsatz: "Die Praxis hinkt unseren Verträgen noch hinterher."

KI-ne Angst, aber Skepsis

Die Verträge sind ihrer Zeit also gewissermaßen voraus. Denn es ist nicht so, dass mit der Verfügbarkeit von ChatGPT plötzlich alle Autoren damit begonnen und alle Verlage die Absicht geboren haben, KI für die Arbeit an Büchern zu nutzen. Für viele Aufgaben wäre KI zudem noch gar nicht einsatzbereit. Es gebe beispielsweise Übersetzungsexperimente mit KI, die Ergebnisse seien aber alle defizitär, sagt Albert Henrichs, der bei S. Fischer das Programm Deutschsprachige Literatur leitet: "Ein Übersetzer trifft ja bezüglich der Tonalität Entscheidungen, die durch die ganze Übersetzung beibehalten werden. Eine KI übersetzt mal so und mal so. Das in der Nachbearbeitung zu richten ist eine immense Arbeit." Zugleich sei es aber "naiv zu sagen, dass das auch in zehn Jahren noch so sein wird".

Um eine Absicherung für genau solche künftig möglichen, aktuell aber noch schwer absehbaren Fortschritte geht es also meist, wenn heute über KI-Klauseln gegrübelt wird.

Nicht alle Fragen werden nämlich so schnell nach dem Einkauf eines Manuskripts durch einen Verlag geklärt wie jene des Lektorats. Andere bleiben länger offen. Etwa: Dürfen Hörbücher von KI-Stimmen eingelesen werden oder nicht? Zeitnah sieht Henrichs diese Entwicklung nicht eintreten, aber für Hörbücher belaufen sich Vertragszeiträume in der Regel auf zehn Jahre, und in der Zeit kann sich viel an technischem Fortschritt tun. Hörbücher seien daher gerade großes Thema.

Sachbuch und Genreliteratur

Dennoch schreibt Hanser bis dato keine KI-Klauseln in seine Verträge. Wobei in diesen aber geregelt werde, dass ein Vertragspartner seine Leistung selbst erbracht hat, so Verleger Jo Lendle. Erst zuletzt hat Hanser die Zustimmung zu einer Übersetzung verweigert, weil man den Eindruck hatte, sie wäre "deutlich" mithilfe einer Software erstellt worden. Das Buch wird jetzt noch einmal übersetzt, erzählt Lendle, der davon ausgeht, "dass wir in allen Bereichen wie dem Schreiben, Übersetzen und Lektorieren im Augenblick gut daran tun, es selber zu machen". Trotzdem beobachtet man Entwicklungen "neugierig" und im Wissen, dass die Haltung heute "in wenigen Jahren wie eine naive Perspektive wirken" kann.

Lendle weiß von Runden, die sich in Verlagen regelmäßig treffen, um Chancen und rechtliche Fragen von KI zu besprechen. "Auch die Frage, was wir überhaupt mit KI wollen, wo unsere eigenen Grenzen sind."

In Sachbuch und Genreliteratur werde sich KI jedenfalls leichter nutzen lassen als in der Kunst, sind sich alle zumindest bis dato einig. (Michael Wurmitzer, 31.1.2024)