Kein Ringgeist, aber ein Ork aus Herr der Ringe.
Amazon Studios/Matt Grace

Jeder, der schon einmal "Herr der Ringe" gesehen hat, kennt sie, die unheimlichen schwarzen Reiter, die Nazgûl, was in der "schwarzen Sprache" in Tolkiens Universum etwa für "Ringgeist" steht. Diese schwarze Sprache wird in den Filmen und den Büchern in Mordor und von Oberschurke Sauron persönlich gesprochen. Der exzessive Gebrauch von Begriffen aus dieser fiktiven Sprache führte Ermittler im Jänner auf die Spur eines 17-Jährigen, der hinter einer Reihe von Swatting-Attacken stehen soll.

Missbrauch von Notrufen

Unter Swatting versteht man das Absetzen eines falschen Notrufs mit dem Ziel, eine Spezialeinheit der Polizei an die Adresse eines Prominenten oder Streamers zu schicken. Meist wird behauptet, dass eine Geiselnahme im Gange sei oder sich eine bewaffnete Person in dem Haus verschanzt habe. Ziel der Angreifer ist es, dass gleich Spezialeinheiten (in den USA SWAT für Special Weapons and Tactics Teams) losgeschickt werden. Auch das falsche Alarmieren von anderen Einsatzkräften wie der Feuerwehr fällt unter diesen Begriff.

Vor allem unter Streamern griff das Phänomen um sich: Gelangweilte Zuschauer riefen die Polizei, um zu sehen, wie der Streamer oder die Streamerin live von schwer bewaffneten Einsatzkommandos festgenommen wird. Aber auch Promis sind immer wieder Opfer von Swatting – so hatten Paris Hilton, Justin Bieber und Rapper P. Diddy schon Besuch von Spezialeinheiten. Als Motiv geben die Täter oft Rache oder Langeweile an.

Jagd auf den Ringgeist

Mehrere hundert Swatting-Angriffe soll ein 17-Jähriger aus Kalifornien begangen haben. Der Teenager wurde am 18. Jänner verhaftet, wie jetzt bekannt wurde. Dem voraus gingen Recherchen mehrerer Behörden sowie eines privaten Ermittlers, die sich auf die Spur des selbst ernannten "Ringgeists" hefteten. Der Verdächtige soll für Swatting an High Schools, Colleges, die mehrheitlich von Personen mit schwarzer Hautfarbe besucht werden, und Moscheen verantwortlich sein. Außerdem soll der vermeintliche Täter Bombendrohungen gegen das Pentagon gerichtet haben, wie "Wired" unter Berufung auf US-Behörden berichtet.

Im Oktober 2022 stießen die Behörden bei der Untersuchung eines Swatting-Angriffs auf eine Schule in Anacortes, Washington, auf einen Telegram-Nutzer namens "Nazgul Swattings". Hinter diesem Pseudonym bekannte sich der Täter zu der Attacke. In den folgenden Monaten überwachte das FBI Kanäle, die mit "Nazgul" interagierten. Einer davon, ein Kanal namens Torswats, hatte Audiomitschnitte von fast 20 Swatting-Anrufen verbreitet.

Während das FBI die öffentlichen Kanäle von Torswats verfolgte, führte der Privatdetektiv Brad "Cafrozed" Dennis parallel dazu seine eigenen Ermittlungen durch. Der Detektiv arbeitete im Auftrag eines populären Twitch-Streamers, der selbst Opfer von Swatting geworden war. Im Dezember meldete sich Dennis bei einem Nutzer, der hinter Torswats stand, und bat darum, über einen Peer-to-Peer-Chatdienst namens Tox zu chatten. Der Vorwand: Dennis plane selbst einen Swatting-Angriff. Mit der Software Wireshark konnte Dennis die IP-Adresse und den Benutzernamen seines Gegenübers herausfinden. Das Pseudonym "Paimon Arnum" war den Behörden bislang unbekannt.

Auch das FBI kann "schwarze Sprache"

Einige FBI-Beamte waren wohl selbst Fans von "Herr der Ringe" und hatten Kenntnisse der Fantasy-Begriffe, denn auch Paimon Arnum entstammt der "schwarzen Sprache". Noch dazu postete der Betreiber von Torswats häufig Bilder von den eingangs erwähnten Ringgeistern – einem Wort, das immer wieder in Usernamen und Konversationen auftauchte.

Der Privatermittler und FBI-Agenten ermittelten weiter und stießen auf weitere Accounts mit "Herr der Ringe"-Anlehnungen im Umfeld der Swatting-Angriffe. So gab es einen Discord-Account namens "Dushatar", im Tolkien-Universum eine Art göttliches Gefäß. Immer mehr Accounts mit eigenartigen Abwandlungen der "schwarzen Sprache" tauchten auf, die das FBI auf sechs Google-Konten zurückverfolgen konnte. Google und Discord wurden aufgefordert, nähere Informationen zu den Accounts zur Verfügung zu stellen. Darauf ergab sich die Wohnungsadresse des 17-jährigen Verdächtigen in Lancaster, Kalifornien.

Am 15. Juli kam es zur Hausdurchsuchung, und das FBI beschlagnahmte Telefone und Computer des mutmaßlichen Täters. Dazu gehört ein Gerät, auf dem die Ermittler Telegram-Aktivitäten im Zusammenhang mit früheren Swatting-Angriffen beobachtet haben wollen, Bilder aus dem Telegram-Kanal Torswats sowie E-Mail-Adressen, die mit den Google-Konten verbunden sind, die der Verdächtige laut den Behörden verwendet hat. Warum das FBI bis Mitte Jänner 2024 gewartet hat, um den Teenager zu verhaften, ist unklar. Der Ringgeist hat auf jeden Fall ausgespukt. (red, 2.2.2024)