Bundeskanzler Karl Nehammer (rechts), Vizekanzler Werner Kogler (Mitte) und Innenminister Gerhard Karner (links) im Nationalrat. Was eine sogenannte Bezahlkarte für Asylwerber betrifft, sind die Grünen skeptisch.
APA/ROBERT JAEGER

Die ÖVP möchte ein Kartensystem für Asylwerber einführen. Vorbild ist Deutschland, wo sich die meisten Bundesländer gerade auf das neue System verständigt haben. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bestätigt das Vorhaben im Gespräch mit dem STANDARD: "Ich werde den Ländern vorschlagen, dass wir hier eine gemeinsame Vorgangsweise finden. Es macht aus unserer Sicht Sinn, die derzeitigen Geldleistungen auf Sachleistungen umzustellen. Das kann mit einer Art Scheckkarte funktionieren."

Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer spricht bereits seit längerem davon, dass Sozialleistungen als Sachleistungen ausbezahlt werden sollen. Auf Nachfrage erklärte er im Interview mit dem STANDARD: "Beim Thema Migration gibt es eigene Kartensysteme, die entwickelt worden sind, wo die Leistungen aufgebracht werden, und die sind dann abrufbar." Ein Treffen des Innenministers mit den Landesflüchtlingsreferenten ist für den Juni geplant, dort will Karner bereits einen konkreten Vorschlag auf den Tisch legen. Das Thema sei aber komplex, das wird auch in der ÖVP eingestanden.

Grüne: Sachleistungen teurer

Die Grünen sind von dem Vorhaben wenig begeistert. "Die Praxis hat gezeigt, dass Sachleistungen keine Ersparnis bringen, sondern wesentlich teurer sind als Geldleistungen. Denn Sachleistungen sind mit einem höheren Verwaltungsaufwand und hohen Personal- und Investitionskosten verbunden", erklärt Georg Bürstmayr, Sprecher für Asylpolitik bei den Grünen auf Nachfrage des STANDARD. Gegen eine Geldkarte sei nichts einzuwenden, solange "sichergestellt ist, dass sie von einem seriösen Finanzdienstleister abgewickelt wird und Barabhebungen weiterhin möglich sind", sagt Bürstmayr. Das sehen die türkisen Pläne aber wohl nicht vor.

Über diese Frage entscheidet die türkis-grüne Koalition allerdings ohnehin nicht: Ob Asylwerber Geld oder Sachleistungen erhalten, liegt in der Kompetenz der Bundesländer.

Deutsches Modell "Bezahlkarte"

In Deutschland sollen sogenannte Bezahlkarten für Asylwerber nun schon bald Realität werden. Im Beschluss der Ministerpräsidenten wird die geplante Einführung so begründet: "Wir senken den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität."

Derzeit bekommen alleinstehende Asylwerber in Deutschland maximal 460 Euro im Monat. Der Betrag setzt sich so zusammen: 256 Euro für den notwendigen Bedarf (Lebensmittel, Kleidung) und 204 Euro zur Deckung persönlicher Bedürfnisse, das sogenannte Taschengeld. Wenn die Bezahlkarte im Sommer ausgegeben wird, werden Geflüchtete, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist oder die nur einen Duldungsstatus haben, mit der Karte einkaufen können. Sie funktioniert wie eine Bankomatkarte. Zumindest ein Teil der bisherigen Bargeldleistungen wird nur noch als Guthaben auf der Karte ausgegeben. Die Möglichkeit, Geld ins Ausland zu überweisen, soll es nicht geben. Wie viel Bargeld den Menschen bleiben wird, kann jedes der 16 deutschen Bundesländer selbst festlegen.

Geeinigt haben sich auf diesen Weg nun 14 der 16 Bundesländer. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern arbeiten an einem eigenen System, es soll schneller eingeführt werden. Aber das Prinzip wird ähnlich sein.

Spindelegger ist Ansprechpartner

Das in Wien ansässige Zentrum für die Entwicklung von Migrationspolitik, dessen Generaldirektor der ehemalige Vizekanzler Michael Spindelegger ist, hat offenbar eine derartige Bezahlkarte entwickelt und soll auch in die Implementierung des Systems in Bayern involviert sein. Innenminister Karner bestätigt, dass die Organisation von Spindelegger auch in Österreich ein Ansprechpartner sei. Es gehe jetzt darum, eine möglichst effiziente und auch günstige Lösung zu finden. Ein solches Vorhaben müsse aber ausgeschrieben werden.

In Deutschland kommt Kritik unter anderem von der Linken-Chefin Janine Wissler: "Ich halte die Bezahlkarten für falsch. Sie bringen einen großen bürokratischen Aufwand mit sich. Außerdem ist es gerade für den kleinen Einzelhandel unheimlich schwierig, das umzusetzen. Und schließlich sind diese Karten für die Betroffenen total diskriminierend und stigmatisierend." Die sehr weit rechts stehende AfD beklagt hingegen schon lange, dass Geflüchtete Deutschen Geld abgreifen würden, um es dann in ihre Heimat zu schicken.

Schon unter dem damaligen Innenminister und heutigen FPÖ-Chef Herbert Kickl soll es hierzulande Überlegungen gegeben haben, eine "Refugee-App" zu etablieren – damals noch gemeinsam mit Wirecard, dem inzwischen gestürzten Finanzdienstleister, dessen Manager Jan Marsalek bis heute flüchtig ist. Bereits damals dürfte die Idee von der ÖVP vorangetrieben worden sein. (Birgit Baumann, Katharina Mittelstaedt, Michael Völker, 1.2.2024)