Kanzler Karl Nehammer hat FPÖ-Chef Herbert Kickl in der ORF-Pressestunde als "rechtsextrem" bezeichnet. Daraufhin stellt die Presse die Frage: "Ist Herbert Kickl ‚rechtsextrem‘?" Man ist geneigt, mit der berühmten Gegenfrage zu antworten: "Ist der Papst katholisch?"

Deswegen ist davon auszugehen, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen eventuellen Wahlsieger Kickl nicht so ohne weiteres als Kanzler angelobt.

Angenommen, Kickl ist bei einer Wahl im September Erster und stellt den Kanzleranspruch mit einer Nach-Nehammer-ÖVP als Koalitionspartner. Was tut dann VdB?

Er wird Kickl zunächst nicht angeloben. Er wird die anderen Parteien auffordern, zu reden, reden, reden. Niemand zwingt ihn, einen Wahlsieger automatisch und sofort anzugeloben. Die Verfassung setzt ihn da weder unter gesetzlichen noch unter zeitlichen Druck. Er kann die bestehende Regierung mit der Fortführung der Geschäfte beauftragen, allerdings mit dem Risiko, dass sich in einem neu konstituierten Nationalrat eine Mehrheit für einen Misstrauensantrag gegen die Regierung findet. Oder, wahrscheinlicher, dass eine ÖVP, die mit der FPÖ koalieren will, einfach aus der Regierung austritt.

Austria's President Alexander Van der Bellen awaits Ghana's President in the courtyard of the Hofburg Palace in Vienna, Austria on January 30, 2024. (Photo by Joe Klamar / AFP)
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In diesem Fall, aber auch wenn die bestehende ÖVP/Grün-Regierung zustimmt, die Geschäfte einstweilen fortzuführen, ist der Bundespräsident wieder gefragt. Er kann Gespräche führen und einen etwaigen Koalitionspartner von Kickl, also wohl die ÖVP, unter moralischen Druck setzen. Etwa mit dem sehr validen Hinweis, dass die Kickl-FPÖ in der EU und in den USA als verdächtiger Putin-Vasall und daher als Sicherheitsrisiko gesehen wird. Er kann darauf hinweisen, dass die EU soeben ihre (finanzielle) Geduld mit Saboteuren wie Viktor Orbán (und Kickl wäre auch so einer) verloren hat. Dass Kickls Vision einer "Festung Österreich" wirtschaftlicher Selbstmord ist.

Angelobung verweigern

VdB könnte also einem möglichen Koalitionspartner Kickls schlicht die Koalition ausreden. Bei der ÖVP stehen da die Chancen nicht schlecht, da Nehammer Kickl ehrlich ablehnt (wenn er dann noch Parteichef ist), aber auch mindestens die Hälfte der Partei gegen eine Koalition mit der FPÖ im Bund ist (auch Johanna Mikl-Leitner ist einigen Berichten zufolge geheilt). Er könnte jemand von einer anderen Partei mit der Regierungsbildung beauftragen und auf mögliche Partner einwirken, sich zu einigen. Er könnte sogar das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben, aber das riecht nach Präsidentenputsch. Und er könnte eine Minderheitsregierung anregen, die von der zweitstärksten Partei geführt und von den anderen geduldet wird. Van der Bellen könnte auch wieder eine Expertenregierung einsetzen, aber beides ist nicht sehr realistisch.

Kurzum, es läuft darauf hinaus, dass der Präsident zunächst einmal einem Wahlsieger Kickl die Angelobung verweigert und durch intensive Gespräche versucht, eine Koalition ohne die FPÖ zustande zu bringen. Wobei diese Überlegungen davon ausgehen, dass Kickl nicht jemand anderen, "gemäßigteren" ins Kanzleramt schickt, sondern selbst an die ganze Macht will. Problematisch wird es, wenn er doch zurücksteckt und die ÖVP sich doch auf eine Koalition mit einem Platzhalter einlässt.

Wird Kickl also zunächst verhindert, stört ihn das wohl nicht sehr. Er rechnet mit einiger Sicherheit damit, dass die neue Koalition bald zerfällt und er bei Neuwahlen in Richtung 40 Prozent geht. Dann kann er Österreich autoritär umbauen. Aber andererseits: Sind die Österreicher wirklich so verblendet? (Hans Rauscher, 2.2.2024)