In Washington steht ein großer Kompromiss zur Migrationspolitik im Raum, der den zuletzt dramatisch gestiegenen Zustrom aus Mexiko bremsen könnte. US-Präsident Joe Biden kommt dabei den Republikanern stark entgegen. Die Reform droht dennoch zu platzen. Verantwortlich dafür ist Donald Trump, der Biden keinen Erfolg gönnen will und darauf setzt, dass ein anhaltendes Chaos an der Grenze ihm nutzt. Denn das Migrationsthema, darin sind sich Beobachter einig, könnte die Präsidentenwahl im November entscheiden.

Wird dieses zynische Spiel des Ex-Präsidenten tatsächlich aufgehen? An dieser Frage hängt womöglich die Zukunft der US-Demokratie und des westlichen Bündnisses, die beide von Trump bedroht werden. Sie stellt sich nicht für seine Hardcore-Anhänger, die ihrem Guru immer folgen, sehr wohl aber für die Wählerinnen und Wähler der Mitte, die in den entscheidenden Swing-States den Ausschlag zwischen Biden und Trump geben werden. Lassen sie sich von Bildern und Gefühlen leiten, dann steht es schlecht für den alten Mann im Weißen Haus. Folgen sie hingegen Fakten und Argumenten, etwa dem guten Zustand der US-Wirtschaft, dann sollte Trump mit seiner primitiv-extremistischen Rhetorik nur wenig Chancen haben.

T-Shirts Expräsident Donald Trump
Ex-Präsident Donald Trump setzt beim Kampf gegen den amtierenden US-Präsidenten Joe Biden um eine zweite Amtszeit auf das Thema Migration. Im Bild: T-Shirts mit Trump-Werbesprüchen, die im Rahmen eines Konvois an der mexikanisch-amerikanischen Grenze verkauft werden.
AFP / David Swanson

Bauch oder Kopf?

Entscheidet die Wählerschaft mit dem Bauch oder mit dem Kopf? Diese Frage stellt sich ebenfalls bei den Urnengängen in der EU und in Österreich in diesem Jahr. Rechtspopulistische Parteien nähren sich vom Zorn in der Bevölkerung, den sie auch aktiv anfachen. Aber die eigenen Lösungsvorschläge für die tatsächlichen Herausforderungen sind meist dürftig oder sogar kontraproduktiv. Das gilt für die Teuerung genauso wie für die Einwanderung. Dieser Mangel ist den rechten Bewegungen egal. Ihre politische Botschaft richtet sich schließlich nur an den Bauch.

Auch die FPÖ benötigt keine ausgefeilten Maßnahmenpakete, um Wähler anzusprechen. Herbert Kickl präsentiert keinen umfassenden Österreich-Plan wie Kanzler Karl Nehammer oder unzählige Einzelvorschläge wie SPÖ-Chef Andreas Babler. Er begnügt sich damit, dass er polemisiert, attackiert und beleidigt, um so die Ängste, Ressentiments und Frustrationen der Menschen zu bedienen. In der seit der Corona-Krise aufgeheizten Atmosphäre hat das bisher funktioniert.

Hirn ist das Ziel

Wie können die anderen Parteien darauf reagieren? Im Kampf um Gefühle sind die Rechtspopulisten überlegen. Sie müssen daher auf das Hirn der Menschen zielen, in der Hoffnung, dass am Wahltag doch rationale Motive den Ausschlag geben. Aber sie müssen dabei auf Themen setzen, bei denen sie nicht nur die argumentative Oberhand haben, sondern die auch Menschen bewegen.

In den USA könnte es das Recht auf Abtreibung sein, das durch Trumps Richterernennungen stark eingeschränkt wurde. In Österreich wäre es vielleicht die Warnung, dass in Kickls "Festung Österreich" das Personal in Pflege und Gastronomie abhandenkommen würde. Man könnte die Österreicher auch fragen, ob sie sich wie Ungarn in der EU isolieren oder doch lieber mit europäischen Partnern handfeste Lösungen finden wollen.

Letztlich müssen sich die Menschen entscheiden, ob sie wirklich von Politikern regiert werden wollen, die mit ihrer brutalen Sprache alle Regeln des menschlichen Zusammenlebens verletzen. Wer ohne Wut darüber nachdenkt, kann eigentlich nur zu einer Antwort gelangen. (Eric Frey, 4.2.2024)