Bernhard Eder
Ob Bernhard Eder jemals einen Sommerhit wird schreiben wollen, ist zu bezweifeln. Musik für dunkle, melancholische und verzweifelte Stunden beherrscht er aus dem Effeff.
Nico Hafner

Bei einem Album namens Golden Days erwartet man sich eigentlich nicht, dass man nach einer halben, dreiviertel Stunde etwa dank des Songs Nowayout so desillusioniert ist, dass man sich am liebsten daheim im stillen Eck verkriecht und darüber nachdenkt, warum man in der Früh aufsteht: "And when the evening comes / There comes the pain / And all the thoughts are on and off again / And all the birds outside, the stop to sing / I turn my inside out, my outside in."

Bernhard Eder gilt seit den Nullerjahren als einer jener österreichischen Musiker, die zwar nicht in der ersten Reihe stehen. Mit großem Ernst und noch größerer Konsequenz verfolgt der Songwriter allerdings eine Form von klassischer und im Gegensatz zur Konkurrenz zeitloser Liedkunst, die in einem neuen Song namens Along Alone sogar Pophistorisches zitiert. Auch hier in der Isolation eines Lockdown-Songs gibt es nur wenig Anlass zur Freude: "Hello darkness, I am lost at home / I turn the lights off / To watch the full pink moon."

Bernhard Eder

Pink Moon nennt sich das letzte, 1972 zwei Jahre vor seinem Selbstmord im Alter von nur 26 Jahren erschienene Album des zumindest musikalisch mit Bernhard Eder geistesverwandten, großen und stilprägenden Künstlers Nick Drake. Im Gegensatz zu Drake, der auf seinen zwei Vorgängerarbeiten Fives Leaves Left und Bryter Layter noch mit Begleitmusikern arbeitete und Pink Moon dann ganz auf sich reduziert solo nur mit Akustikgitarre (und einem kleinen Piano-Overdub) einspielte, veränderte Multiinstrumentalist Bernhard Eder dieses Mal mit befreundeten Musikern und Musikerinnen seine spartanische Arbeitssituation und stellte sich etwas opulenter als zuvor neu auf.

Der wehklagende Grundton mit heller molliger Stimme aber bleibt grundsätzlich melancholisch, hoffnungslos und um eines wissend: Nach einer existenziellen Tachtel wird gleich ums Eck eine lebensbedrohliche Faustwatsche obendrauf warten. Andere neue Lieder wie Glorious Land spielen an Europas Außengrenzen. Sie thematisieren die unmenschliche Politik gegenüber Flüchtenden. Eine durchaus plakative Ergänzung etwa zum aktuellen, schwer ans Gemüt gehenden Film Green Border der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland: "Welcome to hell / Black dogs are yelling / Guns on fire / Fence, barbed wire."

Es geht ans Gemüt

Politisch geht es auch in The Unbeauty Regime zu, eine bittere, mehr gehauchte als mit bebender Proteststimme gesungene Abrechnung mit der globalen Gesamtsituation. Sie geht Richtung Klavierballade von David Bowie aus den frühen 1970er-Jahren oder Radiohead auf Xanax. Schließlich biegt sie zum Spieldosen-Walzer ab: "We are fucked, but this is just the beginning."

Bernhard Eder - Topic

Zum Ausgleich betreibt Bernhard Eder mit Freundinnen die Band Low Life Rich Kids. Zu fröhlich schepperndem Indiepop im Zeichen der Neuen Deutschen Welle singen zwei Frauen synchron in Liedern wie Ich hab Angst oder Paralysiert Bernhard-Edereske Texte: "Ich muss aussortieren, alles aussortieren, nicht mehr rumprobieren, nicht mehr resignieren ..."

Selbst im schönsten Jammertal des kathartischen und melodiös liebreizend gestalteten Albums Golden Days heißt es am Ende des Titelsongs "Don’t let you down!" und "Get up, get up, get up, get up ...!" (Christian Schachinger, 6.2.2024)