Beim Elbtower (links) ist der Rohbau noch nicht einmal halb so hoch, wie er eigentlich werden sollte. Beim Wiener Projekt Lamarr ist der Rohbau hingegen fertig.
APA/dpa/Scholz; STANDARD/Putschögl

Hamburg: Elbtower

Ein neues Hamburger Wahrzeichen sollte er werden, der Elbtower. Mit 245 Meter Höhe dritthöchstes Gebäude Deutschlands. Die Pläne stammen von David Chipperfield Architects.

Die Geschichte des Turms direkt am S-Bahnhof Elbbrücken am östlichen Ende der Hafencity beginnt im Frühjahr 2017. Die Stadt Hamburg suchte per EU-weiter Ausschreibung einen Bieter für das Grundstück, das damals der Stadt gehörte. René Benko soll 122 Millionen Euro geboten haben, war damit aber gar nicht der Bestbieter. Die Vergabe war durchaus umstritten. Den Zuschlag soll er 2018 dennoch erhalten haben, "weil wir als verlässlichster Partner galten", sagte Benko später dem "Handelsblatt".

Kaufvertrag ist öffentlich

Die erste Rate des Kaufpreises in Höhe von 35 Millionen Euro floss, und im März 2019 wurde der Verkauf vom Hamburger Stadtparlament, der Bürgerschaft, abgesegnet. Im Kaufvertrag (der im Transparenzportal der Stadt Hamburg übrigens veröffentlicht wurde, allerdings mit Schwärzungen) hat sich die Stadt aber bestmöglich dagegen abgesichert, auf einem unfertigen Projekt sitzenzubleiben. Im Punkt 19.1 des Kaufvertrags werden mehrere Fälle genannt, bei deren Eintreten die Stadt ein Wiederkaufsrecht bekommt; "Eintritt einer wirtschaftlichen Verschlechterung des Käufers" gehört dazu.

Im Oktober 2021 gab es eine Teilbaugenehmigung für bauvorbereitende Maßnahmen. Das Grundstück gehörte da aber noch der Stadt Hamburg.

Für den Baustart war ein bestimmter Vorvermietungsgrad notwendig, außerdem mussten vonseiten der Signa Finanzierungsnachweise erbracht werden. Noch vor dem Baustart wurden deshalb erste Mieter bekanntgegeben: Die Hamburg Commercial Bank (HCOB) mietete 11.000 Quadratmeter an Büros, und die von Robert De Niro mitgegründete Hotelmarke Nobu Hospitality wollte 2025 ihr erstes deutsches Haus im Elbtower eröffnen.

Erst mit der zweiten Teilzahlung des Kaufpreises in Höhe von 87 Millionen Euro Ende 2022 ging das Grundstück an die Signa über.

Baustopp Ende Oktober

Zuvor, im August 2022, bekam das Projekt aber noch einen neuen Miteigentümer: Die Commerz Real AG beteiligte sich mit 25 Prozent. Bis Ende Oktober 2023 wuchs der Rohbau des Turms dann rund 100 Meter in die Höhe. Dann begannen die Probleme, es kam zum Baustopp, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden.

Schließlich folgte die Insolvenz der Projektgesellschaft am 19. Jänner 2024. An diesem Tag veröffentlichte die Stadt Hamburg eine Presseaussendung des Inhalts, dass die Stadt auf ihre Rechte pochen werde und nun mit der Insolvenz auch "ihr kaufvertraglich gesichertes Wiederkaufsrecht sowie die Übernahme aller Planungs- und Bauverträge geltend machen" könne, hieß es. Man werde mit dem Insolvenzverwalter umgehend in Kontakt treten.

Allerdings: Um das Wiederkaufsrecht entbrannte eine kurze rechtliche Diskussion, nachdem sich das Magazin "Capital" eine Passage aus dem Kaufvertrag genauer angesehen hatte. Eine Interpretation lasse den Schluss zu, dass das Wiederkaufsrecht erst "nach Fertigstellung" des gesamten Turms bestehe, schrieb "Capital" auch unter Berufung auf einen Berliner Rechtsanwalt. Die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen widersprach aber: Es bestehe kein Zweifel, dass der Wiederkauf im Falle der Insolvenz der Käufergesellschaft bereits während der Bauphase geltend gemacht werden könne.

Und das ist in Hamburg gerade der Stand der Dinge: Der Ball liegt beim Insolvenzverwalter. Die Stadt bevorzugt eine privatwirtschaftliche Lösung, dass also im Fall des Verkaufs ein Investor gefunden wird. Ist das nicht der Fall, werde man das Wiederkaufsrecht umsetzen, sagte die Hamburger Bausenatorin Karen Pein (SPD) kürzlich der "Hamburger Morgenpost". Dass die Stadt selbst fertig baut, sei aber nicht in ihrem Interesse; "wir würden bei einem Rückkauf auch nach neuen Investoren suchen". (Martin Putschögl, 7.2.2024)

Wien: Lamarr

Auch in Wien wollte die Signa einer der bekanntesten Adressen der Stadt ihren Stempel aufdrücken. An der Mariahilfer Straße 10–18 soll ein Neubau, bestehend aus Kaufhaus, Hotel und Gastronomie, in die Höhe wachsen. Dafür wurde kurz vor dem Jahreswechsel 2017/2018 – mit Unterstützung des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) – der Verkauf der Immobilie vom ins Straucheln geratenen südafrikanischen Steinhoff-Konzern an eine Privatstiftung von René Benko über die Bühne gebracht. Der Kaufpreis: 60 Millionen Euro.

Mittlerweile hat die Projektgesellschaft, an der die Signa Prime und der thailändische Partner der Signa jeweils 50 Prozent halten, Konkurs angemeldet. Laut Konkursantrag der Projektgesellschaft ist das Projekt, von dem bislang nur der Rohbau steht, erst zu 30 bis 40 Prozent fertiggestellt. Und auch die Finanzierung der Fertigstellung sei nicht mehr gesichert.

Auf der Baustelle tut sich schon seit Weihnachten nichts mehr. Allerdings kümmere sich die Baufirma laufend um die Absicherung des Gebäudes und habe Sturmschäden der letzten Tage behoben, sodass keine Gefahr von der Baustelle ausgeht, berichtet die Baupolizei, die das Gelände "laufend" kontrolliert, auf Anfrage des STANDARD. Der riesige rote Kran mit Signa-Logo thront zwar derzeit noch direkt an der Mariahilfer Straße. Die Baufirma Habau, die für den Rohbau zuständig war, bestätigt dem STANDARD aber, dass sämtliche Kräne "in naher Zukunft" abgebaut werden.

Der große Unterschied zwischen den Baustellen in Wien und Hamburg: In Wien hat die Stadt nicht viel dabei mitzureden, wie es nun weitergeht – und damit fehlt ihr ein wichtiger Hebel, den es in Hamburg durchaus gibt. Auch weil die Liegenschaft, zuvor "bespielt" mit einem Leiner-Möbelhaus, an dessen Stelle nun gebaut wird, nicht, wie in Hamburg, der Stadt gehört hat und für den Bau auch keine Umwidmung notwendig war. Daher gibt es auch keinen städtebaulichen Vertrag, mit dem man in Wien seit einigen Jahren Investoren diverse Pflichten und Investitionen für die Allgemeinheit umhängt.

Mittels eines Servitutsvertrags hat sich die Stadt aber immerhin eine öffentliche Nutzung der Dachterrasse des Lamarr-Kaufhauses ausbedungen. Zwar ist dieser bis heute nicht unterschrieben – die öffentliche Nutzung am Dach sei aber notwendig für eine Fertigstellungsanzeige des Bauwerks, hieß es dazu vonseiten der Stadt schon im Herbst.

Ab Baustart sind vier Jahre Zeit, ein Bauprojekt abzuschließen – das heißt, dass die Baugenehmigung beim Lamarr noch bis 2025 aufrecht ist. Dass sich eine Fertigstellung bis dahin unter den aktuellen Vorzeichen ausgeht, ist aber so gut wie ausgeschlossen. Wird das Projekt übernommen und weitergeführt, wäre es "bei guten Gründen" laut Baupolizei denkbar, dass eine Verlängerung dieser Frist beantragt wird. Eine Prognose dazu, ob diesem Ansuchen stattgegeben werden könnte, wolle man aber nicht abgeben.

Baupolizei könnte Auftrag erteilen

Weil der Rohbau bereits fertig ist, könnte die Baupolizei (MA 37) den behördlichen Auftrag zur Fertigstellung erteilen – oder selbst Firmen beauftragen und die Kosten dafür dem Bauwerber in Rechnung stellen.

Der Fantasie vieler Menschen sind bei der künftigen Nutzung des Lamarr jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Auf Twitter wird ein sozialer Wohnbau gefordert, was nicht nur aufgrund der Bauweise, sondern auch aufgrund der Widmung – gemischtes Baugebiet, Geschäftsviertel – und des Preises, den ein gemeinnütziger Bauträger oder die Stadt für eine Liegenschaft in einer solchen prominenten Lage zahlen müsste, völlig utopisch ist. Möglich wären aber Büros, ein Hotel, gewerbliches Wohnen wie beispielsweise ein Studentenheim – und natürlich auch die ursprünglich geplanten Geschäftsflächen.

Wie lange die Baustelle stillsteht, ist derzeit schwer zu sagen. Theoretisch könnte aber auch der Masseverwalter eine Wiederaufnahme der Baustelle verfügen. Dass die Bauruine für längere Zeit das Stadtbild prägt, ist aber denkbar. Damit hat Benko der Mariahilfer Straße letztendlich durchaus seinen Stempel aufgedrückt – nur nicht so, wie er sich das wohl vorgestellt hat. (Franziska Zoidl, 7.2.2024)