Warum es so schwer für sie ist, einen Partner zu finden, sei ihr ein "komplettes Rätsel", sagt Clarissa. Sie hat einen Masterabschluss einer Eliteuniversität in der Tasche, ist eine erfolgreiche Ökonomin und spricht mehrere Sprachen. Dennoch ist die Mittdreißigerin Single, obwohl sie gerne in einer Beziehung wäre. "Ich finde es schwer, jemanden zu finden, der wirklich passt", erzählte Clarissa der US-Anthropologin Marcia C. Inhorn. Inhorn forscht an der renommierten Yale University zu der Frage, was Frauen dazu bewegt, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Für ihre Studie führte sie 150 ausführliche Interviews, unter ihren Gesprächspartnerinnen war auch Clarissa.

Die Anthropologin gelangte zu einer erstaunlichen Erkenntnis, über die wir auch hier berichtet haben: Die meisten Frauen ließen ihre Eizellen nicht wie häufig angenommen zugunsten einer steilen Karriere einfrieren – sondern weil sie noch nicht den geeigneten Mann getroffen hatten. Wie Inhorn aufzeigt, hätten die Frauen, die sich für diesen Schritt entscheiden, meist einen guten Verdienst und ein hohes Bildungsniveau. Sie würden sich einen Partner auf Augenhöhe wünschen, und dieser Wunsch lässt sich offenbar nicht so leicht erfüllen. Der Grund sei ein Missverhältnis: Unter den 22- bis 39-Jährigen gebe es in Amerika fast drei Millionen mehr Frauen mit Uni-Abschluss als Männer. Dieser Mangel an verfügbaren gebildeten Partnern führt zu einem Phänomen, das Inhorn als "Mating Gap" bezeichnet – was auf Deutsch so viel bedeutet wie Paarungslücke oder Paarungskluft.

Schon heute gibt es mehr jüngere Frauen als Männer, die eine Uni oder eine Fachhochule abgeschlossen haben.
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"Man mag es wählerisch nennen, aber diese gut gebildeten Frauen wollen sich einfach nicht mit jemandem einlassen, der geringer gebildet ist", sagt Inhorn. Die Paarungskluft sei ein globales Phänomen, und sie werde künftig größer werden, wenn Frauen immer mehr Ausbildungen sammeln, immer erfolgreicher sind. Aber gibt es diese Paarungskluft wirklich, auch in Österreich?

Frauen besser gebildet

Um diese Frage zu beantworten, bedarf es zunächst eines Blicks auf aktuelle Bildungstrends. Auch hierzulande gibt es bei den Jüngeren tatsächlich mehr gut gebildete Frauen als gut gebildete Männer. Zahlen der OECD aus dem Jahr 2022 zeigen: Unter den 25- bis 34-Jährigen haben 23 Prozent der Männer und rund 33 Prozent der Frauen eine Universität oder Fachhochschule abgeschlossen. Was die gesamten tertiären Bildungsabschlüsse angeht, also wenn etwa auch berufsbildende höhere Schulen inkludiert sind, haben knapp 39 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen dieses Alters einen solchen vorzuweisen.

In anderen Ländern fallen die Unterschiede in dieser Altersgruppe sogar noch deutlicher aus. Um ein paar Beispiele zu nennen: In Norwegen haben rund 47 Prozent der Männer einen tertiären Bildungsabschluss, jedoch 66 Prozent der Frauen. In Lettland sind es 35 Prozent der Männer gegenüber 52 Prozent der Frauen, in Island 29 und 55 Prozent. In Israel ist die Differenz mit 36 zu 57 Prozent ebenfalls groß. Auch in der Slowakei haben laut den Daten fast doppelt so viele Frauen wie Männer eine tertiäre Bildung – nämlich rund die Hälfte, im Vergleich zu 28 Prozent der Männer.

In nur einem einzigen der angeführten Länder ist das Verhältnis umgekehrt, nämlich in Indien. Dort verfügen Männer häufiger über einen tertiären Abschluss, aber auch nicht wesentlich häufiger. In Mexiko dürften Männer und Frauen relativ gleichauf sein.

Bildungsniveau und Beziehung

Andreas Baierl vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) hat den Zusammenhang von Bildungsniveau und Beziehungsstatus analysiert. Er bediente sich dabei Zahlen der OECD, der Statistik Austria und des ÖIF. Angesehen hat sich Baierl die Altersgruppen zwischen 25 und 34 Jahren und zwischen 28 und 40 Jahren. Aus seiner Auswertung lässt sich nicht ablesen, dass Frauen mit Hochschulabschluss keine Partner mehr finden. In beiden untersuchten Gruppen sind deutlich mehr Singles unter gut gebildeten Männern als unter gut gebildeten Frauen.

Interessant ist jedoch: Bei Männern sinkt der Anteil der Alleinstehenden mit dem Bildungsniveau – während er bei Frauen leicht ansteigt. Während beispielsweise von den 25- bis 34-jährigen Männern mit Pflichtschulabschluss 45 Prozent keine Partnerin oder keinen Partner haben, sind es von jenen mit Hochschulabschluss nur noch 32 Prozent. Unter den Frauen mit Pflichtschulabschluss sind 17 Prozent Single und mit Hochschulabschluss 22 Prozent. Damit sind gut gebildete Frauen aber immer noch häufiger in einer Beziehung als gut gebildete Männer im selben Alter.

Bei der Partnersuche gilt laut Expertinnen das Prinzip Ähnlichkeit – und das betrifft offenbar auch das Bildungslevel.
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Außerdem zeigen die Daten, dass Akademikerinnen zwar am häufigsten mit Akademikern verpartnert sind, aber auch oft mit Männern mit mittlerem Bildungsabschluss. Diese Beziehungen könnten in Zukunft womöglich häufiger werden, wenn sich der Trend fortsetzt und Frauen immer besser gebildet sind. "Denn irgendwann fehlen die Akademiker, mit denen sie zusammenleben können", sagt Baierl. "Rein rechnerisch geht es sich einfach nicht mehr aus, dass auf eine Akademikerin ein Akademiker kommt, wenn es in einem Land doppelt so viele Akademikerinnen gibt wie Akademiker." Welcher Schluss folgt daraus? "Entweder sie leben alleine, in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung oder mit jemandem mit einem geringeren formalen Bildungsabschluss."

Das Prinzip Ähnlichkeit

Dazu scheinen viele aber noch nicht bereit. Sandra Köhldorfer ist Psychotherapeutin, Buchautorin und Expertin für Beziehungen und Partnersuche. Sie sagt: "Je höher gebildet eine Frau ist, desto wichtiger ist es ihr auch, einen gebildeten Partner zu haben." Bei Testungen zum Wunschpartner würden über 60 Prozent der Akademikerinnen angeben, auch einen Partner mit Hochschulabschluss zu suchen. "Das ist schon beachtlich", sagt Köhldorfer. Weitere 30 Prozent würden sich auch dann auf eine Beziehung einlassen, wenn der andere eine Bildungsstufe unter ihnen steht, also etwa Matura hat. "Und lediglich zehn Prozent legen überhaupt keinen Wert auf Bildung."

"Je höher gebildet eine Frau ist, desto wichtiger ist es ihr auch, einen gebildeten Partner zu haben." (Sandra Köhldorfer, Psychotherapeutin)

Köhldorfer erklärt, was dahintersteckt: Mit einem ähnlichen sozialen Bildungsabschluss werde ein ähnlicher sozialer Marktwert verbunden. Außerdem gelte das Prinzip der Ähnlichkeit: "Alles, was einem ähnlich ist, ist auch vertraut." Für die Expertin bedeutet das, "dass es immer mehr tolle, gebildete Singlefrauen geben wird, wenn nicht ein Umdenken bei beiden Geschlechtern stattfindet. Aus meiner Sicht gibt es den 'Mating Gap' tatsächlich." Auch viele Männer würden nach wie vor "alten Mustern der Partnerwahl" folgen. Von einer Frau, die besser gebildet ist und unter Umständen mehr verdient, fühlen sie sich mitunter eingeschüchtert. "Bildung bei einer Frau ist für die meisten Männer kein wesentliches Attraktivitätsmerkmal."

Was aber hindert Frauen daran, sich mit jemandem einzulassen, der nicht denselben Bildungsabschluss hat? "Sie befürchten: Dieser Mann ist nicht auf Augenhöhe, sie haben Angst, sich verbiegen oder kleinmachen zu müssen oder zu stark und überlegen zu sein", sagt Köhldorfer. Sie beobachtet, dass Single-Frauen immer höhere Ansprüche haben, was ihre potenzielle bessere Hälfte angeht. "Ich frage sie dann immer: Zählen nicht auch andere Dinge wie Verlässlichkeit oder eine gute Sexualität?" Nicht zuletzt hängen Intelligenz und Erfolg auch nicht unbedingt mit dem formalen Bildungsgrad zusammen, erinnert die Psychotherapeutin: "Gut gebildete Frauen sollten ihren Suchradius erweitern. Vielleicht gelingt es ihnen, andere Werte und Eigenschaften wie Loyalität, ähnlichen Humor oder bei einem Kinderwunsch väterliche Qualitäten stärker in den Blick zu nehmen." Umkehrt, sagt sie, "sollten Männer die Angst vor starken, gebildeten Frauen abbauen".

Die Chemie der Liebe

"Die Chemie der Liebe kann überall zuschlagen", sagt Caroline Erb, Psychologin bei der Partnervermittlungsplattform Parship. Sie betont: "Bei der Suche nach einem Partner oder einer Partnerin sollte man über den Tellerrand schauen. Das bedeutet, nicht nur in der eigenen Blase die Augen offenzuhalten, auch wenn das schwierig ist. Vielleicht hat eine Person zwar keine Abschlüsse auf Papier, aber war auf Reisen, spricht fünf Sprachen, kann mit anpacken und inspiriert einen." Die Psychologin, die auch in freier Praxis mit Singles und Paaren arbeitet, spricht von einer "Übergangsphase", die derzeit im Gange ist: Die Frauen haben immer bessere Bildungsabschlüsse, gleichzeitig gelten bei der Partnerwahl noch recht traditionelle Normen.

"Vielleicht hat eine Person zwar keine Abschlüsse auf Papier, aber war auf Reisen, spricht fünf Sprachen, kann mit anpacken und inspiriert einen", sagt die Psychologin Caroline Erb.
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Erb betont auch: "Dass beide denselben Bildungsgrad haben, ist noch keine Garantie für eine glückliche Beziehung." Viel wichtiger seien ähnliche Werte, ähnliche Interessen, ebenso wie Treue, Ehrlichkeit und ein respektvoller Umgang miteinander – auch dann, wenn es zum Streit kommt. "Paare sollten wirklich auf eine gute Kommunikation achten, darauf, einander verzeihen zu können." Der Humor und eine gewisse "Komplizenschaft" würden auch eine wichtige Rolle spielen. "Man sollte nichts als selbstverständlich annehmen und immer wieder versuchen, sich zu zweit den Alltag zu versüßen und positive Erlebnisse zu schaffen." (Lisa Breit, 14.2.2024)