Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser hat sich für eine Koalition von SPÖ und ÖVP im Bund ausgesprochen. Was er öffentlich macht, versuchen die SPÖ-Granden Michael Ludwig (Wiener Bürgermeister) und Doris Bures in Andeutungen und diskreten Hintergrundgesprächen mit VP-lern weiterzubringen. Der burgenländische SP-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hingegen hält von einer Koalition mit der Volkspartei nichts, denn diese habe die SPÖ immer nur ausgenutzt. Der amtierende SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler wiederum, der in die Anbahnungsgespräche mit der ÖVP offenbar nicht eingebunden ist, ließ über X (vormals Twitter) eine Breitseite gegen Schwarz-Blau los: Es sei jetzt auf den Tag 24 Jahre her, dass mit "Blau-Schwarz" die (soziale) "Abrissbirnenpolitik" in Österreich begonnen habe.

Also alles wie immer bei der SPÖ. Bei der ÖVP ist es aber nicht viel anders. Es gibt Landeshauptleute, die mit der FPÖ regieren (wollen), und solche, die das ablehnen. In NÖ spricht sich nach einem Bericht im Trend Johanna Mikl-Leitner inzwischen im Bund für eine Koalition mit der SPÖ aus.

Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner aus Niederösterreich und Peter Kaiser aus Kärnten
Können sich im Bund eine große Koalition vorstellen: die Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner aus Niederösterreich und Peter Kaiser aus Kärnten.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wie steht es mit den beiden Protagonisten? Von Babler ist nicht bekannt, dass er sich je anerkennend über die ÖVP und Karl Nehammer geäußert hätte. Er nannte im Gegenteil Nehammers "Österreich-Plan"-Rede eine "Verarschung" der Bevölkerung. Die ÖVP nennt Babler einen De-facto-Kommunisten. Nehammer hingegen sagte im STANDARD-Interview, er habe als Innenminister mit dem Bürgermeister Babler "vertrauensvoll und ordentlich" zusammengearbeitet.

Abgesehen vom Persönlichen sind aber die sachlichen Unterschiede für eine denkbare "schwarz-rote Koalition plus" (mit Neos oder Grünen) ziemlich groß. Vermögens- und Erbschaftssteuer? Da kann die ÖVP nicht mit, nicht einmal, wenn im Gegenzug die Lohn- und Einkommenssteuer massiv gesenkt würde. Strengere Asylpolitik? Usw.

Destruktion der Kickl-FPÖ

Ein Grund für eine Neuauflage von Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz ist auch die Verhinderung eines Kanzlers Herbert Kickl. Der wahre Grund wäre aber, dass in Österreich Großreformbedarf herrscht. Sinn hat eine "große Koalition plus", wenn sich die beiden (und ein dritter Partner) auf einige Großprojekte einigen, die beide mittragen können, und die man der Bevölkerung auch als konstruktive Alternative zur reinen, hasserfüllten Destruktion der Kickl-FPÖ "verkaufen" könnte.

Also: eine echte Teuerungsbekämpfung; eine echte Reform des Gesundheitssystems; eine wirkliche Bildungsreform, die sich um die katastrophale Situation an den "Brennpunktschulen", aber auch um die Unis kümmert; schließlich ein (sehr schwieriger) "Gesamtplan Migration". Und, da man die Neutralität nicht offiziell abschaffen kann, ein Konzept "Neutralität minus", wie es zum Teil verstohlen jetzt ohnehin schon praktiziert wird.

Das wären Aufgaben, vergleichbar mit dem EU-Beitritt beziehungsweise der Sanierung der Verstaatlichten und der Abfederung des Zerfalls von Jugoslawien. Alle drei Megaherausforderungen wurden letztlich in Zusammenarbeit beziehungsweise Koalition zwischen SPÖ und ÖVP bewältigt.

Die Alternative ist eine blau-schwarze Koalition unter einem Kanzler Kickl, in der die ÖVP den Gehilfen beim Umbau Österreichs in ein verarmendes "Orbánistan" abgeben darf. (Hans Rauscher, 6.2.2024)