An Warnungen hat es nicht gemangelt – doch Wiederholung stumpft ab, und manch einer hielt die Aufregung auch bloß für Drama. Viel zu lange haben sich auch europäische Politiker und Politikerinnen beruhigt und bei Washington-Besuchen von vermeintlich "gemäßigten" Republikanern auf dem Kapitol einreden lassen, dass es am Ende nicht zum Schlimmsten kommen werde.

Nun aber ist es vorbei mit dem Schönreden und der Selbsttäuschung: Die US-Hilfen für die Ukraine stehen vor dem jähen Aus. Ein monatelang verhandelter Kompromiss ist geplatzt, der republikanische Senats-Minderheitsführer Mitch McConnell umgefallen: Mit höchster Wahrscheinlichkeit wird der Kongress keine neuen Gelder bewilligen. Das ist eine katastrophale Nachricht für das von Russland überfallene Land, ein desaströser Offenbarungseid der westlichen Führungsmacht und ein niederschmetternder Beleg für die destruktive Macht des großen Nihilisten Donald Trump.

Donald Trump
Donald Trump bewirbt sich um die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Auswirkungen in Sachen Ukraine hat das bereits jetzt.
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Trumps perfide Taktik ist an Zynismus kaum zu überbieten: Erst hat er mit nationalistischen Parolen die Situation im Kriegsland Ukraine gegen die Probleme an der US-Südgrenze ausgespielt, über die täglich tausende illegale Einwanderer ins Land kommen. Dann hat er diese Menschen als kriminelle Invasoren diffamiert und ihre Zurückweisung zur Voraussetzung für weitere Ukraine-Hilfen gemacht. Doch als dann drei überparteiliche Unterhändler tatsächlich ein 370-seitiges Kompromisspaket vorlegten, das milliardenschwere Investitionen in die US-Grenzanlagen und eine drastische Verschärfung des Asylrechts mit der Bereitstellung von 60 Milliarden Dollar für die Ukraine verknüpfte, hat Trump das Ruder herumgerissen und den ganzen Deal in die Luft gejagt.

Scheitern gewiss

Kein Gesetz zu haben sei besser als dieses, behauptete der Ex-Präsident plötzlich, obwohl die Wirtschaft, die Gewerkschaft der Grenzschützer und das stramm konservative Wall Street Journal ebenso wie McConnell vehement dafür warben. Doch Trump will keine Lösung des Migrationsproblems. Dass er selbst bei einem Wahlsieg im November nie wieder die Chance auf eine effektive Einwanderungsreform bekommen könnte, weil das Repräsentantenhaus an die Demokraten fallen dürfte, stört ihn nicht. Trump will Chaos. Je mehr, desto besser, um damit Wahlkampf zu machen.

Ein Republikaner nach dem anderen ist in den vergangenen Tagen umgefallen. Die üblichen Opportunisten wie Trump-Lakai Lindsey Graham krochen vorneweg. Und nun rückt selbst McConnell vom Deal ab.

Damit dürfte der Damm gebrochen sein: Das Gesetz wird bei der für Mittwoch geplanten Abstimmung nicht die erforderliche 60-Stimmen-Mehrheit finden, im Repräsentantenhaus ist sein Scheitern ohnehin gewiss. Ein neuerlicher Anlauf hätte danach genauso wenig Chancen auf Erfolg.

Die Leidtragenden sind nun die Menschen in der Ukraine, die sich heldenhaft dem russischen Aggressor entgegenstellen. Sie kämpfen für jene Freiheit, die republikanische Politiker einst wie ein Banner vor sich hertrugen. Doch das ist Trump und seinen rechtspopulistischen Konsorten gleichgültig: Ukrainer haben bei der Präsidentschaftswahl keine Stimme – und finanziell ist im Zweifelsfall beim russischen Machthaber Wladimir Putin mehr zu holen. (Karl Doemens, 6.2.2024)