Die russische Raketenkorvette Iwanowez ging unter, nachdem sie von sechs ukrainischen Seedrohnen getroffen worden war.
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Zum ersten Mal in der Geschichte haben Seedrohnen ein Kriegsschiff versenkt. Alles, was dafür nötig war, waren sechs zu Drohnen umgebaute Jetskis, um die russische Raketenkorvette Iwanowez auf den Grund des Schwarzen Meeres zu schicken.

Die Videos sind spektakulär: In Schwarz-Weiß-Aufnahmen ist zu sehen, wie ein kleines Boot auf ein russisches Kriegsschiff zurast. Gerade als der Bug den Schiffsrumpf berührt, reißt die Verbindung ab. Schnitt. Auf einer anderen Kameraperspektive ist zu sehen, wie das Schiff von einer gewaltigen Explosion erschüttert wird. Offenbar versucht die Besatzung an Bord der Raketenkorvette Abwehrfeuer zu geben, kleinkalibrige Geschoße schlagen rund um die Drohnen ein, die sich im Zickzackkurs ihrem Ziel nähern. Am Ende ist zu sehen, wie eine Drohne genau in ein gewaltiges Loch im Rumpf gesteuert wird, das wohl von einer vorigen Drohne gerissen wurde. Es kommt zu einer Explosion an Bord. Die Iwanowez sinkt. Ob oder wie viele Besatzungsmitglieder überlebt haben, ist unklar. "Eine Rettungsmission der russischen Angreifer war nicht erfolgreich", heißt es lediglich im Bericht des ukrainischen Geheimdienstes GUR.

Klar ist nur, dass das Kriegsschiff mehrere direkte Treffer von den Magura genannten Drohnen einstecken musste. Laut den vom ukrainischen Geheimdienst veröffentlichten Informationen fand der Angriff im Salzwassersee Donuslaw vor der Küste der Krim statt. Zehn Drohnen wurden eingesetzt, sechs trafen ihr Ziel und versenkten es. Magura steht für Maritime Autonomous Guard Unmanned Robotic Apparatus, hinter dem Akronym verbirgt sich technisch gesehen nichts anderes als ein zur Drohne umgebauter Jetski.

Die Drohne selbst ist mit 5,5 Meter Länge relativ klein, wendig und schnell. So kann die Magura eine Höchstgeschwindigkeit von 78 km/h (42 Knoten) erreichen. Die Größe des transportierten Sprengkopfs wird mit 200 Kilo angegeben. Zudem soll die Seedrohne über eine Reichweite von 800 Kilometern verfügen, wobei der tatsächliche Einsatzradius bei immer noch hohen 400 Kilometern liegen dürfte. Durch diese große Reichweite soll es den Drohnen auch möglich sein, in Küstenabschnitten der Ukraine zu patrouillieren.

Umgebaute Jetskis

Die Kamikaze-Drohne wurde von der geheimen "Gruppe 13" des Geheimdienstes sowie dem ukrainischen Ministerium für digitalen Wandel entwickelt und erst im Juli 2023 erstmals öffentlich vorgestellt. Wie sich dann laut einem Bericht von CNN herausstellte, handelte es sich aber nicht um ein Ausstellungsstück, sondern bereits um ein voll einsatzfähiges Waffensystem. Tatsächlich steckt in dem umgebauten Jetski mehr Technologie, als das schlichte Äußere vermuten lässt. Die Drohne ist in der Lage, bis zu drei HD-Videostreams zu übertragen, die Steuersignale sind 256-Bit-verschlüsselt. Gesteuert wird die Magura entweder per Satellit oder optisch. Außerdem verfügt die Magura über Trägheitsnavigation. Ein Exemplar kostet aktuell rund zehn Millionen Hrywnja, das entspricht ungefähr einer Viertelmillion Euro.

Theoretisch wäre es möglich, die Drohne sogar mit 300 Kilo Sprengstoff zu beladen, was laut von CNN zusammengetragenen Informationen aus der Gruppe 13 aber nicht nötig sei. Selbst gegen die bestens gepanzerten Schiffe der russischen Marine hätten sich die Maguras in ihrer Standardkonfiguration als effektiv erwiesen. Durch die relativ geringe Größe sei es den Piloten der Magura möglich, jedes Kriegsschiff anzumanövrieren, heißt es von ukrainischer Seite.

Die Ukraine versucht seit Monaten mit Drohnen die russische Überlegenheit an Waffen auszugleichen. Drohnen werden mittlerweile als die entscheidende Waffe in dem Krieg gesehen, doch bislang waren mit dem Begriff eher unbemannte Flugobjekte gemeint. Mittlerweile kommen auch Boden- und nun auch Seedrohnen zum Einsatz. Mit Erfolg: Noch nie zuvor wurde ein Kriegsschiff von unbemannten Wasserfahrzeugen versenkt.

"Es sind diese unbemannten Systeme – wie Drohnen – zusammen mit anderen Arten von fortschrittlichen Waffen, die der Ukraine die beste Möglichkeit bieten, einen Stellungskrieg zu vermeiden, bei dem wir nicht im Vorteil sind", sagte der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj.

Schwarzmeerflotte dezimiert

Mit der Zerstörung der Iwanowez ist ein weiterer Schlag gegen die ohnehin schon stark dezimierte Schwarzmeerflotte Russlands gelungen. Deren Flaggschiff, die Moskwa, wurde im April 2022 vermutlich durch fliegende Drohnen versenkt. Davor wurde ein Landungsschiff der Alligator-Klasse, die Saratow, getroffen. Auch die Minsk und die Nowotscherkassk wurden laut ukrainischen Quellen zerstört. Dazu kommen noch Angriffsboote, kleinere Landungsschiffe, Korvetten, das U-Boot Rostow am Don und mehrere Patrouillenboote. Laut dem britischen Geheimdienst dürfte die russische Schwarzmeerflotte bis Ende 2023 rund ein Fünftel ihrer Schiffe verloren haben.

Die Iwanowez bei einer Übung im Schwarzen Meer. Die Moskit-Antischiffsraketen sollen kleine bis mittlere Seeziele mit einem Treffer versenken können.
via REUTERS/RUSSIAN DEFENCE MINI

Bei dem jüngsten Verlust handelte es sich um eine Raketenkorvette. Diese mit 550 Tonnen Verdrängung relativ leichten Schiffe sind mit P270-Moskit-Raketen ausgestattet. Dabei handelt es sich um moderne Antischiffsraketen, die Hyperschallgeschwindigkeiten erreichen sollen. Diese Raketen sollen in der Lage sein, feindliche Kriegsschiffe von der Größe eines Zerstörers mit einem einzelnen Treffer zu versenken. Zudem ist es möglich, die Raketen mit dem Nato-Code SS-N-22 Sunburn mit nuklearen Gefechtsköpfen auszustatten. Mit diesen Waffen sollen ganze feindliche Flottenformationen vernichtet werden. An Sekundärbewaffnung verfügte die Iwanowez über zwölf Flugabwehrraketensysteme vom Typ Igla. Diese werden von einem fortschrittlichen Radarsystem gesteuert. Dazu kommen noch 76-mm- und 30-mm-Schnellfeuergeschütze zur Bekämpfung von Luft-, See- und Küstenzielen. Vor allem Letztere dürften vergeblich auf die ukrainischen Drohnen gefeuert haben. Die Iwanowez hatte eine Besatzung von 40 Mann. (pez, 8.2.2024)