Die GLSDB kann von einem Werfer in einem Frachtcontainer gestartet werden. Das Waffensystem besteht aus einem alten Raketentriebwerk und einer Gleitbombe, die mit einem Adapter zusammengebaut wurden.
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Seit Mittwoch verfügt die Ukraine über ein neues Präzisionswaffensystem in ihrem Arsenal. Damit rücken einmal mehr die Nachschublinien und das Hinterland der russischen Angreifer in den Fokus.

Einem Bericht von "Politico" zufolge ist die erste Charge sogenannter Ground-Launched Small Diameter Bombs (GLSDB) in der Ukraine eingetroffen. Dabei handelt es sich um eine von Boeing und Saab entwickelte Langstreckenwaffe mit einer Reichweite von etwas unter 150 Kilometern. Von Langstreckendrohnen einmal abgesehen, verdoppelt sich damit die Reichweite der ukrainischen Artillerie. Die Lieferung der GLSDB erhöhe die Fähigkeiten für Langstreckenangriffe der Ukraine massiv, so ein anonymer US-Behördenvertreter in dem Bericht.

Die GLSDB ist eine Mischung aus Marschflugkörper und Gleitbombe. Zum Einsatz kommen zwei bereits bestehende Systeme, die erprobt, günstig sind und vor allem verfügbar sind.

Warum keine große Bombe?

Im Prinzip handelt es sich bei der Waffe um eine 250-Pfund-Bombe vom Typ GBU-39 Small Diameter Bomb. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich dabei um die mit insgesamt 129 Kilo kleinste Präzisionsbombe der US-Streitkräfte. Diese wurde 2006 eingeführt und erwies sich bislang als äußerst präzise. Nach dem Abwurf klappen Flügel aus, die der Bombe Gleiteigenschaften verleihen. Die Waffe kann so noch einmal knapp 100 Kilometer zurücklegen.

Durch Trägheitsnavigation und GPS werden die 23 Kilo Sprengstoff der Bombe auf einen Meter genau ins Ziel befördert. Aber warum eine so kleine Bombe? Die Antwort ist denkbar einfach: Weil sie ausreicht, um die meisten Ziele zu zerstören. So verfügt die GBU-39 über die gleiche Durchschlagskraft wie eine 907 Kilo (2.000 Pfund) schwere herkömmliche Bombe. Das reicht aus, um etwa 90 Zentimeter Stahlbeton zu durchschlagen.

Resteverwertung

Diese Bombe wurde nun mit einem Raketentriebwerk vom Typ M26 gekoppelt. Dabei handelt es sich eigentlich um eine ausgemusterte Rakete aus US-Beständen. Bislang haben die US-Streitkräfte hohe Entsorgungskosten bezahlt, nun findet sich in Form der GLSDB eine Letztverwertung als Antrieb für die Gleitbombe.

Die Neuentwicklung an der Waffe ist eigentlich der sogenannte Zwischenstufenadapter, der die Komponenten aus Gleitbombe und Raketentriebwerk miteinander verbindet und die Waffe in den Gleitflug übergehen lässt, wenn der Raketentreibstoff aufgebraucht ist. Das hat wiederum den Vorteil, dass M26-Rakete noch in großer Menge vorhanden ist. Mehrere Hunderttausend Stück sollen sich noch in den US-Arsenalen befinden.

Abgefeuert wird die GLSDB aus einem Himars-Werfer. Dabei handelt es sich um ein Mehrfachraketenwerfersystem, das auf einem Lkw montiert ist. Dieses erwies sich in der Vergangenheit bereits als sehr effektiv, um russische Versorgungslinien und Nachschubdepots anzugreifen. Tatsächlich war der Einsatz von Himars derart erfolgreich, dass Russland die Zerstörung der ukrainischen Systeme zur Priorität erklärte.

Aber: Die mit Himars der Ukraine abgefeuerten Raketen (M31 bzw. M30A1) haben "nur" eine Reichweite von 80 Kilometern. Die GLSDB soll diese Einsatzfähigkeit der Ukraine nun beinahe verdoppeln und Angriffe in die Tiefe der russischen Nachschublinien möglich machen. Somit wäre die neue Waffe das weitreichendste Artilleriesystem im Arsenal der Ukraine.

Start per Himars

Die neuentwickelte Bombe aus zwei bestehenden Komponenten kann auch von den bestehenden Himars-Werfern aus abgefeuert werden, damit muss die ukrainische Armee keine neuen Systeme adaptieren. Alternativ dazu können die Gleitbomben aber auch von einem Werfer gestartet werden, der in einen Standard-Schiffscontainer passt. Das wiederum könnte der Ukraine neue Möglichkeiten eröffnen, billige Ablenkungsmaßnahmen zu setzen. Schließlich könnten die Verteidiger Frachtcontainer in großer Zahl aufstellen. Die russischen Angreifer müssten Mensch und Material riskieren, um möglicherweise leere und billige Container anzugreifen.

Noch ist unklar, wie viel ein Stück der GLSDB kosten wird. Die US-Streitkräfte geben die Kosten einer GBU-39 mit rund 40.000 US-Dollar pro Stück an. Zum Vergleich: Eine M31-Rakete, wie sie üblicherweise mit Himars gestartet wird, kostet etwa 500.000 Dollar.

Ein Himars bei einer Übung in Lettland.
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GLSDB hat noch einen Vorteil: Durch die Steuerungsfähigkeit der Bombe kann sie Kurven fliegen. So könnten etwa auch hinter Hügeln oder Gebäuden versteckte feindliche Stellungen angegriffen werden. Außerdem kann die Bombe ihr Ziel erst überfliegen, dann umkehren und es von hinten angreifen.

Die Bombe kann wahlweise über dem Boden gezündet werden, was sie beispielsweise gegen Truppen in einem Schützengraben effektiv macht. Alternativ dazu kann sie die Zündung verzögern, damit sie erst detoniert, wenn sie ein Bunkerdach durchschlagen hat.

Nach Angaben von Saab kann die Waffe so programmiert werden, dass sich die Bombe einem Ziel aus jeder Richtung und aus verschiedenen Winkeln nähert, was Abfangmaßnahmen zusätzlich erschwert. Gleichzeitig kann die Bombe so schlechter geschützte Bereiche des Ziels angreifen, wie die "Kyiv Post" berichtet.

Die Ukraine ist die erste Nation, die GLSDB einsetzen wird, denn die Bombe ist offiziell bei den US-Streitkräften noch nicht im Einsatz. Dennoch soll die Waffe einsatzfähig sein, wie aus Tests der US Army hervorgeht. (Peter Zellinger, 3.2.2024)