Beriev A-50 Schmel, Nato-Codename "Mainstay", über dem Roten Platz in Moskau. Eine dieser wertvollen Maschinen wurde von der Ukraine abgeschossen. Möglicherweise verfügt Russland nur noch über sieben derartige Aufklärungsflugzeuge.
AP Photo/Alexander Zemlianichenko

Am vergangenen Sonntag gegen 21.15 Uhr geschah auf den Radarsystemen der russischen Streitkräfte etwas Merkwürdiges: Eine A-50, ein Spionageflugzeug, verschwand einfach vom Radar über dem Asowschen Meer. Die Besatzung antwortete nicht mehr auf Funkanfragen. Später entdeckte der Pilot einer Su-30 der russischen Luftwaffe ein Feuer rund um das Wrack eines abgestürzten Flugzeugs genau in jenem Gebiet, in dem sich die A-50 befunden hatte. Die geht aus Funksprüchen der russischen Armee hervor, die von den Streitkräften der Ukraine abgefangen wurden, wie CNN berichtet.

Am nächsten Tag meldete die ukrainische Armee offiziell den Abschuss des russischen Aufklärungsflugzeugs. Täglich werden über der Ukraine Kampfflugzeuge und Hubschrauber abgeschossen, doch der Verlust einer A-50 ist für die russische Luftwaffe aus mehreren Gründen ein herber Rückschlag. Erstens gibt es nur wenige Exemplare dieses Flugzeugs. Zweitens ist die Ausbildung einer Besatzung enorm aufwendig. Drittens liegt es an der Art des Flugzeugs selbst: Die A-50 ist nämlich Russlands Auge am Himmel, das vermutlich von einer ukrainischen Patriot-Rakete getroffen wurde.

Bei der A-50 handelt es sich im Grunde um eine gewaltige fliegende Radaranlage und Kommandozentrale. Die Antenne am Rumpf, ein rotierender Teller mit neun Metern Durchmesser, verleiht diesem Flugzeug das charakteristische Aussehen.

Wer hat's erfunden?

Ähnliche Flugzeuge werden auch im Westen eingesetzt. Mehr noch, die russische A-50 ist so etwas wie das Gegenstück zur Boeing E-3 Sentry, man könnte sie auch eine Kopie nennen. Die russische Propagandaerzählung geht freilich anders: Die Russen haben das Design des Frühwarn- und Überwachungsflugzeuge ersonnen. Der Westen, vor allem die USA, hat es dann dreist kopiert und in die E-3 Sentry eingebaut, so lautete zumindest die Behauptung von Konstrukteur Vladimir Verba von der Vega-Gruppe in einem Propagandafilm auf Youtube. Die Vega-Gruppe ist für den Bau des Radars zuständig. Dass die USA dafür eine Zeitmaschine gebraucht hätten, lässt der Entwickler aus. Denn die westliche E-3 Sentry wurde 1977 in den Dienst gestellt. Ein Jahr bevor die A-50 überhaupt zum ersten Testflug abhob. Die beiden Flugzeuge sehen sich auch verdächtig ähnlich, selbst die Abmessungen der A-50 stimmen mit jenen der E-3 Sentry grob überein.

Aber zurück zur Technik und der Rolle der Berijew A-50. Sie ist ein sogenanntes Frühwarn- und Überwachungsflugzeug oder AEW&C, Airborne Early Warning and Control, in Nato-Sprache. Und weil diese Bezeichnung nicht gerade leicht von der Zunge rollt, hat sich der Oberbegriff "Awacs" (Airborne Early Warning and Control System) durchgesetzt.

Diese Flugzeuge spielen in der Luftaufklärung ihre entscheidende Rolle. Durch ihre außergewöhnlich starken Radaranlagen können sie Ziele erfassen, während das Flugzeug selbst außer Reichweite der feindlichen Fliegerabwehr bleibt.

Ein Gebiet von der Größe Finnlands im Blick

Dafür braucht es eine ganze Menge Technik, weshalb als Basis für Awacs auch meist große Linien- oder Frachtflugzeuge dienen. Denn auch die Besatzung braucht eine Menge Platz: Während ein Jagdflugzeug von einem Piloten kontrolliert wird, haben Awacs eine Besatzung von 15 bis 20 Personen, je nach Typ. Im Fall der russischen A-50 sind es 15 bis 16 Crewmitglieder. Neben der üblicherweise dreiköpfigen Flugmannschaft, arbeiten im Rumpf Radar- und Überwachungstechniker. Deren Aufgabe ist es, feindliche Fluggeräte aufzuspüren. Unter Idealbedingungen können 650 Kilometer weit entfernte Luftfahrzeuge erfasst werden.

Für Bodenziele sinkt die Aufklärungsreichweite naturgemäß ab: Im Fall des Vega-M-Radars der A-50 sind das theoretisch etwa 300 Kilometer. Dieses Radar soll laut russischen Angaben bis zu 150 Luftziele gleichzeitig verfolgen können, wobei im Tracking-Modus die Reichweite auf 240 Kilometer sinkt. Große Zielobjekte, wie Kriegsschiffe, können auf eine Distanz von 400 Kilometern verfolgt werden. Insgesamt kann eine einzige A-50 eine Fläche von 330.000 Quadratkilometern abdecken, was in etwa der Größe Finnlands entspricht. Wichtig dabei ist die sogenannte "Look Down"-Fähigkeit, was es den Flugzeugen ermöglicht, auch extrem kleine Tiefflieger wie Drohnen zu erfassen, die mit bodengestütztem Radar kaum zu orten sind.

In Russland trägt das Flugzeug den Namen "Schmel", was so viel wie "Hummel" bedeutet, sich aber auf das Radar bezieht. Als Codename für die A-50 hat sich in der Nato "Mainstay" etabliert.

Komfort ist Nebensache

Gleichzeitig kann die Crew zehn Kampfflugzeuge gleichzeitig koordinieren und etwa Abfangkurse berechnen. Ohne externe Unterstützung durch Tankflugzeuge kann die A-50 vier Stunden lang mit einer Reichweite von 1.000 Kilometern von der Heimatbasis aus operieren und das bei einem maximalen Startgewicht von 190 Tonnen. Während die westliche Vorlage, die Boeing E-3 Sentry auf einem Passagierflugzeug, nämlich der Boeing 707 basiert, setzen die Russen bei ihrer Konstruktion auf die Il-76, ein Frachtflugzeug aus der Sowjetunion der 1970er-Jahre.

Das dürfte sich auch im Komfort für die Besatzung bemerkbar machen. Dass die A-50 für Fracht entworfen wurde, sieht man ihr an. Jedenfalls müssen die Mitglieder der Besatzung dicke Jacken tragen, weil es offenbar keine ausreichende Heizung gibt, und auch der Lärm dürfte nicht unerheblich sein, was auf X, vormals Twitter, bereits für Diskussionsstoff sorgte. Auch das Interieur dürfte nicht mit dem westlichen Pendant konkurrieren können.

Das Cockpit einer Berijew A-50.
RT
Zum Vergleich: das Cockpit einer E3A Sentry der Nato.
AWACS.NATO

Wie immer sind die russischen Angaben über die Leistungsfähigkeit des Kriegsmaterials mit äußerster Vorsicht zu behandeln. So behauptete die russische Propaganda, man sei auch in der Lage, Stealth-Flugzeuge wie den amerikanischen B2-Bomber zu erfassen. Ob diese Behauptung eine Grundlage in der Realität hat, ist mindestens zweifelhaft, denn Belege existieren dafür nicht.

Die russischen Streitkräfte sollen im November 2023 damit begonnen haben, die A-50 zur Identifikation von Zielen für die Boden-Luft-Raketensysteme vom Typ SA-21 zu identifizieren. Das Flugzeug soll also auch die eigene Luftabwehr anleiten, wie der britische Geheimdienst berichtet. Das ist nicht ganz überraschend, denn die Mainstay kann gegnerische Flugzeuge auf größere Entfernungen ausmachen, als das bodengestützte Radar der SA-21. Durch die Flughöhe kann die A-50 nämlich besser um die Erdkrümmung "herumsehen". Das britische Verteidigungsministerium geht davon aus, dass Russland diese Integration beschleunigt hat, als bekannt wurde, dass die Ukraine F-16 Kampfjets aus dem Westen erhalten wird.

Ein peinlicher Verlust

Wie genau es der Ukraine gelungen ist, eine A-50 abzuschießen, ist unklar. Man werde sich auch nicht zu dem "Wie" äußern, gab die Sprecherin des Kommandos Süd, Oberst Nataliya Humenyuk, bekannt. Klar sei nur, dass gleichzeitig auch eine Il-22, eine fliegender Kommandoposten, getroffen wurde. Das ist umso erstaunlicher, sollte die A-50 anfliegende Raketen eigentlich frühzeitig erkennen. Gleichzeitig verfügt die Maschine über Verteidigungsmaßnahmen wie Störgeräte, Düppel- und Täuschkörperwerfer. Wie all diese Systeme gleichzeitig versagen konnten, ist unklar. Fix ist jedoch, dass der Verlust einer A-50 für die russischen Luftstreitkräfte ein "operativ höchst bedeutsamer und peinlicher" ist, wie Justin Bronk, Luftfahrtspezialist des britischen Thinktanks Royal United Services Institute, gegenüber der BBC erklärt.

Wie viele A-50 die russische Luftwaffe noch hat, ist aktuell unklar. Bereits im Vorjahr wurde ein A-50 auf einem Flugplatz in Belarus von einer ukrainischen Drohne getroffen worden. Ob diese Maschine wieder einsatzfähig gemacht werden konnte, ist aktuell nicht bekannt. Es sei also durchaus möglich, dass die russische Armee nur noch über sieben Mainstays verfügt, wie der ehemalige Nato-General Erhard Bühler gegenüber dem MDR erklärte. Der Wert einer A-50 wird auf rund 330 Millionen US-Dollar geschätzt. Viel schmerzlicher für Russland dürfte aber der Verlust der 15-köpfigen Besatzung sein, denn die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten ist enorm zeitaufwendig und dauert mitunter Jahre, wie russische Quellen anmerken. (Peter Zellinger, 18.1.2024)