Die selbstgebauten Dachkonstruktionen auf russischen Kampfpanzern wurden wegen ihrer kruden Machart im Westen schnell zum Meme. Nun gehören die sogenannten Cope-Cages offenbar zur Standardausrüstung russischer Kampffahrzeuge, wie die Waffenausstellung "Army-2023" in Kubinka nahe Moskau beweist.
Russlands staatlicher Waffenhändler Rosoboronexport stellt auf dem "internationalen militärtechnischen Forum" Waffensysteme vor, die bereits kampferprobt seien, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass betont. "Die russischen Waffen, die auf dem Armeeforum ausgestellt werden, haben sich im Einsatz auf dem Schlachtfeld bewährt. Sie haben bewiesen, dass sie einfach zu bedienen und gleichzeitig sehr effektiv gegen die hochmoderne Hardware unserer westlichen Konkurrenten sind", wird der CEO von Rosoboronexport, Alexander Mikheyev, zitiert. Auf der Gästeliste befinden sich angeblich 49 ausländische Delegationen. Gezeigt werden sollen modernisierte Systeme, die sich im Ukrainekrieg bewährt hätten, so die Agentur, die natürlich von einer "militärischen Sonderoperation" spricht.
Zu sehen waren am ersten Tage vor allem Restbestände aus Sowjetzeiten, die eingangs erwähnten Vogelkäfige und jede Menge Propaganda.
Anti-Drohnen-Käfig
Die Cope-Cages sind zweifelsohne das auffälligste Merkmal der russischen Kampffahrzeuge. Zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine wurden diese von den Mannschaften selbst auf ihren Panzern angebracht und waren meist aus Dachlatten, Wellblech, Holz oder Lattenrosten von Betten gebaut. Diese improvisierte Dachpanzerung gehört nun zur Standardausrüstung der russischen Fahrzeuge und sollen wohl die Exporte an ausländische Kundschaft ankurbeln.
So wurden die Kampfpanzer des Typs T-72, T-80 und T-90 mit deutlich robusteren Schutzkäfigen ausgestattet. Diese sollen dem Fahrzeug und seiner Besatzung Schutz vor von Drohnen abgeworfenen Granaten, Loitering Munitions und Kamikaze-Drohnen bieten. Den ukrainischen Streitkräften gelingt es sehr erfolgreich, feindliche Panzer mit einfachen Mörsergranaten auszuschalten, die von Drohnen in die Luken von Kampffahrzeugen fallen gelassen werden. Dazu kommt, dass Panzerfahrzeuge aus Gewichtsgründen auf ihrer Oberseite weniger stark geschützt sind als an der Front.
Zudem dürfte man sich in Russland auch einen gewissen Schutz gegen Panzerabwehrlenkwaffen erhoffen. Diese fliegen meist über das Ziel, um die schwächer gepanzerte Oberseite anzugreifen. Dass die Panzerkäfige aber einen effektiven Schutz gegen spezialisierte westliche Abwehrwaffen bieten, darf angezweifelt werden.
Die "Wände" des Käfigs können auch mit einem hängenden Netz bedeckt werden, um Angriffe auf die Seiten des Turms abzuwehren. Das gleiche Netz befindet sich zwischen Turm und Wanne, um das Eindringen von Drohnen in diesen potenziell gefährdeten Bereich zu verhindern.
Alles mit Fliegerabwehr
Drohnen, vor allem Modelle, die aus der Egoperspektive mit einer Brille gesteuert werden, gelten als besonders effektiv und schwer abzuwehren, weshalb die russischen Hersteller auf der Army-2023 auch gerne ihre Fahrzeuge mit der ZU-23-2-Fliegerabwehrkanone ausstatten.
Die 23-mm-Zwillings-Kanone aus den 60er-Jahren wird gegen tieffliegende Ziele eingesetzt und soll vor allem der Drohnenabwehr dienen. Auf der Ausstellung sind selbst MT-LB-Zugfahrzeuge aus den 50er-Jahren und Lastkraftwagen mit ZU-23-2-Kanonen ausgestattet worden.
"Mad Max"-Fahrzeug
Auch die russischen Tigr-M-Geländewagen erhielten offenbar ein Upgrade. Der Tigr-M wurde vor allem zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine eingesetzt, als die russischen Streitkräfte nur mit geringem Widerstand der Ukrainer gerechnet haben. Die Geländewagen wurden zu Hunderten zerstört.
Im Rahmen der Messe präsentierte Hersteller GAZ eine Variante mit zusätzlich angeschraubter Zusatzpanzerung, die laut dem US-Analysten und Ex-Militär Rob Lee bereits vom Verteidigungsministerium Russlands bestellt wurde. Vermarktet wird die Variante des Tigr-M wegen seines Aussehens als Modell "Mad Max", in Anlehnung an die Endzeit-Filme der 80er-Jahre mit Mel Gibson.
61 Jahre alter Panzer
Auf der Waffenmesse waren auch mehrere offenbar modernisierte Exemplare des T-62 zu sehen. Dieser sowjetische Panzer wurde Anfang der 1960er-Jahre produziert und war nur als Übergangslösung gedacht, bis der modernere T-64 in ausreichender Stückzahl vorhanden war.
Die verbliebenen und noch einsatzbereiten T-62 wurde von den russischen Streitkräften bislang wenig erfolgreich im Ukrainekrieg eingesetzt. Mindestens 72 der Fahrzeuge wurden im Zuge der Kampfhandlungen laut Recherchen der Beobachter von Oryx zerstört oder von den Angreifern zurückgelassen. Erbeutete T-62 sind selbst für die Ukrainer in der Standardkonfiguration nahezu unbrauchbar, da sie veraltete Munition im Kaliber 115 Millimeter verschießen, die außerhalb Russlands kaum noch zu bekommen ist. Deshalb werden die T-62 von den Ukrainern auch zu Mannschaftstransportern oder Unterstützungsfahrzeugen umgebaut. Die Produktion des T-62 wurde 1975 endgültig eingestellt.
Zweifel am T-14 Armata bleiben
Auch Russlands angeblich leistungsfähigster Panzer, der T-14 Armata, wurde auf der Army-2023 ausgestellt. Der angebliche Wunderpanzer soll laut russischen Angaben in der Ukraine im Gefecht erprobt worden sein. Laut Angaben des britischen Verteidigungsministeriums dürften die Panzer aber in einem derart schlechten Zustand gewesen sein, dass die eigenen Truppen zögerten, das unerprobte Fahrzeug einzusetzen. Wie die Agentur Tass später berichtete, wurden die Fahrzeuge nach der "Erprobung" aber wieder abgezogen.
Westliche Beobachter gehen davon aus, dass der T-14 Armata nur aus Propagandazwecken an die Front geschickt wurde. Tatsächlich dürfte nur eine geringe zweistellige Zahl von Armata-Panzern je gebaut worden sein. Seitdem die westlichen Sanktionen greifen, soll Russland vor allem vom Nachschub an modernen Optiken abgeschnitten worden sein, die für ein modernes Fahrzeug wie den T-14 allerdings unbedingt nötig sind. (Peter Zellinger, 15.8.2023)