Ein beschädigter T-62 in der Südukraine.
Ein von der russischen Armee zurückgelassener T-62.
APA/AFP/DIMITAR DILKOFF

Die Ukrainer zögern naturgemäß kaum, erbeutete russische Ausrüstung einzusetzen. Vor allem bei Panzerfahrzeugen ist das der Fall. Oft werden zwar verlassene Fahrzeuge mithilfe von Drohnen gesprengt, um eine Bergung durch die Russen zu verhindern, aber die Ukrainer erbeuten auch Panzerfahrzeuge in großer Zahl – der Zählung des Beobachters von Oryx zufolge 541 Stück, wobei die tatsächliche Zahl höher sein dürfte.

Üblicherweise reinigen die Ukrainer die Innenräume der Panzer von den sterblichen Überresten ihrer vormaligen Besatzung, so die Kampffahrzeuge nicht verlassen wurden, übermalen die "Z"- und "V"-Symbole mit eigenen Markierungen, tauschen die russischen Funkgeräte gegen ukrainische Modelle aus und schicken die Fahrzeuge zurück in den Kampf. Aber: Die von Russland eingesetzten alten T-62-Panzer aus den 1960er-Jahren sind für die ukrainischen Verteidiger nahezu unbrauchbar. 

Es ist nicht so, dass man sich in der Ukraine vor dem Einsatz alter Panzer scheut. Mit Freude nahm man 28 M-55S aus Slowenien entgegen. Dabei handelt es sich um kampfwertgesteigerte, sprich modernisierte Modelle alter sowjetischer T-55 aus den frühen 1950er-Jahren. Aber: Der M-55S verfügt über eine moderne Kanone, die 105-Millimeter-Munition nach Nato-Standard verschießt. Der T-62 hingegen verfügt über eine veraltete 115-Millimeter-Kanone. Damit wird Munition verschossen, die außerhalb Russlands selten ist. Moderneres russisches Gerät verwendet üblicherweise 125-Millimeter-Munition. 

Günstiger als ein Tesla-Model-3

Kurz: Den T-62 einzusetzen ist für die Ukrainer logistisch schwierig. Daher haben die Verteidiger nun damit begonnen, die erbeuteten T-62 zu Pionierfahrzeugen und Mannschaftstransportern umzubauen. Sie beginnen damit, die Türme der alten Panzer zu entfernen und die Hauptgeschütze auszubauen. Der neueste dieser "Frankensteins" vom Typ T-62 ist ein gepanzerter Mannschaftstransporter, den Ingenieure für die Asow-Brigade, eine Einheit der Nationalgarde im Osten der Ukraine, umbauen.

Die Serhiy Prytula Charity Foundation in Kiew, hat bereits frühere Umbauten von T-62 übernommen und trägt jetzt auch die Kosten für den neuen alten Schützenpanzer. Frühere Umrüstungen kosteten rund 40.000 Dollar pro Stück (rund 36.000 Euro). Die Serhiy Prytula Charity Foundation finanziert auch ein T-62-Pionierfahrzeug für die Asow-Brigade. Damit sind derartige Fahrzeuge günstiger als ein Tesla-Model-3.

Wenn man den acht Tonnen schweren Turm und die 2A20-Kanone eines T-62 entfernt, bleibt eine 33 Tonnen schwere Wanne mit einem 580-PS-Dieselmotor zurück – und eine Menge leerer Platz, wo sich früher der Turmkorb befand. Diese Wanne bietet Platz für zwei Besatzungsmitglieder und mehrere Infanteristen. Die Ukrainer fügen Lafetten für Maschinengewehre hinzu, und fertig ist ein, wenn auch improvisierter, gepanzerter Truppentransporter.

Der Frankenstein-Panzer

Die 100-Millimeter-Stahlpanzerung des T-62 ist nach den Maßstäben moderner Panzer nicht mehr konkurrenzfähig, aber sie ist immer noch deutlich dicker als die von älteren westlichen Transportern wie dem von der Ukraine eingesetzten M113 aus US-Fertigung.

Der T-62 dient auch als Basis des BMPT-62-Kampffahrzeugs, wie "Forbes" berichtet. Dieses hat die Serhiy Prytula Charity Foundation für die 128. Mountain Brigade der ukrainischen Armee hergestellt. Dabei handelt es sich um einen T-62, der mit dem Turm eines BMP-2 ausgestattet wurde. Damit verfügt das Fahrzeug über eine 30-Millimeter-Bordkanone – Waffen, die in der Ukraine aktuell massenhaft verfügbar sind. Um sich über ein ähnliches Fahrzeug im Arsenal der russischen Streitkräfte auf Basis des moderneren T-72 lustig zu machen, stahl man nicht nur den Panzer, sondern auch den Namen von den Russen: Terminator. (pez, 28.6.2023)