In den vergangenen Monaten bereiteten einige Imame der Islamischen Glaubensgemeinschaft Kopfzerbrechen. (Archivbild einer davon unabhängigen Wiener Moschee)
IGGÖ

Mohamed El S. haute am Mittwochabend zu später Stunde noch besonders eifrig in die Tasten. Der Imam einer Meidlinger Moschee, die vor allem von Ägyptern besucht werden dürfte, wollte ganz offensichtlich keine Zeit verlieren – und vor allem Spuren verwischen. Zuvor berichtete das Boulevardblatt "Österreich" nämlich über die Facebook-Einträge des Predigers, in denen es am 5. Jänner unter anderem heißt: "Mord fließt in ihren Adern. Das sind die Juden. Ein abscheuliches Volk, Verbrecher, Blutvergießer. (...) Sie verstehen nur die Sprache von Blut und Mord."

Nur wenige Stunden nach Erscheinen des Artikels war die antisemitische Passage aus dem Beitrag plötzlich verschwunden. Was Mohamed El S. allerdings nicht wissen dürfte: Der Bearbeitungsverlauf seiner Facebook-Beiträge lässt sich ganz einfach nachvollziehen. Also auch, dass er jene Zeilen um 20.20 Uhr und zwei Minuten später noch einmal bearbeitet hatte. Alles bloß ein Zufall? Keineswegs. Sie wurden vom STANDARD rekonstruiert.

"Vernichte sie und lasse niemanden übrig"

Selbiges passierte demnach mit dieser Stelle aus einem Facebook-Posting vom 9. Jänner: "Oh Allah, bitte bestrafe die kriminellen und übergriffigen Zionisten und diejenigen, die sie unterstützen, zerstreue sie, oh Allah, vernichte sie und lasse niemanden übrig."

Wenige Tage später bezieht sich der Imam noch deutlicher auf den Nahostkonflikt: "Oh Allah, besiege die Juden und unterstütze die Mujaheddin, die für Allah in Palästina kämpfen." Auch ist die Rede davon, dass Gaza und Palästina zu einem "Friedhof für die Juden" werden soll. Die besagten Passagen, die allesamt auf Arabisch verfasst wurden, ließ DER STANDARD von mehreren Personen unabhängig voneinander übersetzen.

Mohamed El S. ist übrigens nicht nur Imam in einer Meidlinger Moschee, sondern auch Obmann des dazugehörigen Vereins des Gebetshauses am Schöpfwerk. Das belegt der aktuellste Vereinsregisterauszug. Mohamed El S., offiziell bis Oktober 2026 mit der Führung betraut, hat also die Zügel fest in der Hand.

IGGÖ zitiert Imam zu sich

Die Moschee ist selbst vielen Szenekundigen kein Begriff. Die wenigen Insider, die sie kennen, stufen sie allerdings als problematisch ein. Dort herrsche ein rigides Verständnis des Islam vor, wird erzählt. Deshalb solle sie schon vor Jahren in den Fokus des Staatsschutzes geraten sein.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) ist bereits alarmiert. Die Moschee befinde seit 2016 unter dem Dach der IGGÖ und sei Teil der Arabischen Kultusgemeinde, die Türkis-Blau vor einigen Jahren auflösen wollte – sich daran aber rechtlich die Zähne ausgebissen hatte. Die Glaubensgemeinschaft nehme die nunmehrigen Vorwürfe jedenfalls "sehr ernst", wie eine Sprecherin dem STANDARD ausrichtete.

Unmittelbar nach dem Aufkommen der Causa will die IGGÖ deshalb schon Kontakt mit Mohamed El S. aufgenommen haben. Der soll sich allerdings derzeit im Ausland aufhalten, "wurde aber bereits eingeladen, sich nach seiner Rückkehr zu einem Termin einzufinden, um zu den vorgebrachten Vorwürfen Stellung zu beziehen". Und weiter: "Obwohl die Äußerungen nicht im Rahmen des Moscheebetriebs gemacht wurden, bleibt Herr S. dennoch für sein Verhalten in den sozialen Medien verantwortlich."

Auch DER STANDARD versuchte Mohamed El S. zu erreichen. Bis Redaktionsschluss ließ der Imam aber eine Anfrage unbeantwortet.

Oskar Deutsch mahnte mit besonders scharfen Worten Konsequenzen ein. "Die Sicherheitsbehörden müssen alles daran setzen, dass von diesem Imam und seinem Umfeld keine Gefährdung ausgeht", sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde zu "Österreich". "Sollte der Mann kein österreichischer Staatsbürger sein, ist eine Ausweisung angesagt."

Laut APA-Informationen prüfen die Sicherheitsbehörden den Fall derzeit. Und auch das Kultusministerium hat gegen den Imam Ermittlungen im Rahmen des Islamgesetzes eingeleitet. Demgemäß seien nämlich Funktionsträger abzuberufen, wenn diese "durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden", hieß es in einer Stellungnahme aus dem Büro von Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP). Sofern sich die Aussagen des Imam bestätigen, stünden diese eindeutig im Widerspruch zum Islamgesetz.

Innerhalb kürzester Zeit macht der IGGÖ eine ihrer Moscheen schon wieder Probleme. Erst vergangene Woche war die Glaubensgemeinschaft gezwungen, die Tewhid-Moschee als offizielles Gebetshaus aufzulösen. Dort hielt man offenbar an einem berüchtigten bosnischen Prediger fest, der früher mit Antisemitismus aufgefallen war, wie DER STANDARD und Puls 24 aufgedeckt hatten – wenn auch in anderer Position. Auffällig verhielt sich in der Vergangenheit auch der Imam einer Moschee im zweiten Bezirk. In einer seiner Predigten soll er etwa von "verfluchten Zionisten" gesprochen und die Hamas-Terroristen als "unsere Brüder" bezeichnet haben. (Jan Michael Marchart, 8.2.2024)