Was ist österreichische Leitkultur? Wenn am "Ball der Bälle", dem Opernball, Richard Lugner, der "Gastronom Martin Ho" und der "schillernde Designer Harald Glööckler" zur Prominenz gerechnet werden?

Ernsthaft: Bundeskanzler Karl Nehammer hat Ministerin Susanne Raab beauftragt, die Leitkultur auszuformulieren und gesetzlich abzusichern (!). Ein paar Klassiker für Frau Raab: "Ich hab immer alles durchschaut … auch a Regierungsmitglied, wann i mir’s so anschau … der is aa net anders wie i. Und i kenn mi. So san de alle." (Der Herr Karl, 1962)

Integrationsministerin Susanne Raab
Bundeskanzler Karl Nehammer hat die Leitkultur wieder zum politischen Thema gemacht. Integrationsministerin Susanne Raab soll ein Konzept dafür entwickeln.
APA/MAX SLOVENCIK

Leitkultur ist die österreichische Abneigung gegen Wissenschaft, die Angst vor dem Fremden und eine breite Politikverachtung, die mehr und mehr in eine Demokratieverachtung abrutscht.

Leitkultur ist "der Österreicher als 'der Schwierige', als 'der Gespaltene', 'der Zerrissene'" (Friedrich Heer, 1981). Leitkultur ist auch das, was der Psychiater Erwin Ringel in seiner Neuen Rede über Österreich (1983) als "Verdrängungsgesellschaft" bezeichnete.

Die Österreicher hätten ein "helles, freundliches Zimmer", und ein anderes: "abgedunkelt, finster, verriegelt, unzugänglich, völlig unergründlich". Ringel erwartete sich "Hoffnung für die Zukunft" von der Jugend, den Künstlern und ("mit Fragezeichen") von der Kirche. Er schloss mit einem Paradoxon:

"Je unwahrscheinlicher es ist, desto größere Hoffnung habe ich." (Hans Rauscher, 8.2.2024)