Ludwig Zeremonie
Wien inszeniert die erfolgte Verleihung der Staatsbürgerschaft mit einem festlichen Empfang im Rathaus. Für Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) eine willkommene Gelegenheit, sich jährlich mit freudigen Neo-Österreichern ablichten zu lassen. Die Art der Feier unterscheidet sich je nach Bundesland.
PID Stadt Wien/Jobst

In einer langen Reihe stehen sie nebeneinander und heben ihre rechte Hand in die Höhe, um die Worte des Richters getreulich nachzusprechen. Noch sind sie keine Bürgerinnen und Bürger ihrer neuen Heimat, obwohl sie den Einbürgerungstest bestanden, ihre Gebühren bezahlt und alle nötigen Dokumente eingereicht haben. Zuvor müssen sie noch gemeinsam mit lauter Stimme allen ausländischen Herrschern entsagen und bekunden, dass sie der Verfassung und den Gesetzen loyal ergeben sein werden, ihr Land gegen alle Feinde verteidigen würden – und das nötigenfalls auch in den Diensten der nationalen Streitkräfte. Erst wenn dieser Eid geschworen ist, der mit den umstrittenen Worten "So help me God" endet, bekommen die Einwanderer die ersehnte Urkunde.

So verläuft die Zeremonie, mit der die Vereinigten Staaten ihre Staatsbürgerschaft verleihen. Und vielleicht geht es ja auch in Österreich bald in diese Richtung, jedenfalls haben die Neos eine politische Debatte zum Thema angestoßen. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagte am Montag im Interview mit dem Gratisblatt "Heute", dass die Staatsbürgerschaft "noch wesentlich klarer mit einem Bekenntnis zu unserer Verfassung, unseren demokratischen Institutionen und den in der Verfassung verankerten Grundrechten und -werten verknüpft sein" müsse. Was ihr vorschwebt: "Eine feierliche Verleihung mit einem Treueschwur, wie er in den Vereinigten Staaten geleistet werden muss", um die "patriotische Bedeutung dieses Bekenntnisses" zu unterstreichen.

Ein gefundenes Fressen für FPÖ-Chef Herbert Kickl: Als "Treppenwitz der Geschichte" bezeichnet dieser es, "dass gerade jene Partei, die Österreich am liebsten in ein Mitgliedsland der Vereinigten Staaten von Europa verwandeln und damit zu einem Filialbetrieb der EU degradieren will, jetzt einen Treueschwur auf Österreich einfordert". Und: "Eigentlich müsste man von Frau Meinl-Reisinger einen Treueschwur auf die österreichische Verfassung einfordern." Nationalratsabgeordnete müssen allerdings ohnehin bereits jetzt im Rahmen ihrer Angelobung der Republik Österreich "unverbrüchliche Treue" und die "volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze" geloben.

 Hymne soll gesungen werden

Und auch für neue Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ist ein offizielles Bekenntnis zur Verfassung bei näherer Betrachtung hierzulande nichts Neues. Nicht nur, dass beim Staatsbürgerschaftstest Fragen über die demokratische Ordnung der Republik abgeprüft werden. Das geltende Staatsbürgerschaftsgesetz schreibt in Paragraf 21 zudem den genauen Wortlaut eines Gelöbnisses vor, das Neo-Österreicher im Rahmen des Einbürgerungsprozederes vor einer Behörde ablegen müssen:

Auch der von Meinl-Reisinger angeregte zeremonielle Charakter des Bekenntnisses steht schon jetzt im Gesetz. Demnach hat die "Verleihung der Staatsbürgerschaft in einem diesem Anlass angemessenen, feierlichen Rahmen zu erfolgen, dem durch das gemeinsame Absingen der Bundeshymne und das sichtbare Vorhandensein der Fahnen der Republik Österreich, des jeweiligen Bundeslandes und der Europäischen Union Ausdruck verliehen wird."

"Besenkammerl", Büros und Umtrunk

Laufen die Neos-Forderungen also ins Leere, weil sie in der Realität ohnehin längst erfüllt sind? Auf STANDARD-Anfrage erklärt die Partei, dass der praktische Umgang mit dem Gesetz in manchen Bundesländern mitunter alles andere als feierlich sei: "Leider wird das Gelöbnis oft noch im Besenkammerl abgelegt." Die Hauptstadt Wien, wo die Pinken als Juniorpartner mit der SPÖ regieren, gehe hingegen mit gutem Beispiel voran, zumal dort das Gelöbnis in einem speziellen Gelöbnisraum der zuständigen Magistratsbehörde MA 35 stattfinde. Die Stadt lädt zusätzlich zu einem jährlichen Empfang, bei dem der Bürgermeister die neu Eingebürgerten im Festsaal feierlich beglückwünscht und deren Rechte und Pflichten anspricht. "Die Menschen sollen zu Recht Stolz empfinden dürfen", sagen die Neos dazu.

Die pinke Geschichte vom "Besenkammerl" ist zwar polemisch überspitzt, tatsächlich wird der Begriff "feierlich" aber offenbar verschieden ausgelegt. Im ÖVP-geführten Salzburg wird die Staatsbürgerschaft typischerweise "in den Büroräumen der Behörde Wahlen und Staatsbürgerschaft" verliehen, wie das Land auf Anfrage mitteilt. Nur "in manchen Ausnahmefällen" verleihe Landeshauptmann Wilfried Haslauer höchstselbst die Staatsbürgerschaft, zuletzt etwa 2020 an den Prälaten Johann Reißmeier, der seit Jahrzehnten in der Erzdiözese tätig ist. Große Empfänge für Neo-Österreicher in festlichem Ambiente würden schon länger nicht mehr veranstaltet, das letzte Mal habe es das 2016 in der Neuen Residenz gegeben.

Das Land Vorarlberg bekennt sich hingegen zu einem "sehr feierlichen Rahmen". Die Staatsbürgerschaft werde bei einem Festakt im Montfortsaal des Landhauses Bregenz verliehen, und zwar "umrahmt von einem Ensemble der Polizeimusik beziehungsweise Militärmusik", die beim Absingen der Bundeshymne "für eine festliche musikalische Begleitung sorgt". Die Verleihungsbescheide werden laut dem Land derzeit im Regelfall von Integrationslandesrat Christian Gantner (ÖVP) überreicht, danach folge ein "kleiner Umtrunk", bei dem sich die Neo-Österreicher – von denen in Vorarlberg übrigens festlich angemessene Kleidung erwartet wird – mit dem Landesrat im Foyer des Landhauses austauschen können.

Konzept zur "Leitkultur"

Für jene, die sich nicht zu Werten und Verfassung bekennen wollen, schweben den Neos, die zuletzt schärfere Töne in Migrationsfragen eingeschlagen haben, übrigens Konsequenzen etwa in Form von Sozialleistungskürzungen vor. Damit rennen die Pinken offene Türen bei der ÖVP ein. Auch Integrationsministerin Susanne Raab, die von Bundeskanzler Karl Nehammer mit der Ausarbeitung eines Konzepts zur "österreichischen Leitkultur" betraut wurde, kann sich derartige Sanktionen vorstellen.

Die Etablierung einer solchen Leitkultur ist Teil des "Österreich-Plans", den Nehammer Ende Jänner in Wels vorgestellt hatte. In diesem steht im Kapitel "Integration heißt Anpassung", dass eine österreichische Leitkultur auch "nationales Kulturgut gesetzlich widerspiegeln soll". Damit solle "sichergestellt werden, dass Symbole und Verhaltensweisen, die unseren Grundwerten entgegenstehen, rechtlich differenziert behandelt werden können". Nähere Details sind darin nicht zu finden.

Auf STANDARD-Anfrage skizziert Raab, was sich die Volkspartei unter einer "österreichischen Leitkultur" vorstellt. Einerseits gehe es "um das verfassungsrechtliche Fundament des Zusammenlebens wie die Gleichstellung von Mann und Frau, Meinungsfreiheit oder die Bedeutung unserer Demokratie", darüber hinaus gehe es auch "um gesellschaftliche Traditionen, österreichisches Brauchtum und unsere vielfältige Kultur, die wir gemeinsam für die Zukunft erhalten wollen". Eine solche Leitkultur sei deshalb wichtig, um "Menschen, die aus völlig anderen Kulturkreisen kommen", sagen zu können, "was wir von ihnen erwarten und was für uns wichtig ist".

Einem Treueschwur im Rahmen der Verleihung von Staatsbürgerschaften kann Raab ebenfalls etwas abgewinnen. Ein solcher könne Teil ihres Konzepts zur Leitkultur sein, wobei die Ministerin ergänzt: "Es braucht mehr, um die Leitkultur zu definieren."

Sie wolle nun "in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten sowie unter Einbindung der Bevölkerung" an einem "Wertefundament arbeiten und in einem weiteren Schritt definieren, wo und wie das am besten zu verankern ist, damit es Breite und Verbindlichkeit erlangt". Auf einen konkreten Zeitplan will sich die Ministerin allerdings nicht festlegen.

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) will ein Konzept zur "österreichischen Leitkultur" ausarbeiten.
APA/EVA MANHART

Schärfere Regeln für Einbürgerungen

Apropos Werte: Steiermarks Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) – auch er hat in diesem Jahr eine Wahl zu schlagen – kann sich in diesem Zusammenhang vorstellen, dass Menschen, die österreichische Staatsbürger werden wollen, "beweisen" müssen, "dass sie unseren Wertekanon internalisiert und nicht nur einen Multiple-Choice-Test abgelegt haben". In der "ZiB 2" meinte er am Dienstag, dass man "eine Glaubhaftmachung, ein Bekenntnis zur Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau durchaus verlangen" könne.

Drexler machte sich zudem wie schon im November des Vorjahres für eine Verschärfung des hierzulande ohnehin sehr restriktiven Staatsbürgerschaftsrechts stark. Geht es nach ihm, soll die 2013 von der rot-schwarzen Koalition eingeführte Option, die Staatsbürgerschaft bereits nach sechs statt nach zehn Jahren zu erhalten, wieder fallen. Das sei ihm deswegen ein Anliegen, "weil ich glaube, dass die Staatsbürgerschaft so etwa wie der Abschluss einer gelungenen Integration sein sollte", sagte er. Schließlich müsse man bei Menschen, die österreichische Staatsbürger werden wollen, "ganz sichergehen können, dass sie unsere Werte, dass sie unsere Hausordnung verstanden haben". Dieselbe Forderung kam zuletzt auch aus Niederösterreich: Eine Einbürgerung nach sechs Jahren soll es künftig nicht mehr geben, die Verleihung der Staatsbürgerschaft soll generell erst nach frühestens zehn Jahren möglich sein, verlangte die niederösterreichische Volkspartei.

Im "Österreich-Plan" des Kanzlers ist zu Verschärfungen allerdings nichts zu finden. Im Kapitel "Rot-Weiß-Rot Act" heißt es lediglich, dass es mit der ÖVP keine "Aufweichung" bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft geben werde. (Theo Anders, Sandra Schieder, Mitarbeit: Lara Hagen, Stefanie Ruep, 7.2.2024)