Danielle Brooks hat als Sofia (Mi.) die einzige Oscar-Nominierung für
Danielle Brooks hat als Sofia (Mi.) die einzige Oscar-Nominierung für "Die Farbe Lila" bekommen. Schade, denn das Musical versöhnt Alice Walkers Roman mit schwarzer Musikkultur.
Warner Bros.

Im Jahr 1986 kam es bei den Oscars zu einem Eklat. Steven Spielbergs Alice-Walker-Adaption Die Farbe Lila ging, trotz elf Nominierungen, leer aus. Der Gewinner des Abends war ironischerweise die Kolonisatorenromanze Jenseits von Afrika mit Meryl Streep, Robert Redford und Klaus Maria Brandauer.

Das war dann doch zu viel für Koproduzent und Filmmusikkomponist Quincy Jones. Darauf angesprochen, sagte er schlicht: "That’s the way it is" (So ist es nun einmal) – und nicht wenige meinten darin die historisch gewachsene Resignation ablesen zu können, die Afroamerikaner angesichts ihrer Repräsentation in Hollywood empfinden.

Kontroverse um die Männerrollen

Dass diese in Bezug auf schwarze Männer im feministischen Film Die Farbe Lila nicht besonders vorteilhaft ist, führte auch zu enormen Gegenreaktionen innerhalb der afroamerikanischen Community, als der Film 1985 in die Kinos kam. Die Coalition Against Blaxploitation sah in den gewalttätigen Männerfiguren das Stereotyp des "bösen schwarzen Mannes" auf die Spitze getrieben.

Viele Afroamerikanerinnen identifizierten sich mit den facettenreichen Frauenfiguren: mit der unsicheren Celie (das herausragende Filmdebüt von Whoopi Goldberg), der toughen Sofia und der begehrten Bluessängerin Shug Avery. Die drei bildeten in Spielbergs Die Farbe Lila eine Schwesternschaft gegen männliche Gewalt.

"Die Farbe Lila" anno 1985
Warner Bros. Entertainment

Nun sind Celie, Sofia und Shug wieder auf der großen Leinwand vereint, und zwar in einem vom Broadway entlehnten Filmmusical, das auf die Unterstützung alter Freunde zählen konnte: Steven Spielberg und Oprah Winfrey produzieren, Whoopie Goldberg ist in einem winzigen Cameo-Auftritt zu sehen.

Comeback als Musical

Dass man hierfür heutzutage keinen weißen Regisseur beauftragen kann, ist klar. Die Regie fiel also dem ghanaischen Musiker und Künstler Blitz Bazawule zu. Mit seinem Debüt, dem afrofuturistischen Fantasy-Drama The Burial of Kojo, machte er filmisch auf sich aufmerksam, und schon bald klopfte Beyoncé beim Multimediakünstler an und ließ sich von Bazawule ihren Musikfilm Black Is King inszenieren.

Der Mann ist also die richtige Wahl für ein Musical – ein Genre, das derzeit mit Wonka, Mean Girls (und Barbie) erfreulicherweise ein Comeback feiert. Er hat außerdem ein Händchen für am Afrofuturismus angelehnte Black-Pride-Momente als auch für mitreißende Musicalnummern – einzig die leiseren Töne fallen ihm schwer.

Leid und Freude

Beschwingt, nahezu ekstatisch taucht Die Farbe Lila so in seine Filmwelt, ins Georgia um 1900, ein und kümmert sich erst einmal gar nicht so sehr darum, dass das Mädchen Celie bereits zum zweiten Mal von ihrem eigenen Vater (der sich am Ende als Stiefvater herausstellt) schwanger ist.

Warner Bros. Pictures

Die Kluft zwischen der gezwitscherten Schwesternfreude von Celie und Nettie und ihrer von Missbrauch gezeichneter Realität ist tief. Doch dann holt Bazawule sein wippendes Publikum wieder zurück auf den harten Boden des Dramas: Celie wird das Kind abgenommen, und der Vater verkauft sie für ein paar Eier an den bedrohlichen Farmer "Mister". Namentlich als Ehefrau, eigentlich aber als schlechtere Küchenmagd.

Der Kuss

Mister, gespielt vom für das Bürgerrechtler-Biopic Rustin nominierten Colman Domingo, beginnt bald, Celie zu missbrauchen und zu isolieren. Die Jahre ziehen ins Land, Celie wird nun kongenial vom Broadway-Star Fantasia Barrino verkörpert, das Elend bleibt dennoch. Bis Misters Sohn Harpo seine neue Braut mitbringt, die resche Sofia, die sich von niemandem etwas sagen – und schon gar nicht schlagen – lässt.

Shug Avery (toll: Taraji P. Henson ) liebt den großen Auftritt.
Shug Avery (toll: Taraji P. Henson ) liebt den großen Auftritt.
Warner Bros.

Als die Bluessängerin Shug Avery in die Stadt kommt, natürlich begleitet von einem jauchzenden Freudensong, befreit sich Celie aus ihrer Rolle in Misters Haus und gewinnt nicht nur an Selbstbewusstsein, sondern verliebt sich auch in Shug – ein Gefühl, das in einem vom Revuefilm inspirierten Duett mit einem Kuss erwidert wird. Und nachdem viele, meist mitreißende Filmminuten ins Land gegangen sind, wird Celies Emanzipation schließlich mit einer großen familiären Versöhnungsgeste gekrönt, die dann doch ein wenig zu christlich bekehrt daherkommt.

Der neuerliche "Oscar-Rüffel"

Wo es 1986 noch elf Oscar-Nominierungen waren, gab es heuer nur eine. Für die Rolle der Sofia, die bei Spielberg die damals wenig bekannte Oprah Winfrey spielte, erhielt Danielle Brooks nun eine Nominierung als Nebendarstellerin. "That’s the way it is", würde der neuerliche Koproduzent Quincy Jones wohl heute noch dazu sagen. (Valerie Dirk, 9.2.2024)