CO2 Stadt rauchende Schlote
Überall auf der Welt wird nach Lösungen gesucht, um schädliches CO2 unschädlich zu machen.
IMAGO/Erwin Wodicka

Die chemische Umwandlung des Klimagases CO2 in andere chemische Ausgangsstoffe zählt zu den sogenannten Dream Reactions für eine nachhaltige Produktion. Denn findet man einen Weg, schwer reduzierbares Treibhausgas nicht nur untertags wegzuspeichern, sondern in nützliche Ausgangsstoffe für die Industrie weiterzuverarbeiten, würde Kohlendioxid aus Rauchgas zu einer kostbaren Rohstoffquelle werden.

Zwar kennt die Chemie bereits seit etwa 100 Jahren Methoden für die CO2-Aufbereitung. Zum Beispiel wird mit dem sogenannten Sabatier-Verfahren Kohlendioxid mit Wasserstoff in Methan umgewandelt. Für den energieintensiven Prozess sind aber hoher Druck und hohe Temperaturen notwendig. Weltweit tüfteln nun Forschungsteams an Methoden, mit denen Kohlendioxid eleganter und günstiger aufgespalten und zu chemischen Rohstoffen weiterverarbeitet werden könnte. Als "Carbon Capture and Utilization"-Technologie könnte das auch als Speicher für erneuerbare Energie dienen.

CO2-Reduktion durch Strom

An der Johannes-Kepler-Universität in Linz ist eines der vielversprechendsten Projekte diesbezüglich, die "Elektrokatalyse von Kohlendioxid", der Grundlagenforschung entwachsen und geht nun in die nächste Runde. "Ich bin optimistisch, dass wir das Verfahren in zehn Jahren zur industriellen Reife bringen", sagt Wolfgang Schöfberger. Der Professor für bioorganische Chemie am Institut für Organische Chemie forscht mit seinem Team im "Schöfberger-Lab" bereits seit 2015 an diesem Projekt und ist maßgeblich für dessen Entwicklung verantwortlich.

Lösungen für die Klimakrise gesucht.
imago stock&people

Anders als beim Sabatier-Prozess setzt er für die CO2-Reduktion nicht Wasserstoff, sondern Strom ein. Das einfache Prinzip: In einem Behälter ("Zelle") lässt man CO2-Gas, das mit Wasserdampf angefeuchtet wurde, über einen speziellen Metall-Katalysator strömen. Setzt man den Katalysator unter Strom, wird das Klimagas an der graphitischen Kathode (dem Minuspol des Stromkreises) zu einem Gemisch aus Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff reduziert, das in der Fachsprache "Synthesegas", oder "Syngas" genannt wird.

Der an der Anode frei werdende Sauerstoff gilt als Nebenprodukt. "Syngas lässt sich leicht weiterverarbeiten", sagt Schöfberger, "etwa zu einfachen Alkoholen, wie Methanol und Ethanol, aber auch Essig- oder Ameisensäure." Methanol könnte dabei als Speichermedium für erneuerbare Energie dienen. Essig- oder Ameisensäure ließe sich als vielfältig einsetzbarer Rohstoff für die chemische Industrie verwenden.

Den Proof of Concept für diese neuartige Methode konnte Schöfberger bereits 2019 publizieren. "Danach haben mir Unternehmen die Türe eingerannt", erinnert sich der Forscher. Denn eine – unter Umständen gut funktionierende – CCU-Technologie wird von energieintensiven Industrieunternehmen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Produktion oft als letzter Rettungsanker und Gamechanger betrachtet.

Minielektrolyseur entwickelt

Gefördert von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG entwickelte Schöfberger daraufhin einen ersten Minielektrolyseur im Labormaßstab. Die Versuche zeigten, dass die Energieeffizienz der Elektrokatalyse bereits für industrielle Maßstäbe interessant sein könnte: "Innerhalb von 24 Stunden lassen sich mit zehn Kilowatt Strom 120 Kilogramm CO2 reduzieren", sagt Schöfberger. Jetzt steht der nächste Skalierungsschritt an. Gemeinsam mit einem Konsortium aus Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen hat Schöfberger das Projekt "ZEUS" (Zero Emission throUgh Sector Coupling) ins Leben gerufen, in dem nun CO2-Elektrokatalyseure in größerem Maßstab entwickelt werden.

Beteiligt ist an dem 16,8 Millionen Euro schweren Projekt, das vom Klima- und Energiefonds des Klimaschutzministeriums mit 7,7 Millionen Euro gefördert wird, eine Reihe namhafter Forschungsinstitutionen und Unternehmen. Neben Schöfbergers Institut für organische Chemie und dem Energieinstitut der JKU Linz sind im Konsortium Verfahrenstechnikinstitute der Technischen Universität Wien und der Montanuniversität Leoben das metallurgische Kompetenzzentrum K1-Met und eine Reihe von Industriepartnern vertreten.

Den Auftrag für eine erste vergrößerte Laboranlage hat Schöfberger gerade an die eigene Werkstätte der JKU Linz vergeben. Nach Fertigstellung wird der Versuchselektrolyseur von ihm und seinem Team noch an der Uni auf Herz und Nieren durchgetestet, um dann von Verfahrenstechnikern des Konsortiums auf die nächste Stufe hochskaliert zu werden. In vier Jahren soll die erste Pilotanlage im industriellen Kontext in Betrieb gehen. Sie wird bereits CO2, das aus dem Rauchgas von Industrieanlagen abgeschieden wird, in Syngas plus Folgeprodukte umwandeln.

Zehn Jahre als Zeithorizont

Läuft die Pilotanlage technisch einwandfrei, folgt der Bau von CO2-Elektrolyseuren im Industriemaßstab: "Da ist dann schon an eine Größenordnung von 100 Megawatt pro Einheit gedacht." Erreicht man dabei zumindest die Effizienz der Minielektrolyseure, könnten damit pro Tag bereits 1.200 Tonnen CO2 aufbereitet werden. Die Gesamtanzahl der CO2-Aufbereitungsanlagen könnte man dann je nach Leistungsbedarf an den jeweiligen Industriestandort anpassen.

Schöfberger schätzt, dass in zehn Jahren die ersten voll funktionsfähigen Industrieanlagen in Betrieb gehen. Er selbst wird sich aus dem Projekt, wenn die ersten größeren Pilotanlagen funktionieren, wieder zurückziehen. "Ich bin Grundlagenforscher, und mit der Elektrokatalyse gibt es noch eine Reihe spannender Entwicklungen zu erforschen." Etwa die Stickstoffumsetzung mit Strom in Ammoniak. "Auch da zeichnet sich eine Alternative zu derzeitigen Industrieverfahren ab." Aber das ist eine andere Geschichte. (Norbert Regitnig-Tillian, 12.2.2024)