Meteorit rast auf die Erde
War ein Meteoriteneinschlag für den Beginn enormer Kaltphasen verantwortlich?
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Während heute Gletscher und Pole schmelzen, gab es in der Geschichte der Erde auch völlig gegenteilige Phasen, die teilweise zig und hunderte Millionen von Jahren andauerten. In den extremsten dieser Kaltzeiten war praktisch die gesamte Erde von Schnee und Eis bedeckt, selbst bis in Äquatornähe dürfte die Vergletscherung gereicht haben. Da in diesen Zeiten aus dem blauen Planeten ein weißer wurde, wird das wissenschaftlich nicht unumstrittene Phänomen auch als "Schneeball-Erde" bezeichnet.

Abgesehen davon, dass die vermuteten Ausmaße der Schnee- und Eisbildung bis heute schwer nachweisbar sind, stellen extreme Kaltphasen wie etwa die Sturtische Eiszeit vor etwa 717 Millionen Jahren oder die Marinoische Eiszeit vor 650 Millionen Jahren die Forschenden vor zusätzliche Rätsel. Welche Ereignisse dafür verantwortlich sind, dass es überhaupt zu einer derartigen Kaltphase kommen kann, die noch dazu so lange anhält, bleibt unklar. Tektonische Verschiebungen und unterschiedliche Ausprägungen von Vulkanismus sind eine Theorie. Ein großer Meteoriteneinschlag eine andere.

Chicxulub-Einschlag kein Gegenbeweis

Letztere bekommt nun neue Nahrung. Denn einem Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung gelang nun der Nachweis, dass der Einschlag eines Meteoriten unter bestimmten Bedingungen tatsächlich so eine Schneeballphase auslösen kann. Diese Theorie wurde bisher eher verworfen, da der enorme Impakt des Chicxulub-Asteroiden vor 66 Millionen Jahren auf der Erde zwar zu einer Kaltphase geführt hatte, aber nachweislich keine Schneeballphase initiieren konnte. Der aufgewirbelte Staub in der Atmosphäre, der die Sonne abschirmte, hatte lediglich einen sogenannten vorübergehenden Impakt-Winter verursacht und wohl wesentlich dazu beigetragen, dass die Dinosaurier ausstarben.

Gletscher
In den großen Eiszeitaltern, die zig Millionen Jahre dauerten, sollen Eis und Schnee bis zum Äquator vorgedrungen sein.
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Neuen Berechnungen zufolge, die am Freitag im Fachjournal "Science Advances" veröffentlicht wurden, können große Meteoriteneinschläge und die dadurch ausgelösten Impakt-Winter die Erde dennoch in einen Schneeball verwandeln. "Beim Chicxulub-Einschlag war es auf der Erde schlichtweg zu warm, damals waren nicht einmal die Pole komplett vereist", erklärt Christian Köberl von der Universität Wien und Mitautor der Studie im STANDARD-Interview. Die darauffolgende Kaltphase habe bei den herrschenden klimatischen Bedingungen einfach nicht ausgereicht, um eine derartige Schneeballphase anzustoßen.

Kühle Phase als Voraussetzung

Führe man die Klimasimulation unter anderen Voraussetzungen, also einer von vornherein kühleren Phase wie etwa dem Höhepunkt der jüngsten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren, durch, sehe das Ergebnis völlig anders aus. Unter diesen Bedingungen komme ein Meteoriteneinschlag tatsächlich als physikalisch möglicher Auslöser einer Schneeballphase in Betracht, sagte Köberl. Vorstellen könne man sich das wie eine Kettenreaktion oder einen Kipppunkt. Durch die zusätzliche Abkühlung mit Eisbildung und Schneefall werde mehr Licht reflektiert. Große Kälte verringere auch die Wolkenbildung, was die Abstrahlung in den Weltraum ebenfalls begünstige – das Gegenteil eines Treibhauseffekts quasi.

Ein Meteoriteneinschlag sorgte für riesige Staubwolken.
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Bei einem Meteoriteneinschlag kommen ähnlich wie bei einem Vulkanausbruch zwei eigentlich gegenteilige Phänomene zum Tragen, was die Modellierung der Auswirkungen besonders komplex macht. Denn setzt sich der aufgewirbelte Staub auf der Erdoberfläche als dunkle Schicht auf Eis und Schnee nieder, kann das das Abschmelzen sogar beschleunigen. Frühere Berechnungen hätten aber bereits gezeigt, dass dieser Effekt nicht ausreiche, um eine Eiswelt wieder aufzutauen, teilte der Forscher mit. Den Ausführungen zufolge ist es folglich wahrscheinlicher, dass ein Meteoriteneinschlag ein Schneeballphänomen auslöst, als dass er es beendet.

Physikalisch möglich

Köberl betont ausdrücklich, dass die mit Klimamodellen gewonnenen neuen Erkenntnisse kein Beweis dafür seien, dass tatsächlich ein Meteorit die nachgewiesenen Eiszeitalter ausgelöst habe. Die Studie habe aber gezeigt, dass diese Ursache im Bereich des physikalisch Möglichen sei, was in der Form bisher nicht gesichert gewesen sei. Diskussionen, in welchem Umfang die Erde bei diesen Eiszeitaltern wirklich von Schnee und Eis bedeckt gewesen sei und ob die Gletscher tatsächlich bis zum Äquator reichten, sind für Köberl dabei zweitrangig.

"Das ist eher eine semantische Diskussion. Es ist nicht davon auszugehen, dass die gesamte Erde von einem zwei Kilometer dicken Eispanzer verhüllt war", sagt der Forscher zum STANDARD. "Gerade in Äquatornähe wird es nicht zuletzt auch durch vulkanische Aktivitäten eisfreie Gebiete gegeben haben. Das ändert aber nichts daran, dass es diese über mehrere Millionen Jahre andauernden Eiszeitalter gegeben hat."

Vulkantheorie

Die im Fachjournal "Science Advances" veröffentlichte Arbeit, an der auch Minmin Fu von der Yale University beteiligt war, kommt, nur zwei Tage nachdem australische Forschende der University of Sydney mit einer anderen Theorie aufhorchen ließen. Ihrer Studie zufolge, die im Fachjournal "Geology" veröffentlicht wurde, könnte die Sturtische Eiszeit vor 717 Millionen Jahren durch tektonische Veränderungen und verringerten Vulkanismus im Mittelozeanischen Rücken ausgelöst worden sein.

Ein deutlich geringerer Ausstoß von vulkanischen Gasen und CO2 in die Atmosphäre könne dazu geführt haben, dass die Temperatur sank und so das Schneeballphänomen ausgelöst wurde. Wie bei der Modellierung der Meteoritenfolgen ging es bei den australischen Forschenden ebenfalls darum aufzuzeigen, ob ihre Theorie realistischerweise überhaupt haltbar ist. Für Köberl ist auch dieses Gedankenexperiment interessant. Unklar bleibe allerdings, warum die Ausgasungsrate abnehmen und auch so lange niedrig bleiben solle. Dazu komme, dass der Effekt nur langsam klimatische Änderungen hervorrufe. Der "Vorteil" eines Impakts sei, dass alles sehr schnell gehe. (Martin Stepanek, 9.2.2024)