Regierung und Parlament sollen bis Herbst 2024 weiterarbeiten. Diese Forderung wird in der aktuellen Market-Umfrage für den Standard von der Hälfte der 800 Befragten unterstützt. Nur 37 Prozent sind für ein Vorziehen der Wahlen, der Rest ist unentschlossen. "Die Diskussionen der letzten Wochen haben bei den Wahlberechtigten kaum etwas bewirkt, vor drei Monaten waren 39 Prozent für Neuwahlen, 46 Prozent dagegen – und das, obwohl es im Land starke Unzufriedenheit gibt. Immerhin sagen uns seit Monaten gleichbleibend sieben von zehn Befragten, dass sich ihrer Meinung nach das Land in die falsche Richtung entwickle", sagt Market-Politikforscher David Pfarrhofer.

Ein genauerer Blick in die Daten zeigt, dass es nur in einer Parteiwählerschaft eine Mehrheit für vorgezogene Wahlen gibt: Freiheitliche würden gerne sehr bald wählen, die Anhängerschaft der Regierungsparteien wünscht sich deren möglichst langes Weiterarbeiten.

Die Gefolgschaft der Regierungsparteien ist allerdings längst nicht mehr so groß wie bei der Wahl 2019. Damals erreichte Sebastian Kurz mit der ÖVP 37,5 Prozent und konnte mit Werner Koglers Grünen (13,9 Prozent) eine Regierung bilden. Unter Karl Nehammer ist die ÖVP stark zurückgefallen, derzeit notiert sie bei 22 Prozent. David Pfarrhofer, der die entsprechende Hochrechnung für den STANDARD gemacht hat: "Das sieht zwar etwas besser aus als die 20 Prozent, die wir im Spätherbst bei der ÖVP gesehen haben – aber von einer Trendwende würde ich da noch nicht sprechen." Bei den Grünen sieht er erst recht keine Erholung, sie liegen seit November bei acht Prozent.

Stärkste Partei ist in der Market-Hochrechnung weiterhin die FPÖ – aktuell bei 29 Prozent vor SPÖ und ÖVP, die nun mit 23 beziehungsweise 22 Prozent nahe beisammen liegen. In der Kanzlerfrage wird allerdings deutlich, dass Herbert Kickl mit 21 Prozent vor Amtsinhaber Karl Nehammer (17 Prozent) und SPÖ-Chef Andreas Babler (15 Prozent) liegt. Ein Blick in die Detailauswertung der Kanzlerfrage zeigt, dass die ÖVP-Wählerschaft mit großer Geschlossenheit hinter Nehammer steht, während sich nur etwa drei von vier FPÖ-Wählern Kickl auch als Kanzler wünschen. In den Wählerschaften von SPÖ und Neos ist der Wunsch, die Person an der Listenspitze auch zum Kanzler zu machen, noch geringer, Babler beziehungsweise Beate Meinl-Reisinger werden nur jeweils von etwas mehr als der Hälfte der Parteiwählerschaft als Kanzler gewünscht. Insgesamt kommt Meinl-Reisinger in der Kanzlerfrage auf sieben Prozent, ebenso Dominik Wlazny von der Bierpartei. Vizekanzler Werner Kogler wird nur von fünf Prozent in der Kanzlerfrage genannt.

"Wlazny ist deutlich populärer als seine Partei. Er hat als Marco Pogo Fans gesammelt, er hat bei der Bundespräsidentenwahl einen Achtungserfolg erzielt und versucht nun, eine Nationalratskandidatur zustandezubringen. Es gibt halt bereits 337.010 Personen, die schon einmal ein Kreuzerl bei Wlazny gemacht haben. Wenn die das wieder machen, dann ist er sicher im Parlament. Aber es gibt auch Beispiele dafür, dass so eine Rechnung nicht aufgeht", sagt Pfarrhofer mit Hinweis auf Richard Lugner. Der Baumeister hatte bei der Bundespräsidentenwahl 1998 ähnlich stark wie Wlazny 2022 gepunktet: Er erhielt 413.066 Stimmen (9,91 Prozent), in der folgenden Nationalratswahl gingen Lugners "Die Unabhängigen" aber unter: Da konnte er nur 46.943 Stimmen (1,02 Prozent) erreichen.

Nationalratswahlkämpfe sind eben eine ganz andere Kategorie, da können etablierte Parteien auch mit millionenschweren Kampagnen kleinere Mitbewerber übertönen. Während eines Wahlkampfs kann sich die Wählergunst noch einmal völlig neu verteilen. Jetzt aber sei – abgesehen von ein paar wohlinszenierten Auftritten der Parteiexponenten – noch nicht viel Wahlkampfstimmung im Land, gibt Pfarrhofer zu bedenken: "Wenn wir jetzt sagen, dass bei einer Wahl an diesem Sonntag die Bierpartei auf vier Prozent und die KPÖ auf zwei Prozent käme, heißt das keineswegs, dass wir damit jetzt schon das Wahlergebnis vom September kennen. Es erklärt bloß die aktuelle Stimmungslage."

Menschen mit Regenschirmen bei einer Demo gegen rechts in Wien
Österreicherinnen und Österreicher sind ziemlich pessimistisch gestimmt. Die FPÖ führt die Umfragen an, trotz großer Demonstrationen gegen rechte Politik.
Christian Fischer

Anteil an Optimisten steigt nur langsam

Apropos Stimmung: Market startet jede Umfrage mit der Frage "Wenn Sie an die nächsten Monate denken: Was erwarten Sie sich: Sehen Sie der nahen Zukunft mit Optimismus und Zuversicht oder eher mit Skepsis bzw. Pessimismus entgegen?" Darauf sagen 41 Prozent, dass sie pessimistisch sind, die Optimisten sind mit 30 Prozent weiterhin in der Minderheit, 29 Prozent sind unentschieden. In der Zeitreihe sieht man, dass der Pessimismus seit Oktober zwar statistisch signifikant um sieben Prozentpunkte zurückgegangen ist – dass der Anteil der erklärten Optimisten aber nur langsam zunimmt.

Optimismus und Pessimismus schlagen sich aber auf politische Entscheidungen nieder: In den Wählerschaften der FPÖ und der SPÖ finden sich besonders viele Pessimisten, Optimisten präferieren in hohem Maß die ÖVP und die Neos. Und auch jene, die sich als Optimisten bekennen, sind nicht wirklich mit der Entwicklung des Landes zufrieden. Market fragte dazu: "Ganz allgemein gesehen: Glauben Sie, dass sich die Dinge in Österreich zurzeit eher in die richtige oder eher in die falsche Richtung entwickeln?" Darauf sagen nur 16 Prozent, dass sich die Dinge allgemein in die richtige Richtung entwickelten, 70 Prozent meinen, dass es generell falsch laufe. Wer insgesamt optimistisch eingestellt ist, sieht auch die Entwicklung des Landes deutlich positiver – es überwiegen aber in allen Gruppen der Befragten die Personen, die die Entwicklung negativ sehen. Selbst von den ÖVP-Wählern sagt jeder Zweite, dass es nicht richtig laufe im Land. Die Gründe für diese Sichtweise können allerdings unterschiedlich sein, erläutert Pfarrhofer: "Ein Freiheitlicher meint wahrscheinlich, dass das Land schlecht regiert werde. Ein Anhänger einer Regierungspartei sieht die negative Entwicklung aber vielleicht gerade darin, dass die Freiheitlichen wieder so stark geworden sind." (Conrad Seidl, 12.2.2024)