Am 6. Mai 1812 konnte man in der Wiener Zeitung lesen: Seine Majestät "haben dem Doktor der Arzeneykunde, und Augenarzt der Stadt=Armen, Joseph Beer", erlaubt, "öffentliche Vorlesungen über die Augenkrankheiten, in Verbindung mit dem klinischen Unterrichte, im hiesigen allgemeinen Krankenhaus zu halten."

Damit war der Grundstein für die Errichtung der weltweit ersten Universitätsaugenklinik gelegt. Doch die Erfolgsstory ist getrübt. Der Gründer (Georg) Joseph Beer musste erst mit eisernem Willen und Kampfgeist Hindernisse überwinden und Intrigen überstehen, um sich gegen seine Widersacher durchzusetzen.

Altes AKH in Wien, Kolorierter Stich von 1784
Altes AKH in Wien, Kolorierter Stich von 1784
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Augenärzte für Wien

Beer, 1763 in Wien geboren, stammte aus ärmlichen Verhältnissen und hätte laut väterlichem Wunsch eine geistliche Laufbahn einschlagen sollen. Er interessierte sich jedoch für Kunst und Natur und besuchte zunächst die Malschule der k. k. vereinigten Akademie der bildenden Künste in Wien. 1782 schwenkte er zur Medizin. Sein wichtigster Lehrer war der in Valetta geborene Joseph Barth, Anatom und Augenarzt, der 1772 sein Medizinstudium in Wien mit der Promotion angeschlossen hatte und ab 1773 Augenheilkunde lehrte. Daneben betrieb Barth eine private Augenheilanstalt und war auf Staroperationen spezialisiert. Nachdem er Kaiser Joseph II. von einer langwierigen Augenentzündung kuriert hatte, erhielt Barth sogar die Sonderstellung eines Leibaugenarztes.

Joseph II. wusste also aus eigner leidvoller Erfahrung, dass man tüchtige Augenärzte in Wien benötigte und es noch viel zu wenige gab. Daher beauftragte er Barth zwei pro Jahr auszubilden, einen für die Zivilgesellschaft und einen für die Soldaten. Eigentlich bot sich Joseph Beer an: Er interessierte sich sehr für Augenheilkunde, war Barths Student und Demonstrator und fertigte Illustrationen von Augenmuskeln für Barths Lehrbuch an, die Barth schätzte. Einen besseren Schüler hätte er wohl nicht finden können. Doch Barth hasste Konkurrenz. Er war der Meinung, ein Augenarzt in Wien genügte, und das war nun einmal er, eventuell noch sein Schüler Johann Adam Schmidt für die Armee. Trotz der kaiserlichen Anordnung mehr Augenärzte in Wien auszubilden, versuchte Barth sämtliche Versuche Beers in der Augenheilkunde Fuß zu fassen, zu verhindern.

Beer als "Stadtarmen-Augenarzt"

Nach seiner Promotion 1786 zeichnete Beer zwar noch für Barth, aber er wurde gemobbt. Barth versteckte sein Wissen vor ihm, unweigerlich kam es zu heftigen Streitigkeiten. Doch Beer ließ sich nicht unterkriegen. Er beobachtete Barth heimlich bei seinen Tätigkeiten und belauschte dessen Gespräche mit Schmidt. So eignete er sich zwar mühsam, aber sukzessive Fachkenntnisse an und bestand 1790 das augenärztliche Examen an der Universität Wien. Er eröffnete eine Praxis in seiner Wohnung, fungierte als Stadtarmenarzt und operierte ab 1793 Patient:innen, die an Grauem Star litten, im Allgemeinen Krankenhaus. Augenleidende aus der gesamten Habsburgermonarchie suchten ihn auf, obwohl er weiterhin von Barth und Schmidt angefeindet wurde.

1802 erfolgte seine Habilitation. Aber dieser Erfolg war ihm zu wenig, Beer wollte eine Augenklinik. Schon Ende des 18. Jahrhunderts hatte er einen Plan vorgelegt, aus dem allerdings nichts wurde. Auch in den Folgejahren scheiterten Vorschläge und Anträge zur Errichtung eines Lehrstuhls und einer Klinik. Sein Wissen konnte Beer nur in Privatkursen weitergeben.

Er hatte nämlich zwei weitere Gegner: Georg Prochaska, Barths Nachfolger, der Augenheilkunde gemeinsam mit Anatomie unterrichtete und zu Recht befürchtete, die Augenheilkunde abgeben zu müssen, wenn es einen eigenen Lehrstuhl gäbe – und Andreas Freiherr von Stifft, kaiserlicher Leibarzt, Protomedicus und Rektor der Universität Wien, ein absoluter Gegner jeglicher Neuerungen und Reformen.

Hinzu kamen Argumente wie, man solle nicht unnötig Professorentitel vergeben, und wo käme man denn da hin, wenn man für jedes Teilgebiet der Wissenschaft ein eigenes Lehramt an den Universitäten einrichte. Das wäre doch bloß Ressourcenverschwendung. Letztlich musste Stifft klein beigeben. 1812 wurde Beer zum außerordentlichen Professor für Augenheilkunde ernannt und die Klinik im vierten Hof des Allgemeinen Krankenhauses genehmigt. Am 19. Jänner 1813 durfte die "Mutterstätte der europäischen Augenheilkunde" offiziell ihren Betrieb aufnehmen. (Daniela Angetter-Pfeiffer, 12.3.2024)