Es war keine vorbereitete Ankündigung, und das Gespräch mit einem ungenannten europäischen Staatschef, über das Donald Trump am Wochenende bei einer Vorwahlkampfveranstaltung berichtete, hat so sicher nie stattgefunden. Trump wollte einfach wieder einmal den starken Mann, vor dem sich alle fürchten, heraushängen lassen, als er hochmütig erzählte, er würde bei einem Land, das seine Nato-Rechnungen nicht bezahlt, die Russen "ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen". Daraufhin sei das Geld geflossen, fabulierte der republikanische Präsidentschaftskandidat weiter.

Aber der dahingeworfene Satz hat zu Recht Panik in Europa hervorgerufen. Das Problem ist nicht nur, dass Trump offenbar keine Ahnung hat, wie sich das westliche Verteidigungsbündnis finanziert – über nationale Budgets und nicht über Zahlungen an die USA –, und ihn die Aussicht, Amerika könnte von Freunden über den Tisch gezogen werden, mehr beschäftigt als irgendwelche geopolitischen Gefahren.

Donald Trump
Der frühere US-Präsident Donald Trump schwächte mit seinen Aussagen bei einer Kundgebung in South Carolina die Nato.
AFP/JULIA NIKHINSON

Trumps Auftritt spiegelt seine ganze Weltsicht wider, seine Überzeugung, dass Außenpolitik nur eine Art von Geschäft ist, seine Bereitschaft, auch die schlimmsten Tyrannen – ob Wladimir Putin, Xi Jinping oder Kim Jong-un – als Verbündete zu nehmen, wenn es seinen Interessen dient. "Transaktional" wird diese Haltung gerne genannt. Er steht damit nicht allein da. So ähnlich denken die Machthaber in China oder der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. In einer Welt, in der jeder Staat für sich kämpft, ist dieser Zugang legitim.

Welle des Protektionismus

Eine Allianz wie die Nato aber beruht auf langfristigen Verpflichtungen, die nicht so einfach über Bord geworfen werden dürfen. Trump hätte wohl schon in seiner ersten Amtszeit das Bündnis zerstört, wenn eine Krise ihm Anlass dazu gegeben hätte. Zu seinem Glück und dem der Welt waren diese vier Jahre weltpolitisch eher ruhig. Sein entschlossener Unilateralismus untergrub allerdings das Welthandelssystem der WTO und trug zu einer neuen Welle des Protektionismus bei. Kehrt Trump nächstes Jahr ins Weiße Haus zurück, droht der westlichen Sicherheitsarchitektur das gleiche Schicksal – mit schlimmeren Folgen als nur höheren Zöllen. Die USA müssten dann gar nicht austreten; die Nato wäre so gut wie tot.

Die Europäer wissen das, aber haben keine gute Antwort darauf. Ohne eine Führungsmacht kann ein solches Bündnis nicht funktionieren, und eine solche gibt es in Europa nicht. Da würden auch höhere Verteidigungsausgaben wenig nutzen. Unter Trump II wären die westlichen Demokratien – in Europa und in Ostasien – ihren Feinden hilflos ausgeliefert; diese könnten tatsächlich tun, "was auch immer zur Hölle sie wollen".

Vielleicht kommt das Wahlvolk in den USA im November zur Besinnung und verhindert dieses Szenario. Allerdings spielt Außenpolitik in US-Wahlkämpfen eine schwindende Rolle.

Das befürchtete Szenario könnte bereits früher wahr werden. Im Senat wurde in einem zweiten Anlauf ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine und Israel geschnürt, das Trump vehement bekämpft. Scheitert es deshalb im Repräsentantenhaus, dann büßen die USA auch unter Joe Biden ihre Rolle als Führungsmacht ein. Ein Trump-Sieg wäre dann nur noch die Bestätigung. In den nächsten Tagen steht womöglich die Zukunft der Weltordnung auf dem Spiel. (Eric Frey, 12.2.2024)

Video: "Entsetzlich und verrückt": Sorge nach Trumps Äußerung zu Nato-Beistand.
AFP