Cucina Itameshi Restaurantkritik Rezension
Das Restaurant im Dogenhof wurde von Mochi übernommen und macht jetzt japanisch inspiriertes italienisches Essen – oder umgekehrt.
Gerhard Wasserbauer

Die Praterstraße ist zurzeit eine einzige Großbaustelle, aber kulinarisch scheinen die Eckpflöcke schon seit Ende Jänner fest eingeschlagen. Das Ur-Mochi bestimmt mitsamt seinem Vis-à-vis-Deli OMK ihren Beginn, das Cucina Itameshi im Dogenhof ist als neues Flaggschiff der Gruppe am anderen Ende gelandet. Der Bald-wieder-Prachtboulevard wird so zum Sinnbild für die kulinarische Verfasstheit der Stadt: Sie bekommt von den Mochis und der Küche von Eddi Dimant nicht genug.

Ein kleines Wagnis in Wien

Okay, der einzigartig zugewandte, den Gast als Komplizen im Genuss willkommen heißende Service ist mindestens so bestimmend für den Erfolg. Im Dogenhof, der mit Anfang Februar als Cucina Itame­shi ins Mochi-Universum integriert wurde, ist aber Dimant ganz eindeutig die treibende Kraft, die es noch einmal auf neue Art wissen will. Stoffservietten, wuselnde Servicebrigade, extensive Weinkarte, offene Feuerküche sowieso – und dazu ein Küchenkonzept, das sich doch ziemlich weit hinauslehnt: Der via Tel Aviv aus Berlin gebürtige Koch schiebt uns nach der kalifornischen Spielart der japanischen Küche nunmehr die japanische der Italienischen unter – ein kleines Wagnis in Wien, wo wir doch alle meinen, zumindest ein bisserl von der italienischen Mamma geküsst worden zu sein. Dimant weiß das wohl – und macht es trotzdem.

Focaccia mit Thymian etwa, luftig, leicht und knusprig, fett, bekommt einen Tiegel Miso-Butter an die Seite – boshaft gute Kombination. Oder Cappelunghe, ganz kurz gegart, mit hausgemachter XO-Sauce aus Prosciutto, Knoblauch, Bonito­flocken, Gochujang und noch mehr Knoblauch als virtuos sino-friulanische Umamiorgie interpretiert – der reichlich dar­über gezupfte Petersil und Dill ist nicht nur als Chlorophyll-Konter zum Knofl-Overkill willkommen.

Burrata wird, gewagt wie gelungen, mit dunkelschwarzer Salsa aus Nori und Shoyu mit dezent gesetzter Säure serviert: Büffelmilchkäsecreme mit Algen? Da weiß man echt erst nach dem Kosten, dass man das eigentlich wollen musste. Im Vergleich ist das luxuriöse Carpaccio von der alten Milchkuh mit Wasabi und Parmesan (siehe Bild) ein geradezu mochimäßiger Crowd-Pleaser: schmilzt in quasi himmlischer Harmonie auf der Zunge.

Cucina Itameshi Restaurantkritik Rezension
Carpaccio von der alten Milchkuh mit Wasabi, Parmesan und Zwiebel Tsukemono.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Dann aber Pasta, und die ist der wahre Showstopper: Die allesamt hausgemachten, exemplarisch al dente gegarten Nudeln sind nach japanischer Tradition gefertigt, werden auch in Schüsseln angerichtet und dürfen schamlos mit Stäbchen der Schlürfung zugeführt werden – und entwickeln eine rauschhaft süditalienische Lust nach mehr. Tsukemen Mentaiko mit hocharomatischer Creme aus Kabeljaurogen ist schlicht meisterhaft, die elastische, bissfeste Nudel eine endlose Aufforderung zum An- und Nachsaugen der herrlichen Mixtur, ohne Zweifel das Gericht des Abends. Udon mit gerade aufgegangenen, fast noch rohen Vongole und buttergleicher Olivensauce mit ’Nduja kann es aber auch – irrsinnig befriedigendes Hochschlürfen der dicken, festen, seidig mit Wohlgeschmack ummantelten Pasta.

Wasabi elettronico

Den Tortellini mit Garnelen-Prosciutto-Fülle stiehlt der außerordentliche Brodo glatt die Show – dunkler, federleichter, aromatisch aufgeladener Dashi, der dank ein paar Tropfen brennscharfen Wasabiöls geradezu elektrische Energie zu vermitteln vermag. Kohl aus dem Holzofen mit Melanzani und Kombu will man auch haben, den arg guten, 40 Monate gereiften Cironé aus dem Yumi-Käsesortiment samt einer Creme aus feuerverbrannten Zitronen ebenso.

Man muss sich aber Platz lassen fürs Tiramisu. Das hebt Dimant zu monumentaler Perfektion, nicht zu geil, aber doch, beschwipst auf kluge Art, cremig biskottiert und zart espressobitter – muss man haben, will man immer wieder. Dass es dieses wohl beste Tiramisu des Landes ausgerechnet in einer Mochi-Hütte gibt, sagt viel über Eddi Dimants Zug zum Tor aus – aber vielleicht noch mehr über die österreichischen Italo-Lokale. (Severin Corti, 16.2.2024)