Ein Arbeiter in Baumgarten.
Österreich bezieht sein Gas nach wie vor hauptsächlich aus Russland. Auch bei den Einsparungen hat sich wenig bis gar nichts getan.
REUTERS / Lisa Leutner

Rund 22 Prozent weniger Gas hat Österreich vergangenes Jahr im Vergleich zum Jahr 2021 verbraucht, dem Jahr vor dem Ukrainekrieg. Österreich dürfte damit das Ziel der EU erfüllen, 15 Prozent seines Bedarfs einzusparen. Haben Wirtschaftsbetriebe und Haushalte ihren Verbrauch also tatsächlich erfolgreich reduziert?

Aktuelle Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) stellen das infrage. Denn ein großer Teil des Gasverbrauchs geht auf Heizungen in Haushalten und Büros zurück – und 2023 war das wärmste Jahr in Österreichs 256-jähriger Messgeschichte. Rechnet man diesen klimatischen "Vorteil" in Sachen Gasverbrauch heraus, sieht die Lage völlig anders aus.

Wetterglück und Wasserkraft

Offizielle Zahlen, die den Rückgang beim Gasverbrauch beschreiben, sagen aus Sicht der Wissenschafter aus zwei Gründen wenig über die tatsächlichen Einsparungen aus. Zum einen ist der Gaskonsum in Haushalten und Büros stark von der Außentemperatur abhängig. Zum anderen schwankt der Verbrauch je nach Stromproduktion. In Monaten, in denen die Wasser- und Windkraft viel Ertrag abwirft, wird weniger Gas für Elektrizität benötigt. Mit ihren Berechnungen haben Wifo und Boku versucht, die offiziellen Zahlen um beide Effekte zu "bereinigen".

Zunächst haben sich die Forscher angesehen, wie stark der Gasverbrauch in den Jahren 2017 bis 2021 von der jeweiligen Außentemperatur abhängig war. Anhand dieser Daten prognostizierten sie, wie hoch der Gasverbrauch ausfallen müsste, gäbe es keine Sparmaßnahmen. Aus der Differenz zwischen der Prognose und dem tatsächlichen Verbrauch lassen sich so "echte" Einsparungen ableiten. Im Jahr 2023 beträgt der Rückgang nach dieser Berechnung statt 22 nur noch elf Prozent.

In einem zweiten Schritt haben die Wissenschafter auch die Stromproduktion herausgerechnet. Das Jahr 2023 war für die Wasser- und Windkraft ein vergleichsweise gutes. Auch der Ausbau der Photovoltaik macht sich mittlerweile bemerkbar. Für die Stromproduktion wurde deshalb weniger Gas verbraucht. Wenn man das berücksichtigt, fallen die echten Einsparungen im Gesamtjahr 2023 noch niedriger aus und fallen auf 4,5 Prozent. In den letzten Monaten des vergangenen Jahres lagen sie nur noch bei zwei Prozent, Anfang 2024 verbrauchte Österreich sogar mehr Gas.

Preise entscheidend

"Die Einsparungen, die über die Temperatureffekte und die Effekte der Stromproduktion hinausgehen, sind mittlerweile bei null", sagt Johannes Schmidt von der Boku dem STANDARD. Ein Grund könnte sein, dass die Gaspreise im vergangenen Jahr gesunken sind und dadurch der Sparanreiz weggefallen ist. "Es ist anzunehmen, dass die tatsächlichen Einsparungen mit der Preisentwicklung zusammenhängen, auch wenn wir dazu noch keine genauen Berechnungen haben."

Im Verlauf des vergangenen Jahres ist der Gaspreis stetig gesunken und hat Anfang 2024 ein neues Tief erreicht. Der Österreichische Gaspreisindex liegt seit einigen Monaten wieder unter 200 und damit auf dem niedrigsten Stand seit Herbst 2021, wenige Monate vor dem Kriegsausbruch. Den Höchststand erreichte der Index mit 955 im Oktober 2022. Seither sind die Preise kontinuierlich gesunken – und damit auch die Anreize für Haushalte und Industrie, weniger Gas zu verbrauchen.

Krieg und Klima

Die Einsparungsziele der EU-Kommission sollen langfristig das Klima schonen, kurzfristig aber vor allem die Abhängigkeit von russischem Pipelinegas reduzieren. Der Europäischen Union ist das insgesamt gelungen: Neue Lieferquellen wurden erschlossen, die Abhängigkeit Europas von russischem Pipelinegas sank von gut 40 auf knapp zehn Prozent.

In Österreich sieht die Lage bekanntlich anders aus: Das Land bezieht weiterhin 75 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland, im Dezember 2023 waren es sogar 98 Prozent. Grund dafür sind vor allem die langfristigen Lieferverträge der OMV mit Gazprom. Die OMV betont, dass man für den Fall, dass weniger oder gar kein Gas mehr aus Russland kommt, alternative Bezugsquellen reserviert hat.

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) will nun mit einer gesetzlichen Diversifizierungspflicht eingreifen. Sie braucht dafür nicht nur die Zustimmung des Koalitionspartners ÖVP, sondern auch Unterstützung der Opposition. Für eine Diversifizierungspflicht im Gaswirtschaftsgesetz wäre nämlich eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig. (Jakob Pflügl, 14.2.2024)