Zu Verhandlungsbeginn zeigte sich der Angeklagte, Florian Scheuba, noch zuversichtlich ...
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Wien – Die Stimmung von Richterin Nicole Baczak beim Finale des von Bundeskriminalamtschef Andreas Holzer gegen STANDARD-Autor Florian Scheuba angestrengte Verfahren wegen übler Nachrede ist mäßig gut. Hat doch der 58-jährige Kabarettist im Dezember während der Verhandlungspause bei einem Gespräch mit "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk in den Raum gestellt, Baczak sei einst "ÖVP-ÖH-Vorsitzende" gewesen. Das hatte der "Falter" einst zwar tatsächlich geschrieben, es stimmt allerdings nicht. Baczak war bei der Abstimmung 1995 zwar die Spitzenkandidatin der als ÖVP-nah geltenden Aktionsgemeinschaft, verlor aber im Endeffekt gegen die VSStÖ-Bewerberin Agnes Berlakovich.

In dem Prozess weist die Richterin den Angeklagten darauf hin: "Das nächste Mal fragen Sie einfach. Wir haben uns ja hier schon öfter gesehen." Maria Windhager, Rechtsvertreterin Scheubas und des STANDARD, stellt daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen Baczak. Ihre Bezugnahme auf das Gespräch "begründet den Anschein, dass Sie eine negative Meinung über den Angeklagten haben", argumentiert die Anwältin. Baczak weist den Antrag ab und erklärt sich selbst nicht für befangen. Wobei: "Wäre es so, würde ich mich für befangen erklären und müsste mich nicht mit diesem Prozess beschäftigen", begründet die Richterin unter anderem.

Sie beschäftigt sich bereits länger mit dem Verfahren, bei dem es um eine Kolumne Scheubas von September 2021 geht. Er hatte sich darin mit den Vorgängen im Vorfeld der Produktion des Ibiza-Videos beschäftigt und Holzer vorgeworfen, er habe im Jahr 2015, als "Ibiza-Anwalt" M. ihm belastendes Material über Heinz-Christian Strache vorgelegt habe, eine "folgenschwere Arbeitsverweigerung" betrieben und sei den Vorwürfen nicht mit letztem Nachdruck nachgegangen. Auch eine "rätselhafte Untätigkeit" Holzers in der Causa sah der Satiriker gegeben, der Spitzenpolizist wiederum fasst das alles als Vorwurf des Amtsmissbrauchs durch ihn auf und klagte wegen übler Nachrede.

Erster Prozess brachte Freispruch

Ein erster Prozess endete im Juni 2022 mit einem Freispruch für Scheuba. Allein ein Senat des Oberlandesgerichts Wien sah das anders und hob die Entscheidung auf. Bemerkenswert daran: Die entscheidenden Richterinnen und Richter wussten offenbar, was die Leserinnen und Leser des STANDARD denken. Denn: "Der ironische Unterton ist für die angesprochene Leserschaft nicht erkennbar", zeigte sich der Senat überzeugt, die Konsumenten und Konsumentinnen wüssten also nicht, dass ein Satiriker Satire macht. "Die Lebensfremdheit dieser Interpretation möchte ich festhalten", bemerkt der unbescholtene Angeklagte dazu.

Baczak verhandelt also die Wiederholung des Prozesses und ist dabei gesetzlich an die Entscheidung des Oberlandesgerichts gebunden. Der Text sei keine Satire, Holzer werde tatsächlich Amtsmissbrauch vorgeworfen, vom Recht auf freie Meinungsäußerung sei das nicht gedeckt. In diesem Rahmen muss die Richterin agieren, nur zwei Dinge könnten Scheuba zu einem Freispruch verhelfen: wenn ihm der Wahrheitsbeweis gelingt oder er nachweisen kann, dass er die "journalistische Sorgfalt", die im Mediengesetz verlangt wird, eingehalten hat.

... am Ende konnten aber Bundeskriminalamtschef Andreas Holzer und sein Anwalt Peter Zöchbauer das Victory-Zeichen machen.
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Am letzten Verhandlungstag tritt BK-Kriminalist Dieter Csefan auf, der im Jahr 2015 bei dem Gespräch des "Ibiza-Anwalts" und Holzer anwesend gewesen ist und darüber auch einen Aktenvermerk verfasst hat. Er unterstützt in seiner Zeugenaussage seinen Vorgesetzten: Die vom Anwalt in einer eidesstattlichen Erklärung aufgestellte Behauptung, er habe bereits damals Bilder von vollen Geldtaschen vorgelegt und Namen eines Drogenkonsumenten genannt, "stimmt definitiv nicht. Es ist einfach falsch!", stellt der Zeuge fest. Der Anwalt habe lediglich vage Andeutungen geliefert und Untreue, Stimmenkauf, eine Scheinanstellung und Drogenvergehen im Zusammenhang mit Strache in den Raum gestellt.

Damit sei man dann zur zuständigen Staatsanwältin gegangen. "Herrschaften, Beweismittel, wo sind die?", habe die Anklägerin damals weitere Ermittlungen gefordert. Der Anwalt habe sich allerdings geweigert, den Namen seines Mandanten, von dem die belastenden Informationen stammten, preiszugeben, argumentiert Holzer, daher habe es keine weiteren Ermittlungsansätze gegeben.

Verteidigerin Windhager will von Csefan wissen, warum sein Aktenvermerk, der der Staatsanwältin vorgelegt wurde, nicht vollständig gewesen sei. So findet sich darin beispielsweise nicht, dass der Anwalt um finanzielle Unterstützung und eine Kronzeugenregelung für seinen Mandanten gebeten habe und auch mit dem Gedanken gespielt habe, Medien zwecks des Kaufs dieser Informationen zu kontaktieren. "Das Informantenwesen ist streng vertraulich. Wenn das im Aktenvermerk gestanden wäre, und der wäre in weiterer Folge ein Gerichtsakt geworden, wäre es öffentlich bekannt geworden", argumentiert der Zeuge.

Spitzenpolizist in öffentlicher Arena

Windhager versucht aber auch auf anderen Ebenen zu argumentieren und legt Belege dafür vor, dass Privatankläger Holzer im Vorfeld von Scheubas Kolumne auch von anderen Medien zur Causa befragt worden sei und dazu Stellung genommen habe. "Herr Magister Holzer hat sich selbst in die 'public arena' begeben", ist sie überzeugt.

Am Ende fragt Richterin Baczak die Streitparteien nochmals, ob ein Vergleich denkbar wäre. Der Angeklagte ist zwar bereit, eine Klarstellung zu verfassen, um festzuhalten, dass er dem BK-Chef keinen Amtsmissbrauch unterstellt habe. Für Peter Zöchbauer, Holzers Anwalt, ist das aber zu wenig, ein Vergleich kommt also nicht zustande. In seinem Schlussplädoyer fordert Zöchbauer dann noch "eine empfindliche Geldstrafe" für Scheuba und eine "empfindliche Entschädigung" vom STANDARD.

Verteidigerin Windhager zeigt sich dagegen in ihrem Schlussstatement überzeugt, dass der Wahrheitsbeweis gelungen sei: Der Aktenvermerk sei unvollständig gewesen, dass die Kriminalisten keine weiteren Ermittlungsansätze gehabt hätten, stimme nicht. Sie glaubt auch dem "Ibiza-Anwalt", dass der den Polizisten konkrete Namen genannt habe, der das nicht nur in seiner eidesstattlichen Erklärung, sondern auch bei seinem Zeugenauftritt in diesem Verfahren bestätigt habe.

Scheuba fürchtet Einschränkung der Medienfreiheit

Als Angeklagter hat Scheuba das letzte Wort. "Ich habe Herrn Magister Holzer keine Motive unterstellt, ich habe Kritik geübt, das habe ich auch in anderem Zusammenhang getan", beruft er sich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung. "Eine Verurteilung würde ich als massive Einschränkung der Medien- und Pressefreiheit sehen!", stellt er noch klar.

Die Richterin sieht das ganz offensichtlich nicht so und verurteilt Scheuba zu einer teilbedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen á 70 Euro. Von diesen 7.000 Euro muss er nur die Hälfte bei Rechtskraft zahlen, der zweite Teil wird ihm auf ein Jahr bedingt erlassen. Der STANDARD muss Holzer eine Entschädigung von je 1.500 Euro für die Veröffentlichung in der Zeitung und auf der Internetseite leisten und das Urteil veröffentlichen. So es rechtskräftig wird, was es noch nicht ist: Zöchbauer gab keine Erklärung ab, Windhager meldete Nichtigkeit und Berufung an.

Richterin als Abschreiberin

"Ich schreib in Wirklichkeit das OLG-Urteil ab", erklärt die Richterin in ihrer Begründung. "Man kann den Artikel auch anders sehen, das hat das Erstgericht auch gemacht", gesteht sie zu, durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts sei das aber nicht mehr möglich gewesen. Die journalistische Sorgfalt könne nicht als Argument herangezogen werden, da Scheuba ja selbst zugegeben habe, nicht einmal versucht zu haben, Holzer zu kontaktieren. "Schade, hätte vielleicht geholfen", merkt Baczak dazu an. Aber auch der Wahrheitsbeweis sei nicht in der von der höheren Instanz geforderten Art und Weise geglückt, begründet sie weiter. Hart sei die Strafe aber nicht, meint die Richterin, schließlich seien bis zu 720 Tagessätzen oder ein Jahr Haft möglich gewesen.

Nun ist wieder das Oberlandesgericht am Zug: Ein anderer Senat als beim ersten Mal muss über die Rechtskraft des Urteils entscheiden. Kommt er zu dem Schluss, dass es sich doch um zugespitzt formulierte Satire und nicht um üble Nachrede gehandelt hat, könnte ein dritter Rechtsgang notwendig werden. Bestätigt er die Entscheidung dagegen, werde man vor den Obersten Gerichtshof oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen, kündigte Windhager an. (Michael Möseneder, 13.2.2024)

Hinweis: Die Meldung der Austria Presse Agentur wurde um 15.43 Uhr durch eine Gerichtsreportage des STANDARD ersetzt.