Österreich war Trittbrettfahrer bei Gas und bleibt es bis zum Beweis des Gegenteils. Kein anderes Land in Westeuropa hat die Energieversorgung so einseitig auf einen Lieferanten, nämlich Russland, ausgerichtet. Das hat im Dezember darin gegipfelt, dass fast nur noch russisches Erdgas nach Österreich gekommen ist, aus anderen Regionen so gut wie nichts. Für Jänner gibt es noch keine Zahlen, der russische Anteil dürfte aber kaum niedriger ausgefallen sein. Die Rahmenbedingungen haben sich seitdem nicht verändert.

Die Temperaturen sind vergleichsweise mild, die Nachfrage entsprechend niedrig. Russland aber liefert anders als nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 wieder Länge mal Breite. Und die OMV, Österreichs Hauptgasimporteur, nimmt alles, was über die Pipeline kommt, freudig an. Schließlich macht sie ein gutes Geschäft damit. Dank langfristiger Lieferverträge mit der russischen Gazprom kauft sie vergleichsweise günstig ein, verkauft das Gas aber zum Börsenpreis, und der ist deutlich höher.

Ministerin Leonore Gewessler (Grüne)
Hat sich spät, aber doch eingemischt: Ministerin Leonore Gewessler (Grüne).
APA/GEORG HOCHMUTH

Trittbrettfahrerei? In gewissem Sinne auch. Während der Rest Europas seine Abhängigkeit von russischem Pipelinegas deutlich reduziert hat, trägt die OMV munter dazu bei, dass die Abhängigkeit in Österreich hoch bleibt. Man könnte dieses Tun auch Opportunismus nennen. So zu handeln kommt nicht nur der OMV zugute, die damit ihre Bilanzen optimiert. Auch der Finanzminister hat etwas davon: Über den 31,5-Prozent-Anteil der Republik an der OMV kann er nämlich mehr als fette Dividenden einstreifen.

Wunschdenken

Das Trittbrettfahren bei Gas hat in den 1960er-Jahren begonnen. Dank der geografischen Lage als Grenzland zum früheren Ostblock war Österreich mit der OMV der erste Empfänger von Lieferungen aus der damaligen Sowjetunion. Diese Beziehungen wurden gehegt, gepflegt und ausgebaut. 2018 sind die Gasverträge mit tatkräftiger Unterstützung des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) bis 2040 verlängert und um eine Milliarde Kubikmeter im Jahr auf sechs aufgestockt worden. Wenige haben gewarnt, niemand wurde gehört. Russland galt als sicherer Lieferant, die Preise waren okay, also was, haben sich viele gedacht. Dass damit auch der Krieg in der Ukraine finanziert wird, nahm man in Kauf.

Jetzt könnte und sollte man es besser wissen. Eine zu starke Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten ist gefährlich und macht erpressbar. Das ist aber offenbar noch immer nicht bei allen gesickert. Sonst wäre die Abhängigkeit von russischem Gas zwei Jahre nach Ausbruch der Krise nicht so hoch, wie sie ist.

"Wenn der Markt versagt, muss der Staat eingreifen", hat sich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) spät, aber doch eingemischt. Deutschland, das sich in einer ähnlichen Lage wie Österreich befunden hat, war nach den Anschlägen auf die Ostseepipeline Nord Stream gezwungen, Alternativen zu suchen. Und sie wurden auch gefunden.

Österreichs Politik und Teile der Industrie setzten hingegen bis vor kurzem noch darauf, dass der Krieg in der Ukraine rasch endet. Dann werde sich schon alles wieder einrenken. Dieses Wunschdenken sollte man schleunigst aufgeben.

Dass ein Abschied von russischem Gas mit Kosten einhergeht – geschenkt. Man sollte das als Preis für die Polizze in Kauf nehmen, die vor dem Risiko von Lieferausfällen versichert. (Günther Strobl, 13.2.2024)