Wer in Österreich seine Amtsgeschäfte digital erledigt, sollte die Kreditkarte bereithalten. Für automatisierte Services werden nämlich weiterhin Gebühren verlangt. Die Ursachen lassen sich bis in die Kaiserzeit zurückverfolgen.
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Wer bis in die frühen 2000er-Jahre auf ein Amt in Österreich gehen musste, kennt sie wahrscheinlich noch: die berühmt-berüchtigte Stempelmarke. Egal ob man einen Pass beantragte oder eine Meldebestätigung brauchte, immer mussten die Marken auf Papiere geklebt werden. Sie dienten als Beweis dafür, dass die Gebühren auch ordnungsgemäß entrichtet wurden. Da diese Pickerln wie Briefmarken einen fixen Wert hatten, mussten oft mehrere Stempelmarken auf ein einzelnes Dokument geklebt werden, bis die behördlich vorgeschriebene Summe erreicht war. Seit 1854 war das so. Nur zur Einordnung: Dauerregent Kaiser Franz Joseph war da gerade einmal sechs Jahre im Amt.

Zum Glück ist das heute in der digitalen Gesellschaft anders: Die Stempelmarke ist seit der Euro-Einführung 2002 Geschichte. Gebühren kann man überweisen oder per Kreditkarte bezahlen. Doch wofür eigentlich, wenn die meisten Amtsgeschäfte heute digital ablaufen? Früher musste eine Beamtin oder ein Beamter Dokumente ausdrucken oder kopieren, stempeln, unterschreiben, was natürlich Zeit und Geld kostete. Heute wird eine PDF-Datei vollautomatisch von den Servern wie jenen des Bundesrechenzentrums generiert und per E-Mail verschickt. Personalaufwand? Null. Zeitaufwand? Wenige Sekunden für die Datenübermittlung.

Die teure Arbeitskraft eines Menschen ist in diesem gesamten Prozess nicht erforderlich, niemand muss auf einen Knopf drücken oder die Transaktion bestätigen – außer der Antragsteller selbst. Das heißt, die Kosten für den Staat sind, abgesehen vom Betrieb der Server, nicht vorhanden. Dennoch verlangt der Bund für digitale Arbeitsabläufe weiter eifrig Gebühren, und das nicht zu knapp.

Wer sparen will, macht sich strafbar

Wer übersiedelt und seinem Arbeitgeber seinen neuen Wohnsitz mitteilen möchte, muss 3,30 Euro für die Meldebestätigung bezahlen. Anfordern kann man diese in der App Digitales Amt, mit wenigen Fingertippern am Smartphone-Display ist die Anforderung erledigt, und nicht einmal eine Minute später kommt die gewünschte Datei per E-Mail auch an. Drei Euro und 30 Cent mussten vorher freilich dennoch bezahlt werden. Am Aufwand für den Datentransfer kann es nicht liegen: Der Meldezettel hat die Größe von zarten 122 Kilobyte. Wer nicht genau schaut, der läuft sogar Gefahr, 17,30 Euro bezahlen zu müssen. Vor der Anforderung des Dokuments muss man nämlich angeben, wofür man es eigentlich braucht. Wählt man die Option "privat", dann fallen noch einmal 14,30 Euro extra an.

Wer nicht aufpasst, zahlt bei digitalen Dienstleistungen schnell noch eine Gebühr extra. Will man diese aber vermeiden, droht die Polizei sogar mit einer Anzeige beim Finanzamt.
Screenshots Digitales Amt/DER STANDARD

Ein anderes Beispiel: Bei Bewerbungen wird häufig ein Strafregisterauszug verlangt. Dieser wird vom Strafregisteramt der Landespolizeidirektion Wien ausgestellt. Das klingt schon mehr nach einem "klassischen" Amtsgeschäft, tatsächlich wird aber auch dieses Dokument voll digital auf einem Server des Innenministeriums generiert und per Mail verschickt. Die Datei ist mit 199 Kilobyte ebenfalls vergleichsweise winzig, was natürlich auch an der Unbescholtenheit des Testers liegen kann. Dennoch kostet sie 25 Euro. Wer eine "exakt zu benennende juristische Person" hinschreibt, der man den Strafregisterauszug vorlegen muss, kommt mit nur 8,60 Euro plus 2,10 Euro Verwaltungsabgabe noch vergleichsweise günstig davon. Doch Obacht: Wer sich die Strafregisterbescheinigung für sich selbst zum günstigeren Tarif ausstellen lässt, begeht eine Gebührenverkürzung, weshalb direkt in der App mit einer Anzeige beim Finanzamt gedroht wird.

Immerhin: Orden und Leichenpass sind günstiger

Hinter vorgehaltener Hand erfuhr DER STANDARD, dass in manchen Stellen des Bundes selbst über den aktuellen Zustand der Kopf geschüttelt wird. Doch warum werden weiter Aufwandsentschädigungen kassiert, wo kein Aufwand mehr besteht? Hier kommt ein angegrautes Gesetz aus dem Jahr 1957 zum Tragen. Das Gebührengesetz wird zwar regelmäßig aktualisiert, schließlich werden die Beträge an den Index angepasst, also erhöht. Die digitale Revolution ist an dem Regelwerk aber beinahe spurlos vorübergegangen, stattdessen ist darin immer noch von "Stempelgebühren" die Rede.

Immerhin wurde an wenigen Stellen ein Rabatt eingepreist, wenn man auf digitale Services zurückgreift. Will man etwa einen ausländischen Orden annehmen, sollte man sich mit der ID Austria ausweisen. Dann kostet das Ansuchen nämlich nur 28,40 statt der üblichen 47,30 Euro. Auch elektronische Beilagen kosten "nur" 2,30 Euro statt den üblichen 3,90. Den Leichenpass gibt es auch billiger, statt 14,30 Euro um nur 8,60 Euro, wenn man die E-ID verwendet. Den braucht man übrigens, wenn man den Körper eines verstorbenen nach Österreich überführen möchte. Apropos Leiche: Das Gesetz stammt aus einer Zeit, als in Österreich, zumindest noch theoretisch, die Todesstrafe galt.

Ministerien entscheiden, ob sie weiter kassieren

Verantwortlich für die Umsetzung der ID Austria und der digitalen Amtswege ist Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP). In dessen Büro verweist man aber auf die jeweiligen Ministerien. Denn: Es kommt darauf an, in welchem Ministerium welches Register liegt und ob man dort Gebühren für digitale Services erhebt oder eben nicht. Dass "Aufwandsentschädigungen" für digitale Amtswege im Jahr 2024 ein wenig aus der Zeit gefallen sind, will man zwar so nicht sagen, aber immerhin: "Wir sind mit allen Ministerien im Kontakt und arbeiten daran, dass die weiteren digitalen Services ebenfalls kostenfrei angeboten werden können." Einen Zeitplan für die Abschaffung der Digitalgebühren könne man aber nicht nennen.

Spurensuche beim Innenministerium: Auf die Frage, warum man für ein automatisch generiertes PDF und eine E-Mail bis zu 25 Euro für den "Verwaltungsaufwand" verlangt, verweist man auf die Landespolizeidirektionen. Zwar stellt das Innenministerium sämtliche Technik sowie Server zur Verfügung, der Aufwand liege aber bei der Strafregisterbehörde. Also Nachfrage bei der Landespolizeidirektion Wien. DER STANDARD will wissen, welcher Verwaltungsaufwand übrig bleibt, wenn ein Auszug automatisiert erstellt und per Mail verschickt wird. Noch dazu, wenn jemand anderer den Server wartet. Die Antwort sinngemäß: Gute Frage, wir versuchen es herauszufinden. Sobald eine Antwort vorliegt, wird dieser Artikel aktualisiert.

Die gute Nachricht: Anfang des Jahres sind einige Gebühren auch weggefallen. Früher musste man zehn Euro bezahlen, wenn man seine Geburtsurkunde auch digital haben wollte, das ist nun nicht mehr der Fall. Auch der Lebensnachweis fällt neuerdings in die Gratiskategorie. Für alle, die es nicht wissen: Dabei handelt es sich um ein Dokument, mit dem Pensionisten im Ausland einmal im Jahr nachweisen müssen, dass sie noch über Atmung und Puls verfügen sowie das digitale Amt bedienen können. Auch dieses Dokument kostete bislang zehn Euro. Dennoch: Der Geist der Stempelmarke spukt 170 Jahre nach ihrer Einführung und 22 Jahre nach ihrem Scheintod immer noch durch Österreichs Ämter, und es dürfte noch einige Zeit dauern, bis er endgültig ausgetrieben ist. (Peter Zellinger, 15.2.2024)