Hat der Vorarlberger ÖVP-Landtagsabgeordnete und Wirtschaftsbund-Direktor Christoph Thoma in einer Schule derart interveniert, dass es strafrechtlich relevant sein könnte? Während Ermittler diese Frage derzeit klären – Thoma wurde im Jänner angezeigt –, wirft das Vorgehen der Bildungsdirektion bzw. der dafür zuständigen Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) nach wie vor Fragen auf. Zumindest haben die Neos eine parlamentarische Anfrage an die Landesstatthalterin gestellt, mit deren Beantwortung sie alles andere als zufrieden sind.

Was in der Anzeige steht

Im Zentrum der Causa stand bislang eine Pädagogin, die ein Kind Thomas mit einem Nicht genügend benotete. Das Ausmaß der Interventionen durch Thoma dürfte aber größer sein, wie aus der Anzeige hervorgeht, die dem STANDARD nun vorliegt. Darin heißt es, Thoma habe über ein ganzes Schuljahr verschiedene Lehrkräfte wiederholt bedroht, etwa mit Jobverlust und Versetzung. Er habe diesbezüglich explizit seine Kontakte in die Bildungsdirektion und zum Land angeführt, die er als ÖVP-Abgeordneter habe. Die Mails habe Thoma von seiner Wirtschaftsbund-Adresse geschickt. Nicht nur die Benotung ist Thema der Anzeige, Thoma habe sich auch bezüglich der Unterrichtsinhalte eingeschaltet. Mit der Thematisierung von Homosexualität im Biologieunterricht sei er unzufrieden gewesen, auch hier habe er versucht, Druck aufzubauen.

Auch bezüglich Texten im Deutschunterricht zu LGBTIQ habe sich Thoma gemeldet. Davon ist in der Anzeige zwar nichts zu lesen, der Lehrer bestätigte das allerdings den "Vorarlberger Nachrichten". Es sei aber "im Rahmen dessen geblieben, was Lehrern im Zuge einer Meinungsverschiedenheit mit Eltern zumutbar sei".

Welche Unterstützung Lehrpersonen bekommen, wenn sich Eltern stark in ihren Unterricht einmischen, wollen die Neos wissen.
Caroline SeidSeidel-Dißmannel

Die Staatsanwaltschaft ermittelt jedenfalls wegen der versuchten Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt, versuchter schwerer Nötigung und gefährlicher Drohung. Christoph Thoma wies in einer schriftlichen Stellungnahme alle Vorwürfe entschieden zurück. "Ich gehe davon aus, dass diese Anzeige politisch motiviert ist", hält der Abgeordnete bezüglich der anonymen Anzeige fest. Er und seine Frau seien schockiert, dass versucht werde, auf dem Rücken seiner Familie "parteipolitische Vorteile" zu erzielen.

Unbeantwortete Fragen

Die Neos wollten nun unter anderem wissen, wie Lehrpersonen allgemein von der Bildungsdirektion unterstützt werden, wenn vonseiten der Eltern interveniert wird. Sie stellten aber auch einige Fragen zur Causa Thoma. Schöbi-Fink antworte hierzu jedoch nur ausweichend, monieren die Neos – und bringen deswegen nun eine Folgeanfrage ein. Die Landesrätin habe nämlich einen völlig anderen, gar nicht erfragten Sachverhalt zu einem eventuellen Nicht genügend eines Kindes von Thoma beantwortet. Wie die Bildungsdirektion mit der Lehrerin bezüglich des Drucks auf sie umgegangen ist, welche Unterstützung die Pädagogin erfuhr und welche Konsequenzen gezogen wurden, sei hingegen unbeantwortet geblieben.

Schöbi-Fink gibt in der ersten Beantwortung an die Neos zwar an, im Juni in einem privaten Gespräch mit Thoma von der Situation erfahren zu haben. Ob damit nur die Diskussion über das Nicht genügend oder auch sein womöglich übergriffiges Verhalten gemeint ist, bleibt offen. Die Frage, welche Schritte sie in der Folge unternommen habe, beantwortet die Landesrätin jedenfalls mit "keine".

Fraglicher Rückhalt

Die Neos wollen es nun nochmals wissen. Auch weil die "Vorarlberger Nachrichten" unlängst berichteten, die Pädagogin sei von der Behörde lange "im Regen stehen gelassen" worden, außerdem sei eine "versprochene öffentliche Erklärung bezüglich des inakzeptablen Verhaltens von Christoph Thoma" der Bildungsdirektion ausgeblieben.

"Dieses Gesamtbild und auch die unzureichende Anfragebeantwortung wirft neue Fragen über den Umgang der politisch Verantwortlichen mit der Causa auf: Wer erhielt hier von politisch Seite wirklich die notwendige Rückendeckung?", sagt Neos-Klubobmann Johannes Gasser. Es sei entscheidend, dass Lehrpersonen in heiklen Situationen unterstützt werden. "Das Mindeste ist, eine Antwort und entsprechenden Rückhalt zu bekommen. Das ist im vorliegenden Fall – trotz Kontaktaufnahme mit der Landesregierung – wohl nicht geschehen."

Dem STANDARD sagte die Pressesprecherin der Bildungsdirektion vor wenigen Wochen, es habe lediglich ein reguläres Widerspruchsverfahren stattgefunden. Dabei handle es sich um ein zulässiges Rechtsmittel gegen die Nichtberechtigung eines Schülers oder einer Schülerin zum Aufstieg in die nächste Klasse. "Weitere Vorwürfe, die aktuell im Raum stehen, also zum Beispiel der Vorwurf der Nötigung, waren nicht Gegenstand unserer Prüfung." (Lara Hagen, 15.2.2024)