Saufrituale, elitäres Gehabe, Männlichkeitskult, gegenseitige Körperverletzungen und ein reaktionäres Weltbild: So gestaltet sich das Leben auf den Buden deutschnationaler Studentenverbindungen in Österreich, die der Schriftsteller Stefan Zweig einst spöttisch "Schmiss-Germanen" nannte. Eine zentrale Veranstaltung dieses Milieus ist der jährliche Akademikerball der Wiener FPÖ.

Burschenschafter, Polizist, Hofburg
Ballgäste des Akademikerballs 2023.
Foto: Christian Fischer
Demonstrierende mit Transparenten
Demonstration gegen den Ball 2023 in Wien.
Foto: Christian Fischer

Verankert im Rechtsextremismus

Seit mehr als 100 Jahren kommen aus diesem Milieu Personen, die eine wesentliche Rolle im Rechtsextremismus in Österreich spielen und spielten.

Ein kurzer Blick auf die aktuellen Internetauftritte von schlagenden Burschenschaften genügt, um ihre Verbindung zur rechtsextremen Szene zu erkennen. Auf dem Instagram-Account der Wiener Olympia findet man zum Beispiel einen Beitrag von Gernot Schmidt, einem führenden Aktivisten der Identitären. Er ist für die "Action" in der rechtsextremen Gruppe verantwortlich.

Hausfassade
Haus der Olympia in Wien.
Foto: STANDARD / Heribert Corn

In der Olympia sind auch FPÖ-Politiker Mitglieder, darunter der Nationalratsabgeordnete Martin Graf. Der freiheitliche Parteichef Herbert Kickl wird jedoch auch dieses Jahr dem Ball fernbleiben, da er wenig mit Burschenschaftern und ihren Ritualen anfangen kann. Martin Sellner, De-facto-Anführer der Identitären, war früher Mitglied der Olympia und tummelt sich noch immer in diesem Milieu, wie seine Besuche der Akademikerbälle der vergangenen Jahre zeigen.

In jungen Jahren bei der Vapo, heute bei der FPÖ

Auf der Homepage der Wiener Teutonia, einer weiteren schlagenden Verbindung, findet sich ein Foto, das einen Mann zeigt, der in seiner Jugend Kameradschaftsführer der Vapo war, einer neonazistischen Gruppe um Gottfried Küssel. Heute arbeitet dieser Mann für die FPÖ und möchte mit seiner Vergangenheit nichts mehr zu tun haben. Die Vapo hatte das Ziel, die NSDAP neu zu gründen und erneut an die Macht zu kommen. Sie betrachtete sich als Neuauflage der SA und sorgte mit Gewalttaten wie dem Werfen von Molotowcocktails auf ein Flüchtlingsheim und ein besetztes Haus in Wien-Mariahilf sowie mit Schmierereien, Aufmärschen, Wehrsportübungen und Waffensammlungen für Schlagzeilen.

Die Gruppe wurde im Zuge der Ermittlungen nach den rechtsextremen Briefbombenattentaten 1993 von den Behörden zerschlagen. Reste der Gruppe sind heute in der "Corona-Querfront" aktiv, die bei Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Erscheinung tritt.

KZ-Häftlinge als "Landplage" bezeichnet

Auf Instagram ist zu sehen, dass die Leobener Burschenschaft Leder rechtsextreme Bücher und das "Freilich Magazin" bewirbt. Das Magazin hat die Nachfolge der "Aula" angetreten, die 2018 eingestellt wurde, nachdem sie den Bogen überspannt hatte. In der Zeitschrift wurden damals KZ-Häftlinge als "Landplage" bezeichnet.

Eine ähnliche Sichtweise vertritt auch der oberösterreichische Maler Odin Wiesinger, der Mitglied der Burschenschaft Scardonia zu Schärding ist. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Profil" im Jahr 2019 behauptete er, dass unter den KZ-Häftlingen keine "feinen Menschen" oder "angenehmen Zeitgenossen" gewesen seien.

Odin Wiesinger im Kilt auf einem Gehsteig gehend
Odin Wiesinger, als er im vergangenen Jahr eine Veranstaltung der Identitären in Steyregg besuchte.
Foto: Markus Sulzbacher

Ein bekannter Burschenschafter, der Menschen in KZs verschleppen ließ, war Ernst Kaltenbrunner, ein Mitglied der Burschenschaft Arminia Graz. Als Chef des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) spielte Kaltenbrunner eine zentrale Rolle in der nationalsozialistischen Terror- und Tötungsmaschinerie. Er war maßgeblich an der Deportation und Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden beteiligt. Kaltenbrunner wurde 1946 im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess verurteilt und hingerichtet.

Männer in NS-Uniformen
Ernst Kaltenbrunner (links) und SS-Chef Heinrich Himmler bei der Inspektion des KZ Mauthausen.
Foto: Deutsches Bundesarchiv

Laut Angelika Maczek, die eine Diplomarbeit über Kaltenbrunner verfasst hat, prägte seine Zeit in der Burschenschaft Arminia Graz seine Ideologie maßgeblich. Auf der Website der Grazer Arminia wird der Name Kaltenbrunner nicht erwähnt, aber der Tod von Leo Mardaunig, einem "Bundesbruder" und Terroristen, der 1934 am Juliputsch teilnahm und dabei ums Leben kam.

Als Burschenschafter organisierte Kaltenbrunner judenfeindliche Aktionen

Während seiner Zeit als Burschenschafter in Graz organisierte Kaltenbrunner laut Maczeks Recherchen judenfeindliche Aktionen und nahm an Trauerfeierlichkeiten für Georg Ritter von Schönerer teil, einem radikalen Antisemiten, Burschenschafter und Vorbild Hitlers.

Im Jahr 1930 trat Kaltenbrunner der österreichischen NSDAP bei und ein Jahr später der SS. Nach dem gescheiterten Juliputsch 1934 wurde er für einige Monate inhaftiert. Nach seiner Entlassung war er 1935 Sekretär von Anton Reinthaller, einem der bekanntesten Nazis der Ersten Republik, der 1956 zum ersten Parteivorsitzenden der FPÖ gewählt wurde.

Der drittmächtigste Mann im "Deutschen Reich"

Als die Nazis am 11. März 1938 die Macht in Österreich übernahmen, waren Kaltenbrunner und Reinthaller zur Stelle. Reinthaller wurde kurzzeitig Landwirtschaftsminister in einer aus Nazis bestehenden Regierung unter Bundeskanzler Arthur Seyß-Inquart. Kaltenbrunner wurde zum "Staatssekretär für das Sicherheitswesen im Lande Österreich" und Führer des SS-Oberabschnitts Donau ernannt. 1943 wurde er Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und direkt verantwortlich für zahlreiche Verbrechen. Die 1939 geschaffene Behörde fasste die verschiedenen Dienststellen des Staates, zum Beispiel die Geheime Staatspolizei (Gestapo), Sicherheitspolizei und der NSDAP (vor allem der SS), zusammen. Das RSHA wurde zu einem Unterdrückungsinstrument des nationalsozialistischen Staates entwickelt. Wer an der Spitze stand, galt nach Adolf Hitler und SS-Reichsführer Heinrich Himmler als der drittmächtigste Mann im "Deutschen Reich", hatte seine Augen und Ohren überall, wusste alles, erfuhr alles und konnte alles befehlen. Ein Referat leitete die Vernichtungsaktion gegen die Jüdinnen und Juden.

Kaltenbrunner war der ranghöchste österreichische Nationalsozialist, der den Zweiten Weltkrieg überlebte. Nach seinem Tod war dies Reinthaller. Dieser war nicht nur SS-General, sondern von 1939 bis Kriegsende Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin. Einer politischen Karriere in der Zweiten Republik war dies damals kaum hinderlich. (Markus Sulzbacher, 16.2.2024)