1,2 Milliarden Euro brutto: Auf diesen gewaltigen Betrag schätzt die Agenturgruppe Havas Village Wien die Werbebuchungen öffentlicher Stellen von Bundesregierung und Landesregierungen über Gemeinden bis hin zu Firmen im wesentlichen Staatsbesitz. Netto – also nach Abzug von Rabatten, Sonderkonditionen und Agenturprovisionen – dürften das nach Agentureinschätzung rund 600 Millionen Euro sein. Das wäre damit dreimal mehr, als öffentliche Stellen bisher nach dem Medientransparenzgesetz gemeldet haben.

Michael Göls, CEO der Agenturgruppe Havas Village Wien.
Michael Göls, CEO der Agenturgruppe Havas Village Wien.
Havas Anna Stöcher

Dreimal so viel wie gemeldet?

Die Schätzung von 1,2 Milliarden Euro brutto pro Jahr nannte Havas-CEO Michael Göls am Donnerstag bei einer Informationsveranstaltung seiner Agentur über die neuen Medientransparenzregeln für öffentliche Stellen und Medien, die seit 1. Jänner in Kraft sind. Auch der Realitycheck, dass de facto rund die Hälfte dieser Summe tatsächlich an Buchungsvolumen bei Medien landen dürfte, stammt, auf STANDARD-Anfrage, von ihm.

Dreimal so viel Werbevolumen öffentlicher Stellen wie bisher gemeldet? Das kann nicht zuletzt an vielen Ausnahmen für die Meldung an die Medienbehörde Komm Austria liegen, die mit diesem Jahr allerdings wegfallen. Mit 2024 ist die Bagatellgrenze von 5.000 Euro Werbeschaltung pro Quartal gefallen, unter der Buchungen bisher nicht zu melden waren. Und ab diesem Jahr sind auch Schaltungen bei nicht periodischen Medien zu melden – bisher umgingen öffentliche Stellen und Medienunternehmen die Meldepflicht mit seltener als viermal jährlich erscheinenden Medien, Beilagen und ähnlichen "nicht periodischen" Medien.

Nun sind mit dieser neuen Meldepflicht für nicht periodische Werbeträger Unmengen von weiteren Zahlungen öffentlicher Stellen der Medienbehörde zu berichten. Bei der Rundfunk- und Telekom-Regulierungsgesellschaft (RTR), der Verwaltung der Medienbehörde, staunten Ländervertreter etwa schon, dass sie nun ihre auch kleinsten Sponsorings vieler Hundert Sportvereine melden müssen.

Freude auf die Datenflut

"Wir freuen uns auf eine Datenflut, die wir entgegennehmen und verarbeiten dürfen", sagte dazu Stefan Rauschenberger, Leiter Abteilung Recht Medien bei der RTR, bei der Veranstaltung. Komm Austria und RTR informieren derzeit auch in eigenen Veranstaltungen landauf, landab über das neue Medientransparenzgesetz und seine Anforderungen.

Die RTR hat nun auch die Aufgabe, die Daten leicht zugänglich zu visualisieren. Bisher musste sie die Daten nach zwei Jahren löschen – was historische Vergleiche und Entwicklungen allen erschwerte, die die Daten nicht rechtzeitig gespeichert hatten.

Ab 10.000 Euro Buchungsvolumen für eine Kampagne müssen nun auch die geschalteten Sujets an die Behörde geschickt werden. Ab 150.000 Euro Kampagnenvolumen müssen die schaltenden Stellen auf ihren eigenen Webseiten (Einstiegsseite) Berichte veröffentlichen, welche Ziele sie mit der Kampagne verfolgten und welches "konkrete Informationsbedürfnis" sie damit decken, die Relevanz des behandelten Themas für die Zielgruppe erklären und begründen, warum sie diese Medien und Zielgruppen gewählt haben. Bei Kampagnenvolumina ab einer Million Euro müssen die schaltenden Stellen Wirkungsanalysen liefern, die sie ebenfalls selbst "leicht auffindbar" auf der Einstiegsseite ihrer Webseiten veröffentlichen müssen.

Bei der Veranstaltung der Mediaagentur Havas referierte auch der Wiener Anwalt Michael Borsky (Ruggenthaler, Rest & Borsky) über Anforderungen des neuen Medientransparenzgesetzes. Er appellierte, bevor er sich den juristischen Feinheiten und Hürden widmete, an die öffentlichen Stellen und Firmen: "Schalten sie weiterhin, den Medien geht es wirtschaftlich nicht gut, die Medien brauchen das Geld."

Erste neue Transparenzdaten im Herbst

Die ersten Medientransparenzdaten nach den neuen Regeln werden im Oktober veröffentlicht, dann über das erste Halbjahr 2024. Auch das ist neu: Die Daten werden künftig statt vierteljährlich nun halbjährlich gemeldet und veröffentlicht.

Einmal noch publizieren Medienbehörde Komm Austria und RTR aber noch nach dem alten Schema: Bis 15. März veröffentlichen sie die Daten über Werbebuchungen öffentlicher Stellen im vierten Quartal 2023 noch mit Ausnahmen für Buchungen unter 5.000 Euro und nicht periodische Medien. (Harald Fidler, 16.2.2024)