Netflix ist mit weltweit 260 Millionen Abos Marktführer am Streamingmarkt.
Netflix ist mit weltweit 260 Millionen Abos Marktführer am Streamingmarkt.
REUTERS/Dado Ruvic/Illustration/File Photo

Frage: Warum faszinieren uns Serien?

Antwort: Serien faszinieren, weil sie einen Ausflug aus dem Alltag ermöglichen. Menschen sind gierig nach Geschichten. Serien sind darin ähnlich wie Romane, sie führen uns in eine Welt der Unterhaltung, der Spannung. Wir identifizieren uns mit Figuren und freuen uns von Kapitel zu Kapitel auf die Fortsetzung.

Frage: Welche Genres boomen gerade besonders?

Antwort: Eindeutige Trends sind in der gegenwärtigen Serienflut kaum auszumachen. Unabhängig von gesellschaftlichen Stimmungen ist das allzeit dominierende Genre der Krimi in allen Ausformungen – düster wie "True Detective", humorvoll wie "Poker Face" oder als True Crime wie "Dahmer". Hoch im Kurs sind derzeit Dystopien. Ungeachtet von Pandemie und Krise boomen Serien, in denen die Welt als unwirtlich beschrieben wird – etwa in "The Last of Us" oder "Severance" – und wo sich Menschen behaupten müssen. Der Erfolg von "Succession" beflügelte zuletzt Showrunner mit Familiengeschichten. "The White Lotus" zog weitere Serien über Urlaubende nach. Eine weitere beliebte Kategorie sind Außenseiter. Die Superheldinnen und -helden von Marvel und DC finden nicht zuletzt deshalb ihr verlässliches Publikum – wenngleich sich eine gewisse Sättigung eingestellt haben dürfte.

Frage: Wer entscheidet eigentlich, was zu einer Serie wird?

Antwort: In den meisten Fällen übernehmen das Sender beziehungsweise Streaminganbieter wie Netflix, Amazon Prime und Disney selbst, die auch produzieren. Sie sichten Angebote und beauftragen Drehbuchautoren, sogenannte Showrunner. In den USA werden ganze Autorenteams engagiert, die im sogenannten Writers' Room arbeiten. Diese Praktik ist in Europa noch weitgehend unüblich, weil die Dimensionen deutlich kleiner sind als in Übersee. Da wie dort werden Produktionsfirmen beauftragt, etwaige Koproduktionspartner gesucht. Diese stehen in engem Austausch mit den Sendern und Streaminganbietern.

Frage: Wie sieht der Entscheidungsprozess im Detail aus?

Antwort: Am Anfang steht die Idee. Kreative Menschen schicken Sendern und Plattformen ein Exposé, mit dem sie bei den Verantwortlichen Interesse wecken wollen. Ein klassisches Pitch-Paper skizziert auf wenigen Seiten, worum es in der Serie geht, wer die wichtigsten Charaktere sind, beschreibt Erzählstruktur, Umsetzungsstil und Handlungsschauplätze.

Frage: Und wer fällt die Letztentscheidung?

Antwort: Die Entscheidung, was eine Serie wird, fällt heutzutage so gut wie immer unter marktwirtschaftlichen Aspekten. Alle Anbieter, egal ob Netflix, Amazon Prime Video, Disney oder Canal+ und Joyn, wollen ein möglichst großes Publikum binden. Wie viele Zuschauer verspricht die Serie? Wie viele neue Abos darf sich die Plattform erwarten? Danach wird entschieden.

Frage: Inwieweit spielen gesellschaftliche Strömungen und Stimmungen eine Rolle in Entscheidungsprozessen?

Antwort: Filme und Serien sind von Menschen gemacht, und die wiederum leben nicht im luftleeren Raum. Serieninhalte stehen immer in unmittelbarem Zusammenhang mit Populärkultur, spiegeln Stimmungen wider und transportieren diese.

Gleichzeitig geht es bei Sendern – und immer mehr auch bei Streaminganbietern mit ihren Werbeangeboten – um die passende Werbewirksamkeit. Die Frage, ob die Serie zum Image des jeweiligen Kanals oder der Plattform passt, hat erhebliche Bedeutung für die Entscheidung.

Frage: Wie sieht es mit internen Qualitätskriterien aus?

Antwort: Zu den kaufmännischen Entscheidungsgrundlagen zählt auch das Argument der USP (Unique Selling Proposition): Mit welcher Serie mache ich mir einen Namen? Wie kann ich mir ein Alleinstellungsmerkmal sichern? Netflix gelang das etwa mit "House of Cards", HBO mit "Game of Thrones", dem ORF mit "Vorstadtweiber". Wenn eine Plattform eine Serie im Angebot hat, mit der sie identifiziert wird, ist das Gold wert.

Frage: Bei einigen Serien nimmt die Qualität von Staffel zu Staffel ab. Ist das so und warum?

Antwort: Wenn eine erste Staffel sehr erfolgreich ist, gilt es als besonders schwierig, die zweite Staffel ebenso erfolgreich zu machen, siehe "True Detective" oder "Fargo". Trotz penibler Marktforschung ist der kalkulierte Serienerfolg ein Mythos. Das hat mit den Erwartungshaltungen zu tun. Für die Macher ist es wirklich schwer, diese Erwartungen zu erfüllen.

Frage: Umgekehrt scheinen manche Serien nie zu enden, obwohl die Geschichte eigentlich auserzählt ist.

Antwort: Und doch scheinen sie sich zu rechnen. Die Entscheidung zu canceln fällt schnell und unbarmherzig. Das hat speziell die Krisensituation Mitte des Jahres 2023 gezeigt, als unter dem Eindruck von Krise, Teuerung und Streik in Hollywood reihum Serien gestrichen wurden. Davon sind alle betroffen, auch die großen Streamer.

Zuletzt sah man das etwa bei Netflix, wo allein 2023 29 Serien gecancelt wurden. Darunter befanden sich Projekte, die als Erfolg kalkuliert und vermutlich für länger geplant waren, zum Beispiel "Shadow and Bone", "Glamorous", "Vikings: Valhalla" und "Man vs. Bee". In die Kategorie Kostenmanagement gehört Netflix' Deal mit Warner und HBO-Serien wie "Sex and the City" und "Insecure". Weitere Lizenzen sollen folgen. Netflix stöbert auch in anderen Serienbibliotheken, etwa bei Paramount+. So erspart man sich teure Originals und bietet einen vollen Katalog.

Frage: Wer sind die großen Player im Streamingbusiness?

Antwort: Der Streamingmarkt wird von drei großen Playern dominiert – Netflix, Amazon und Disney. Mit rund 260 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten im vierten Quartal 2023 führt Netflix diese Liste an und dürfte sich damit mit Amazon Prime matchen. Verschiedene Marktforschungsunternehmen schätzen die aktuelle Zahl der Prime-Abonnenten weltweit auf zwischen 250 und 300 Millionen. Amazon gibt keine Zahlen bekannt. Disney+ zählt rund 150 Millionen Abos und nimmt Platz drei ein.

Frage: Serien gibt's wie Sand am Meer. Wie viele werden denn im Jahr produziert?

Antwort: Schätzungen zufolge kamen 2023 allein in den USA 500 auf den Markt, weltweit dürften es mehr als 1.600 sein.

Frage: Wie viele Streaminganbieter gibt es weltweit?

Antwort: Sorry, das lässt sich wirklich nicht sagen.

Frage: Wie gestaltet sich denn der Handel mit Serien? Gibt es einen Katalog irgendwo im Internet, so wie Zalando, wo Sender Serien einkauft?

Antwort: Der Handel mit Serienrechten ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren abhängt. Geht es um Fiktion, Non-Fiktion, Drama oder Comedy? Wer ist die Zielgruppe? Um welches Verbreitungsgebiet geht es? Ist die Serie im Streaming zu sehen oder im Fernsehen – oder beides? Verkäufer von Serienrechten können Produzenten sein, Vertriebsfirmen oder Sendeanstalten. Käufer von Serienrechten sind Streaminganbieter, Fernsehsender oder Kabel- und Satellitenanbieter. Der Handel mit Serienrechten erfolgt teils im Direktvertrieb, zumeist aber auf internationalen Messen. Die größte europäische Messe findet halbjährlich in Cannes statt. Dort treffen sich Käufer und Verkäufer und schließen ihre Deals ab. Der Verkauf von Serienrechten wird in einem Vertrag geregelt. Preisrelevant sind etwa Reichweite, Medium, Fristen und Spielungen, also wo und wie oft sie ein Lizenznehmer wiederholen darf.

Frage: Wird jeder Film oder jede Serie einzeln gekauft?

Antwort: Meistens erfolgen die Abschlüsse in Gesamtpaketen. Das heißt: Wer "Oppenheimer" will, erhält automatisch Rechte für weniger hochwertige Angebote. Geändert hat sich die Größe der Pakete. Die Rechteinhaber passen ihr Angebot an erwartete Bedürfnisse an.

Frage: Wie viel kostet die Lizenz für einen Film oder eine Serie?

Antwort: Das variiert je nach Produkt und Land. In der Regel liegen die Kosten für eine nationale Sendelizenz für eine Serie zwischen 5.000 und 500.000 Euro. Der Markt regelt die Preise. (Doris Priesching, 17.2.2024)

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