Bis in die späten 1980er-Jahre galt Japan als wirtschaftliches Zugpferd und Innovationsbringer für die Weltwirtschaft. Autos oder elektronische Geräte aus dem Land der aufgehenden Sonne waren Exportschlager, 1989 stammten die acht weltgrößten Börsenkonzerne allesamt aus Japan. Doch dann platzen am Aktien- und Immobilienmarkt Blasen, der Faden war gerissen – und zwar dauerhaft, das Land fiel wirtschaftlich sukzessive zurück. Erst wurde die zuvor unangefochtene Nummer zwei hinter den USA von China überholt und nun auch noch als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt abgelöst. Und zwar von Deutschland, das gerade wie Japan in einer Rezession steckt.

Alte Männer spielen Rugby.
In Japan ist die demografische Entwicklung weit fortgeschritten, die Gesellschaft ergraut zusehends. Im Bild das Training eines japanischen Rugbyteams für Spieler über 70 Jahre.
AFP/KAREN HAIBARA

Japan erreichte im Jahr 2023 eine Wirtschaftsleistung (BIP) von umgerechnet 4,2 Billionen Dollar, jene von Deutschland lag mit 4,5 Billionen Dollar deutlich darüber. Wobei allerdings weniger Deutschlands Stärke dafür verantwortlich ist, sondern die Schwäche des japanischen Yen. Da die Bank of Japan weiterhin ihre Nullzinspolitik durchzieht, flieht das Kapital in besser verzinste Währungsräume wie Euro oder US-Dollar. Gegenüber beiden Währungen hat der Yen vergangenes Jahr im zweistelligen Prozentbereich eingebüßt.

Zu wenig Kinder

Allerdings steht der schwache Yen symbolisch für die strukturellen Probleme des Landes. Allen voran macht die Demografie zu schaffen: Mit 1,3 Kindern pro Frau hat das Land mit derzeit knapp 125 Millionen Einwohnern eine der niedrigsten Geburtenquoten weltweit. Zum Vergleich: Um die Bevölkerung konstant zu halten, wären 2,1 Kinder nötig. Die Folge: Die Bevölkerung überaltert und schrumpft. Knapp nach der Mitte dieses Jahrhunderts werden voraussichtlich weniger als 100 Millionen Menschen in Japan leben.

Der Sozialstaat ist schon jetzt kaum zu finanzieren, und es herrscht ein Mangel an Arbeitskräften, da die Migration geringgehalten wird. Unter den nicht einmal drei Millionen Ausländern im Land sind befristete Jobs die Regel, kaum jemand hat eine Bleibeperspektive.

Dauerhafte Stagnation

"Ein strukturelles Grundübel ist, dass Japan in der Demografie und Alterung der Gesellschaft Europa und den USA weit voraus ist", sagt Wifo-Ökonom Harald Oberhofer. Dies schlage aber zwangsläufig auf die wirtschaftlichen Potenziale des Landes durch, ergänzt er mit Blick auf die dauerhafte Stagnation – was allerdings wegen der Migrationsskepsis bewusst in Kauf genommen werde. Es ergebe ein "spannendes Bild", das Oberhofer zufolge zeigt, was passiert, wenn man einen ähnlichen Weg gehen würde.

Allerdings hat die schrumpfende Bevölkerung auch einen Vorteil: Selbst wenn die Wirtschaft insgesamt nicht mehr wächst, wird der Kuchen auf immer weniger Menschen aufgeteilt. Das BIP pro Kopf steigt also, was als Wohlstandsgewinn wahrgenommen wird.

Wenig Innovationen

Der Ökonom verweist jedoch auch darauf, dass eine überalterte Gesellschaft tendenziell weniger innovationsfreudig sei. Vor allem Junge gründen Start-ups und sind generell offener für disruptive Entwicklungen. Ablesen lässt sich das etwa im Bereich der IT und elektronischer Produkte, wo das Land einst führend war, aber wichtige Entwicklungen verschlafen habe. In einem Bericht prangerte die Tokioter Börse Anfang 2023 die geringe Ertragskraft japanischer Unternehmen an. Weiterhin ist enorm viel Kapital in strukturfestigenden Kreuzbeteiligungen gebunden, anstatt es an die Eigentümer auszuschütten.

Man sollte sich auch keinen Sand in die Augen davon streuen lassen, dass sich die Börse gemessen am Nikkei-225-Index nur knapp unter dem Rekordhoch befindet. Dieses stammt nämlich aus dem Jahr 1989, ist also bereits 35 Jahre alt. Die meisten anderen Börsen konnten in dieser Phase massiv zulegen, vor allem in den USA, aber auch in Deutschland. Dennoch sollten es sich die Deutschen nicht allzu gemütlich machen auf dem Platz der drittgrößten Volkswirtschaft – denn der wird ohnedies bald wieder perdu sein.

Mit Indien schickt sich nämlich der bevölkerungsreichste Staat der Erde an, sowohl Japan als auch Deutschland bald hinter sich zu lassen. Denn das Land will mit starkem Wachstum innerhalb von drei Jahren zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Die Wirtschaftsleistung werde bis jährlich um zumindest sieben Prozent wachsen und bis dahin voraussichtlich fünf Billionen Dollar erreichen, geht aus einem Bericht der indischen Regierung hervor. Nach Einschätzung von S&P Global Ratings wird Indien in den nächsten drei Jahren das wachstumsstärkste Land unter den großen Volkswirtschaften bleiben. (Alexander Hahn, 18.2.2024)