Wieder einmal eine Schießerei, sinnlos, mörderisch, mit freien Schnellfeuerwaffen in eine Menge. Diesmal nicht in einer Schule, sondern bei der Super-Bowl-Siegesparade der Kansas City Chiefs. Die ständigen Shootings sind das krasseste Symbol für den Wahnsinn, der große Teile der US-Bevölkerung erfasst hat: Freier Waffenbesitz ist das Dogma der Rechten, der Republikaner, der Trump-Wähler.

Donald Trump sollte wegen Aufruhrs und eines Putschversuchs vor Gericht stehen. Er hetzte am 6. Jänner 2021 einen Mob zum Sturm auf das Kapitol auf, um die verlorene Wahl doch noch zu "gewinnen". Der Mann gehört hinter Gitter, auch wegen weiterer Versuche, das Ergebnis doch noch umzudrehen. Aber ein Prozess wegen des Staatsstreichs scheint in weiter Ferne.

Donald Trump
Seine Fans lassen Donald Trump offenbar alles durchgehen.
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Trump ist de facto Präsidentschaftskandidat, und eine riesige Mehrheit der Republikaner und sonstiger Konservativer (70 Prozent) glaubt, dass er der wahre legitime Präsident ist, nicht Joe Biden. Insgesamt glaubten das 30 Prozent aller US-Amerikaner.

Daran ändern auch die sichtbaren Wahnsinnigkeiten von Trump nichts. Nicht seine Drohung, Nato-Mitglieder an Wladimir Putin zu übergeben, damit er "zum Teufel mit ihnen macht, was er will". Auch nicht seine immer sichtbareren geistigen Ausfälle. Alle reden über Bidens Schwäche, aber wenn wer Anzeichen von Demenz zeigt, dann Trump. Er glaubt wirklich , dass er die Wahl gewonnen hat.

Veraltetes US-Wahlsystem

Warum hält trotzdem eine knappe Hälfte des Elektorats zu ihm? Vorausgeschickt sei, dass Trump im Jahr 2016 drei Millionen Stimmen weniger hatte als Hillary Clinton, wegen des veralteten US-Wahlsystems, wo ein paar "Swing States" den Wahlausgang bestimmen, aber trotzdem gewann. Er hat auch jetzt mit Sicherheit keine Stimmenmehrheit, aber da ist eben das Wahlsystem, und seine Anhänger sind von ihm mehr überzeugt als die Demokraten von Biden.

Die Erklärung, warum zum Beispiel evangelikale Christen dem Ehebrecher Trump alles verzeihen, liegt in einer bitteren Wahrheit: Trump ist der Kandidat der weißen Unterschicht und unteren Mittelklasse, die um ihre Identität fürchtet. "Trump hat die Republikaner in die Partei der weißen Arbeiterklasse verwandelt, stark verwurzelt in ländlichen Gemeinden und voll der Ressentiments gegen die Globalisierung, während Bidens Demokraten zusehends die Partei der Bessergebildeten und ökonomisch Bessergestellten wurden, die im Informationszeitalter prosperieren", schreibt Peter Baker in der NewYork Times. "Die Amerikaner sind nicht nur unterschiedlicher Meinung, sondern leben in verschiedenen Realitäten, jede mit ihrer eigenen selbstverstärkenden Internet- und Media-Ökosphäre."

Oder noch einfacher: Die Wähler der Republikaner fürchten schlicht den Verlust der Vorherrschaft der Weißen. Sie lassen Trump alles durchgehen, obwohl viele von ihnen ahnen, dass er völlig ungeeignet ist. Aber er vertritt ihr Lebensgefühl.

Selbstverständlich machen diese Leute nicht genau die Hälfte aus. Es gibt genug "Independents" oder rationale Konservative, die Trump für eine Gefahr halten. Die Hoffnung ist, dass doch deutlich weniger als die Hälfte der US-Amerikaner verrückt geworden sind. Aber er hatte 2020 immerhin 46,8 Prozent der Stimmen. Und wenn ein paar entscheidende Bundesstaaten entsprechend abstimmen, gewinnt er diesmal wieder. (Hans Rauscher, 16.2.2024)