Komödie Reza Identität Céline Dion
Die Psychiaterin (Alexandra Krismer, li.) gibt in "James Brown trug Lockenwickler" den Ton an: Jacobs Eltern (Juergen Maurer, Maria Köstlinger) kommen aus dem Staunen nicht heraus.
c: Moritz SCHELL

Es müssen wahrhaft bestürzende Umstände sein, die ein Menschenkind dazu veranlassen, von sich zu glauben, es sei Céline Dion. In Yasmina Rezas Stück James Brown trug Lockenwickler passiert genau dies. Prompt wird der Spleen des jungen Jacob (Julian Valerio Rehrl) von den Eltern als ausreichend erachtet, um sein weiteres Geschick psychiatrischer Pflege anheimzustellen.

Berückend großzügig und fein ausgepolstert ist die Gummizelle, in der Jacob alias Céline von jetzt ab residiert (Bühne: Sabine Freude). In den Wiener Kammerspielen, dem österreichischen Erstaufführungsort von Rezas merkwürdigem Gedankenspiel, bietet das zauberhafte Wesen sein Antlitz furchtlos der Windmaschine dar. Ganz in blaue Seide gehüllt, den Adamsapfel vor Wind und Wetter verborgen, probt die frisch gebackene Liedsängerin im Geiste ihr Repertoire. In den Globalen Süden soll ihre Konzerttour gehen. Nicht ohne Beklommenheit denkt man – mit Bezug auf Dion – an den Untergang der Titanic.

Die Pariser Weltdramatikerin Yasmina Reza steht nicht grundlos in dem Ruf, aus wohlanständigen Reichen Bornierte zu machen, deren Wahn durch Witz entlarvt wird. Der Ausgangspunkt – er stammt aus dem Reza-Roman Glücklich die Glücklichen – ist diesmal ähnlich. Mit dem störrischen Parasitieren am Weltruhm der Schnulzensängerin stürzt Jacob gerade seine lieben Spießereltern in größte Verlegenheit. Und es ist schon recht vergnüglich, den beiden Rabeneltern dabei zuzusehen, wie sie einträchtig in das Kuckucksnest ihres Sprosses einfliegen. Vor Zweckoptimismus überlaufend wie Mama Pascaline (Maria Köstlinger), von Widerwillen gebläht wie Papa Lionel (Juergen Maurer).

Rasch verpufft

Merkwürdigerweise scheint ausgerechnet die sadistische Chefpsychiaterin (Alexandra Krismer) ihrerseits auf therapeutische Hilfe angewiesen. Oder ist sie Bestandteil eines Komplotts? Das zugrunde gelegte Thema verpufft rasch: Die Beliebigkeit, mit der uns die Zurschaustellung von Identitäten abverlangt wird, gerät in Sandra Cerviks betulicher Regie in konfliktbereinigtes Komödienfahrwasser.

Ein Sauberkeitszwängler (Dominic Oley), der glaubt, er sei ein Schwarzer, freundet sich mit der Möchtegern-Diseuse an. Gemeinsam buddeln die beiden in finsterer Nacht ein tropisches Feigengehölz aus dem harten Anstaltsboden, um das niedliche Pflänzchen näher bei sich zu haben. Mehr Dramatik ist in Frau Rezas Komödienwundertüte leider nicht enthalten. Der Rest? Wäre ein Schmachtfetzen von Céline Dion. Aber immerhin die Instrumentalversionen von Eva Jantschitsch berücken das Ohr. (Ronald Pohl, 16.2.2024)