"Luziwuzi" (Thomas Neuwirth) umzingelt von seinen Brüdern Ferdinand Maximilian und Karl Ludwig, gespielt von Sebastian Wendelin und Gerhard Kasal.
Rita Newman/Rabenhof

Zeitlebens entweder als unmännlicher, lasterhafter, ausschweifender oder "weibischer" Schwächling mit "speziellen Neigungen" verschrien, sahen andere in Erzherzog Ludwig Victor – kurz "Luziwuzi" einen exzentrischen, stilverliebten und kunstaffinen Lebensgenießer. Der jüngste Bruder Kaiser Franz Josephs machte aus seiner Homosexualität kein Hehl. Vom Hof zunächst toleriert, wurde er nach öffentlich gewordenen Skandalen schließlich exiliert. Heute ist Luziwuzi ein Symbol für die queere Szene und ein weitestgehend unerforschter Charakter der Habsburger-Szene. Das Stück Luziwuzi – Ich bin die Kaiserin, das vergangene Woche im Rabenhof-Theater Premiere feierte, möchte diese Persönlichkeit aus einer neuen Perspektive beleuchten.

Dafür lässt die Regisseurin Ruth Brauer-Kvam ein rein männliches Ensemble in mehrere Rollen schlüpfen und setzt auf Thomas "Tom" Neuwirth als Titelhelden. Damit debütiert er, der Öffentlichkeit vor allem als Kunstfigur Conchita bekannt, gleichzeitig als Schauspieler. In der ersten Szene gibt Neuwirth jedoch noch nicht viel von sich preis. Über den Beckenrand eines leeren Swimmingpools gebeugt, stellt er nur seine Kehrseite zur Schau. Hinter ihm drei Männer in dunkler Kluft vor Lametta-Vorhang, kunstvoller Wandbemalung und Palme (Bühne: Michaela Mandel). Mag diese Szenerie auf den ersten Blick düster und bizarr erscheinen, ist sie vor allem symbolträchtig. So könnte ein leerer Swimmingpool mit einem dekadenten Lifestyle assoziiert werden, der verfrüht sein Ablaufdatum erreicht.

Was danach geschieht, ist eine rasante Fahrt durch die wichtigsten Stationen in Ludwig Victors Leben. Zunächst als kleiner Junge im Schoß seiner herrischen Mutter Sophie Friederike von Bayern (Florian Carove), danach als zum Mann erblühter Anzugträger, konfrontiert mit der strengen Etikette des Wiener Hofes. Im Beisein der drei Brüder Franz Joseph, Ferdinand Maximilian und Karl Ludwig (gespielt von Gerhard Kasal, Sebastian Wendelin und Florian Carove) soll Luziwuzi ein "echter Mann", ausbleibendes Interesse an Frauen mithilfe einer "hygienischen Dame" kuriert werden. Diese waren zur Habsburgerzeit dafür zuständig, den jungen Adligen Wissenswertes in Sachen Fortpflanzung beizubringen.

Langer Atem

Die Aufführung begleitet den Erzherzog bis hin zu seiner unfreiwilligen Entsendung ins Salzburger Schloss Kleßheim, in dem Luziwuzi bis zu seinem Tod ein abgeschiedenes Dasein fristete. All das wird mit sehr viel Wortwitz und Ironie erzählt. Brauer-Kvam traf mit der Besetzung eine gute Wahl. Die Darstellenden verstehen es meisterhaft, Emotionen und den Facettenreichtum der Sprache einzufangen. Vor allem Wendelin besticht in seiner Performance als zumeist betrunken-lallender Geistlicher und veranschaulicht, wie viele Wörter tatsächlich in einen Atemzug passen können. Das musikalische Mastermind Kyrre Kvam sorgt mit allerhand Instrumentarium für einen vielseitigen und atmosphärischen Klangteppich, der gewissen Szenen das nötige i-Tüpfelchen verleiht.

Insbesondere Luziwuzis Besetzung war eine wohlüberlegte Entscheidung. Die Geschichte über den gleichermaßen extravaganten wie verkannten Habsburger funktioniert hervorragend mit dem Neo-Theaterdarsteller Tom Neuwirth. Dieser koppelt Dramatik und Komik mit gewohnt ergreifendem Gesang – das fehlende Schauspielstudium vermisst dabei niemand.

Politische Message

"Ludwig Victor ist eine Habsburger-Figur, über die niemand spricht – oder wenn, dann nur als 'schrägen Vogel'. Wir versuchen ihm eine Stimme zu geben und geben somit allen, die damals ein Leben im Verborgenen leben mussten, eine Stimme", beschreibt Brauer-Kvam ihre zugrunde liegende Motivation. Dies ist ihr auf erfrischende Weise gelungen. Mit Luziwuzi schuf sie eine konkurrenzlose und prunkvolle Habsburger-Komödie mit politischer Message. Ludwig Victor verstieß mit seinem schillernden Lebensstil gegen die vorherrschende Etikette am Hof. Als die Habsburger ihren Ruf dadurch in Gefahr wähnten, wurde er aus dem Weg geschafft.

Das Stück nähert sich einem antiquierten, aber nach wie vor aktuellen Problem. Wer von der sozialen Norm abweicht, den treffen Sanktionen, wenn auch in milderer Form als zur Kaiserzeit. In diesem Zusammenhang werden viele Fragen aufgeworfen: Wie gehen wir mit denjenigen um, die nicht in die Schablone des gesellschaftlich Akzeptierten passen und ihre Individualität ausleben? Werden wir uns weiterhin derartigen Idealen und Erwartungen unterwerfen? Oder werden wir daran arbeiten, diese aufzubrechen und neu zu definieren? (Patricia Kornfeld, 19.2.2024)