Wer auf Tiktok unterwegs ist, war möglicherweise bereits mit dem Hashtag #legginglegs konfrontiert.
Wer auf Tiktok unterwegs ist, war möglicherweise bereits mit dem Hashtag #LeggingLegs konfrontiert.
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Da ist sie also wieder, die Oberschenkellücke. Manche werden sich dunkel erinnern: Vor einem Jahrzehnt war sie schon einmal da. Damals galt der luftige "Thigh Gap" als erstrebenswertes Schönheitsideal. Verstärkt wurde das Begehren 2014 in den noch jungen sozialen Netzwerken, wo Selfies rauf- und runtergepostet wurden. Junge Frauen dressierten ihre Oberschenkel, um die luftige Lücke zwischen den Schenkeln in den sozialen Netzwerken wie eine Trophäe zu präsentieren. Subtext der Bilder: Die Lücke ist durch Disziplin und Askese erreichbar.

Oberflächliche Korrektur

Was für ein Quatsch! Schon damals wurde die Fetischisierung und Überhöhung des dünnen Schönheitsideals übrigens infrage gestellt. Kein Wunder, einer Generation an Frauen steckte noch der "Heroin Chic" der Neunzigerjahre in den Knochen. Doch die Kritik verpuffte längerfristig offenbar im Nichts. Zehn Jahre später werden die dünnen Schenkel wieder gefeiert, nur die Zeichen der Zeit haben sich geändert: Jetzt gelten die "Legging Legs" auf der Videoplattform Tiktok als begehrenswert.

Nicht nur, dass die Social-Media-Welt in einer Zeitschleife gefangen scheint, das alles klingt nach einem Rückschritt. Dabei hatte sich selbst die Modeindustrie die Diversität auf die Fahnen geschrieben. Models mit den Kleidergrößen 44 oder 46 konnten sich Jobs angeln, die lange unerreichbar waren. 2016 erschien Ashley Graham auf dem Titel der "Sports Illustrated", die britische "Vogue" zeigte 2019 Popstar Lizzo auf dem Cover.

Das alles scheint nicht mehr als eine Oberflächenkorrektur gewesen zu sein. Das dünne Ideal steckt noch immer in den Köpfen, das sieht man auf den Laufstegen von Luxusmodeherstellern wie Balenciaga: Dort marschierten unlängst Models (in Leggings) über den Laufsteg, die ganz dem dünnen Ideal entsprachen. Aber nicht nur das. Die Besessenheit mit unseren Körpern hat durch die Omnipräsenz von Social Media im Jahr 2024 eine neue Dimension erreicht – junge Menschen konsumieren die sozialen Netzwerke nicht nur, sie leben in ihnen.

Gleichzeitig ist auch die Kritik heute lauter als in den Zehnerjahren. Etliche Frauen verurteilen den Trend als Bodyshaming, Tiktok hat mittlerweile reagiert, der Hashtag #LeggingLegs wurde geblockt. Wer besagte Stichworte auf der Videoplattform sucht, bekommt Informationen zu Beratungsstellen.

Screenshot Tiktok

Denn ja, eine Botschaft kann nicht oft genug wiederholt werden: Unsere Körperformen dürfen keinen Trends unterliegen. (Anne Feldkamp, 19.2.2024)