Comedian
Comedian "Wurstaufschnitt" produziert seit 2020 kurze Videos für Tiktok und Instagram. Nun bringt er sein erstes Stand-up-Programm auf die Bühne.
Lionel Koller

Britney Spears war für viele Teens in den Nullerjahren ein Idol – auch für den damals 14-jährigen Lionel Koller. Seinem Tagebuch vertraute der heute als "Wurstaufschnitt" bekannte Comedian seinen größten Wunsch an: Er wollte Popstar werden, genau wie Britney. Der Traum hat sich bislang nicht erfüllt, wurde aber zum Stoff für sein erstes Stand-up-Programm. Am Dienstagabend feiert er mit der Show Liebes Tagebuch, ich werde Popstar in der Kulisse sein Solodebüt.

Damit wagt er sich nicht auf gänzlich neues Terrain. Auf Social Media veröffentlicht Koller seit 2020 kurze Videos und erreicht ein großes Publikum – auf Tiktok mittlerweile über 63.000 Follower. Für kürzere Performances stand er bereits mehrmals auf der Bühne, zum Beispiel im Rahmen des PCCC* – Vienna's First Queer Comedy Club (PCCC* steht für Politically Correct Comedy Club), gehostet von der Performancekünstlerin Denice Bourbon.

Unangenehme Momente in der U-Bahn und Apotheke, Komplikationen mit der Bürokratie, toxische Männlichkeit oder Rassismus: Im Internet vereint er bissige Gesellschaftskritik mit lockerem Humor. Das soll sich in der Kulisse nicht ändern. "Auf Social Media behandle ich auch alltägliche Momente, die mir untertags passieren. Dabei habe ich nicht immer den Hintergedanken, die Welt zu verbessern oder möglichst ernste Themen anzusprechen. So ist es bei mir auch im Programm: Ich versuche, die Balance zu finden", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Wichtig ist ihm, keine marginalisierten Personengruppen zu diskriminieren. Die Show begreift Koller als autobiografische Aufarbeitung, sie handelt mitunter vom Aufwachsen als Kind mit Migrationsbiografie: Kollers Mutter stammt aus Japan, sein Vater ist Österreicher.

Flucht in die Fantasie

Ebenso wird seine queere Selbstfindung aufgearbeitet. In Britney Spears sah er ein Vorbild und zieht Analogien zwischen ihr und sich selbst – ihr Privatleben wurde in den Medien ausgeschlachtet und sie als hypersexuelles Wesen dargestellt, findet er. "Ich wusste mit 14 schon, dass ich schwul bin, sagte es aber keinem. Ich hatte das Gefühl, dass die Gesellschaft öffentlich diskutiert, ob meine sexuelle Orientierung in Ordnung ist oder nicht. Heute ist die Akzeptanz für queere Menschen wie mich wesentlich besser, aber als ich in den 2000ern aufgewachsen bin, war es noch nicht so." Die Vorstellung, Popstar zu werden und in die Fußstapfen seiner liebsten Popikone zu treten, sei für ihn die Flucht in eine Fantasiewelt gewesen.

In diesem Zusammenhang nimmt die Beziehung zu seiner Mutter eine große Rolle ein, denn diese war – obwohl selbst Operettensängerin – so gar nicht begeistert von den Karriereplänen ihres Kindes. "Meine Mutter ist stark von der konservativ-patriarchalen Kultur Japans geprägt und ließ mich dies in ihrer Erziehung spüren. Sie hat sich immer gewünscht, dass ich ein heteronormatives Leben führe, eine Frau kennenlerne, Kinder bekomme und einen angesehenen Beruf ausübe, der sozusagen die Ehre unserer Familie nicht befleckt." Als Koller sie mit seinem Wunsch konfrontierte, steckte sie ihn stattdessen in den Querflötenunterricht. Seine Soloshow beschreibt, wie er zu dem Menschen wurde, der er heute ist. (Patricia Kornfeld, 19.2.2024)