Garden Life Screenshot
"Garden Life" soll einfach nur schön und entspannend sein. Nicht mehr, nicht weniger.
Stillalive Studios

Der Gemeinschaftsgarten sieht ganz schön verwildert aus, als ich ihn zum ersten Mal betrete. Wenig verwunderlich, ist doch die freundliche Dame verstorben, die sich zuvor liebevoll um die Pflanzen gekümmert hat. Das ist nun meine Aufgabe. Und so mache ich mich daran, Unkraut zu entfernen und die Reste im Kompost zu sammeln, bevor ich mich dem Einpflanzen neuer Blumen widme.

Hier geht es allerdings nicht um einen echten Garten, sondern um einen virtuellen, den es in "Garden Life: A Cozy Simulator" zu pflegen gilt. Seit Donnerstag ist das Spiel für Playstation 5, Playstation 4, Xbox Series X/S, Xbox One und PC erhältlich, die Version für Nintendo Switch soll am 28. März folgen. Entwickelt wurde das Spiel von den Stillalive Studios aus Innsbruck, die zuvor unter anderem mit den "Bus Simulator"-Spielen bekannt wurden.

Cozy Games für die Entspannung

Lenkte man in den "Bus Simulator"-Games noch einen Omnibus durch virtuelle Städte, so verbringt man in "Garden Life" etliche Stunden mit dem Gießen und Beschneiden von Pflanzen. Die Idee dahinter: Nach einem stressigen Arbeitstag soll der Adrenalinspiegel nicht noch weiter durch das Ballern auf fiese Monster oder Aliens gesteigert, sondern durch entspannende Tätigkeiten gesenkt werden.

Garden Life: A Cozy Simulator | Gameplay Trailer
Nacon Deutschland

Als "Cozy Games" werden Spiele bezeichnet, bei denen das Wohlfühlen mehr im Mittelpunkt steht als eine spannende Story oder wilde Actionszenen. Der wohl bekannteste Vertreter dieser Spielegattung ist das Ein-Mann-Projekt "Stardew Valley", das sich millionenfach verkaufte und bei dem ebenfalls das Pflegen eines Gartens im Mittelpunkt steht. Der Disney-Konzern brachte mit "Dreamlight Valley" eine Kopie dieses Konzept mit schickerer Grafik, garniert mit diversen bekannten Zeichentrickfiguren. Und der STANDARD stellte zum Jahreswechsel eine Sammlung empfehlenswerter Cozy Games zusammen, mit denen man getrost entspannen kann.

Floristin gestaltet Games

Dass es beim neuesten Spiel der Innsbrucker ums Garteln geht, hat mehrere Gründe. Unter anderem kann nämlich Kay Luthor, Produzentin bei Stillalive Studios, auf zehn Jahre Erfahrung als Floristin zurückgreifen. Als das Team auf der Suche nach neuen Spielkonzepten war, konnte sie endlich ihre Leidenschaft für Pflanzen in die Entwicklung einbringen.

Der andere Grund ist schlichtweg, dass Gartenarbeit ein sehr entspannender Zeitvertreib ist, den viele Menschen im echten Leben genießen. "Wir haben während der Entwicklung so auch Fanpost von Leuten bekommen, die in kleinen Wohnungen in der Stadt wohnen und sich nach einem eigenen Garten sehnen", sagt Chris Polus, Brand Director bei Stillalive Studios, zum STANDARD: "Oder von Menschen mit Behinderung, die keinen Garten unterhalten können und sich deshalb auf dieses Spiel freuen. Das hat uns viel Antrieb gegeben."

Als Alternative zur realen Arbeit im Garten – mit all ihren Aspekten wie von Dornen zerstochenen Händen und mit Dreck besudelten Hosen – wollen die Innsbrucker ihr Spiel jedenfalls nicht verstehen. "'Garden Life' ergänzt die Erfahrung in der realen Welt und konzentriert sich auf das Erlebnis und die Schönheit der Natur", sagt Polus. "Es soll ein gemütliches Spiel sein, mit dem man nach einem stressigen Arbeitstag kreativ sein und entspannen kann."

Eine Story ohne Spannung

Wie eingangs erwähnt, geht es bei Cozy Games nicht um das Erzählen einer spannenden Geschichte. Das heißt aber nicht, dass es bei "Garden Life" gar keine Story gibt: Zu Beginn wählt man zwischen einem Kreativmodus, in dem man frei walten und gestalten kann, und einem Storymodus. In diesem findet man sich zu Beginn im verwilderten Garten wieder, richtet diesen schrittweise her, begegnet verschiedenen Menschen aus dem Dorf und auch der verstorbenen Gärtnerin, die noch als Geist im Gartenhaus spukt – dabei aber nicht bösartig ist, sondern lediglich Tipps gibt.

Garden Life: A Cozy Simulator | Story Trailer
Nacon Deutschland

Ein aufregender Spannungsbogen sieht anders aus, aber das Erzählen einer klassischen Heldenreise ist auch nicht Ziel des Unterfangens, wie Polus durchblicken lässt. Vielmehr dient der Storymodus dazu, "noch tiefer in die Welt von 'Garden Life' einzutauchen und sich in die charmante Welt unserer Charaktere entführen zu lassen". Er fungiert somit eher als eine Art Tutorial, das in das Spiel einführt, ohne Druck auf den Spieler oder die Spielerin auszuüben. Hier lernen sie, wie man pflanzt, Samen sammelt, welches Werkzeug man verwendet und wie man Gartendekoration platziert. "Das wäre sonst auf einmal etwas überwältigend", sagt Polus.

Den Pflanzen beim Wachsen zusehen

Überhaupt gibt es zwar immer wieder Aufgaben zu erledigen, doch auch hier gilt die Prämisse: bloß kein Stress. So muss etwa eine bestimmte Anzahl an Blumen geerntet werden, damit eine Bürgerin daraus einen Strauß zusammenstellen kann – bis wann man diesen liefert, liegt aber im eigenen Ermessen. Mehr noch, das Spiel erinnert den Menschen am Controller zeitweise daran, es mit der virtuellen Arbeit nicht zu übertreiben.

Screenshot Garden Life
Im Shop können neue Gartengeräte erworben werden. Aber bitte ohne Zeitdruck.
Stillalive Studios

Zu diesem Zweck werden auch Tageszeiten dargestellt: Nach gewisser Zeit fährt man im Licht der Abenddämmerung nach Hause, um sich am nächsten Tag ausgeruht wieder der Gartenarbeit zu widmen. Auch Produktionsketten werden simuliert, indem Samen gepflanzt, die Pflanzen gedüngt und gegossen und schließlich geerntet werden können. Zudem können Deko-Gegenstände ebenso wie neue Werkzeuge erworben werden, die zur weiteren Verfeinerung des Gartens beitragen können. Aber ebenfalls ohne Zeitdruck.

Worauf das Team außerdem großen Wert bei der Entwicklung legte: die Simulation des Pflanzenwachstums. Denn normalerweise würde ein Spiel vielleicht fünf verschiedene Darstellungen der gleichen Pflanze bieten, was den Nachteil hätte, dass sie in einem Blumenbeet nebeneinander ziemlich ähnlich aussehen würden. "So kann man nicht in ein Spiel eintauchen, das ein Gartenerlebnis bieten soll", ist Polus überzeugt. "Unsere Entwickler haben deshalb viel Energie in einen Wachstumsalgorithmus gesteckt."

Screenshot Garden Life
Die Vielfalt der Pflanzen war dem Team bei der Entwicklung sehr wichtig.
Stillalive Studios

Das Team hat geforscht, wie Pflanzen wachsen, wie viele Segmente sie haben, wie sie sich verzweigen, wo Blätter sprießen – und diese Erkenntnisse schließlich in das Spiel eingebaut. "Das Resultat ist, dass jede Pflanze einzigartig ist", sagt Polus. "Alles basiert auf dem Genom der Pflanze und lässt manche kleiner, andere höher, mit mehr oder weniger Blättern wachsen. So erwecken wir den Garten richtig zum Leben, und er sieht sehr organisch aus."

Eskapismus – während und auch nach der Pandemie

Dass Cozy Games wie nun auch "Garden Life" in den vergangenen Jahren so sehr an Beliebtheit gewonnen haben, ist nicht zuletzt auf die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns zurückzuführen. Menschen richteten sich zu Hause ein, suchten Beschäftigung und Ablenkung: Nicht umsonst gehörte "You can go anywhere in the world" zu jenen Slogans, die im Ladescreen des 2020 veröffentlichten "Microsoft Flight Simulator" auftauchten – eines Spiels, bei dem man stundenlang, begleitet vom beruhigenden Brummen der Turbinen, in einem virtuellen Cockpit sitzt und von A nach B fliegt. Und das gerade in Zeiten der Lockdowns das Fernweh ein wenig milderte.

Doch auch jetzt ist das Leben vieler Menschen stressiger als zuvor, und eine gewisse Flucht aus dem Alltag war immer schon Motivation für den Konsum von Filmen, Serien und Spielen. Cozy Games befriedigen laut Polus dieses Bedürfnis, ermöglichen sie doch das Abtauchen in eine entspannende Welt ohne Konflikt oder Gewalt: "Das Einrichten einer einladenden virtuellen Umgebung steht im Vordergrund. Es ist wie das Spielen mit einem großen Puppenhaus."

Screenshot Garden Life
Die Katze kann gestreichelt werden.
Stillalive Studios

Negativität und toxische Äußerungen sucht man bei diesen Spielen vergebens, auch in "Garden Life" wird der Spieler stets für seine tolle Arbeit gelobt: Selbst an im STANDARD-Test vollkommen sinnlos platzierten Parkbänken äußern die Nebencharaktere kein einziges Wort der Kritik.

Diese Positivität ist laut Polus auch der Grund, warum das Genre der Cozy Games auch in Zukunft weiter wachsen wird. "Unserer Meinung nach kann das einen guten, sogar heilenden Einfluss auf das Leben der Menschen haben", sagt er. "Daher denken wir, dass sich das Genre weiter in den Mainstream bewegen wird."

Bei Stillalive Studios sieht man es als eigene Aufgabe, Österreichs Position in diesem Genre zu stärken. "Unser Heimvorteil ist die wunderschöne Natur mit ihren Bergen und Hügeln. Wir können quasi vor der Haustür Inspiration für Gemütlichkeit und Ruhe finden", sagt der Innsbrucker. "Außerdem sind wir Österreicher auch für unsere Gelassenheit und Umgänglichkeit bekannt." (Stefan Mey, 24.2.2024)