Der ORF müsse den Menschen, die nun für ihn zahlen müssen, mehr bieten: Das verlangt der von der SPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer im Gespräch mit dem STANDARD und holt zum Rundumschlag durchs ORF-Programm aus. Er sieht den ORF vor allem "im Sport den Anschluss verlieren", aber auch Defizite in Unterhaltung, Kultur und Diskussionsformaten.

Westenthaler als Unterstützer oder "Zerstörer"

Seinen neuen Kollegen im obersten ORF-Entscheidungsgremium, den gerade von der FPÖ nominierten "oe24"-Politkommentator Peter Westenthaler, begrüßt Lederer so: "Wenn Westenther unseren Reformideen beitritt, freuen wir uns über die Unterstützung. Wenn er sich als Chefstrategen einer Zerstörung des ORF sieht, wird er auf unseren Widerstand treffen."

Stiftungsrat Heinz Lederer
Stiftungsrat Heinz Lederer sieht den ORF etwa im Sport "den Anschluss verlieren".
APA Georg Hochmuth

"Müssen Publikum versorgen, das zahlen muss"

Heinz Lederer hört "nur Kritik" über den ORF-Sport, sagt er. Der ORF müsse hier "erfindungsreicher, fantasievoller, unterhaltender werden", wenn er sich etwa immer weniger Live-Übertragungsrechte leisten könne – die Spiele der österreichischen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland etwa laufen bei Servus TV. "Wir haben ein Publikum zu versorgen, gerade junge Menschen, die jetzt alle ORF-Beitrag zahlen müssen."

Trotz Liveübertragungen auch im Hauptabend von ORF 1 von der Handball-Europameisterschaft sieht Lederer "das Handballwunder Österreich an uns vollständig vorbeigegangen". Die "Wiedergeburt des Tennis" – er spricht von den Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle – sei "im ORF nicht besonders gut gecovert worden". Das Skiweltcupwochenende in Kitzbühel sei "fast spannender im Privatsenderbereich". Die tausendste Ausgabe von "Sport am Sonntag" habe gezeigt, "dass ein Relaunch dringend notwendig ist", findet Lederer.

Der ORF müsse gerade im Sport neue Formate entwickeln und jüngere Moderatorinnen und Moderatoren fördern. Lederer: "Wenn wir jetzt nicht aufpassen, verlieren wir den Anschluss." Private Sender wie Servus TV führten vor Augen, wie zeitgemäße Talkformate im Sport aussehen könnten.

Jüngere Starnächte, breitere Kultur

In der ORF-Unterhaltung äußert Lederer "großes Vertrauen" in den 2023 installierten Unterhaltungschef Martin Gastinger, zuvor für Servus TV tätig. Aber: "Wir müssen mehr an unseren erfolgreichen Topformaten arbeiten", und er erwarte sich weitere Neuentwicklungen: "Was kommt zusätzlich zu Starnächten?" Lederer vermisst eine "extended version" dieser regionalen Showformate: "Wie können wir über die klassischen 'Starnächte' hinaus ein jüngeres Publikum ansprechen?"

"In die Jahre gekommen" sieht Lederer auch den "Kulturmontag". Er kritisiert "Politik- und Kulturausrutscher" in der Kulturleiste des ORF und sieht diese "am Publikum vorbeigehen". Auch hier sieht der Stiftungsrat Reformbedarf und verlangt "eine Neuausrichtung auf breitere Zuschauerschichten, denn all das zahlt in die Glaubwürdigkeit und in die Überlebensstrategie des ORF ein".

In der Fiction zeigten die überschaubaren TV-Quoten von "Biester" bei der Premiere im linearen Fernsehen, dass der ORF sich zu stark auf wenige Formate konzentriere. Das "Vorstadtweiber"-Nachfolgeformat "Biester" war zunächst im Streamingportal "ORF On" zu sehen und hatte am Montag seinen offiziellen TV-Start im Hauptabend von ORF 1 – mit 294.000 und 332.000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Schnitt.

Blaues Auge

Den Verweis auf "School of Champions" als weiteres neues ORF-Serienformat lässt Lederer nicht vollends gelten: "Wir müssen mehr haben als nur 'School of Champions', die Dichte muss deutlich erhöht werden für all jene, die nun Haushaltsabgabe zahlen müssen."

Neuerlich verlangt Lederer im Gespräch mit dem STANDARD neue Formate und Moderatorinnen und Moderatoren für politische Diskussionsrunden im ORF: "Das Wahljahr verzeiht nicht, dass wir zu spät kommen", findet der ORF-Stiftungsrat: "Sonst werden wir mit einem blauen Auge aufwachen, denn die private Konkurrenz wird immer stärker." (Harald Fidler, 23.2.2024)